Der Daimler-Konzern hat in diesem Jahr die Tests kommender Elektro-Lkw seiner diversen Marken hochgefahren, doch auch andere Hersteller drängen mit stromgetriebenen Lastwagen auf den Markt – darunter das Schweizer E-Mobilitäts-Unternehmen Designwerk. Eines der entwickelten Fahrzeuge wird nun in der Kühllogistik im Alltag erprobt.
Die ostwestfälische Nagel-Group testet seit Ende November einen vollelektrischen 40-Tonnen-Sattelzug der Designwerk-Marke Futuricum in der Praxis. Gemeinsam mit Partnern sollen die technischen Möglichkeiten einer elektrischen Zugmaschine in Kombination mit einem elektrischen Trailer ausgelotet werden.
„Elektroantriebe werden derzeit intensiv diskutiert. Wir wollen uns ein eigenes Bild machen und gemeinsam mit unseren Partnern herausfinden, unter welchen Bedingungen sich elektrische Lkw für die energieintensive Kühllogistik technisch und wirtschaftlich lohnen können“, erklärt Nagel-Group-CEO Carsten Taucke. Für die Erprobung hat der Lebensmittellogistiker gemeinsam mit dem Hersteller für Smoothies und gekühlte Säfte Innocent Drinks Transporte ausgewählt, die für einen Testzeitraum mit E-Fahrzeugen durchgeführt werden.
Der Elektro-Lkw von Futuricum wird im Rahmen eines Shuttle-Verkehrs eingesetzt. Das mit Apfelsaft beladene Fahrzeug pendelt mehrfach pro Tag zwischen dem baden-württembergischen Produktionsstandort in Stockach und der Nagel Niederlassung in Deißlingen. Die einfache Strecke beträgt rund 60 Kilometer und erfordert bis zu zwei aktive Kühlstunden. „Das besondere an unserem Test ist, dass wir hier erstmals komplett auf Elektroantrieb setzen. Der elektrisch betriebene Sattelschlepper zieht einen ebenfalls elektrisch gekühlten Trailer. So können wir erstmals große Transporte ohne lokale CO2-Emmissionen durchführen“, so Arthur Ebel von der Nagel-Group.
380 Kilometer Reichweite
Als Zugmaschine wird der Futuricum Semi 40E von Designwerk eingesetzt. Der Elektro-Lkw verfügt über vier Motoren, eine Gesamtleistung von 500 kW (680 PS) und eine Reichweite von bis zu 380 Kilometer. Das Fahrzeug ist zuvor bereits in der Verteil-, Recycling- und Baulogistik eingesetzt worden.
„Mit diesem Test wollen wir beweisen, dass unsere Zugmaschine auch die hohen Ansprüche der Kühllogistik erfüllen kann“, sagt Fabian Wyssmann, Vertriebs- und Marketingleiter von Designwerk. Herzstück des Elektrofahrzeugs sind die beiden Batterien, die jeweils über eine Kapazität von 170 kWh verfügen. Die Ladezeit variiert je nach Ladestation. Laut Wyssmann kann der Semi 40E innerhalb von etwas mehr als zwei Stunden aufgeladen werden.
Gemeinsam mit dem Futuricum Semi 40 wird ein vollelektrischer Kühltrailer mit Technik des niederländischen Unternehmens THT Heetkamp eingesetzt. Neben Batterien nutzt dieser Energierückgewinnung in der Achse. „Beim Bremsen entsteht unheimlich viel Energie. Mit unserer Rekuperationstechnik holen wir uns ein Stück davon zurück und Laden so die Batterien unterwegs wieder auf“, so Twan Heetkamp, Direktor von THT Heetkamp.
Der elektrische Trailer ist noch in der Erprobung und wird insgesamt drei Monate von der Nagel-Group getestet. „Wir werden in den kommenden Wochen Energieverbrauch, Reichweite und Fahreigenschaften intensiv auswerten und die Ergebnisse in unsere Überlegungen zur weiteren Modernisierung unserer Flotte einbringen. Außerdem werden die Testdaten genutzt, um die Durchführbarkeit und Wirtschaftlichkeit solcher vollelektrischen Transporte zu bewerten“, so Nagel-Group-Chef Taucke.
Andreas_Nün meint
Toll, schon näher am tatsächlichen Produkt, als es das Unternehmen „Nikola“ je sein wird.
Der LKW Zustellverkehr wird zu 100% elektrisch, das ist die mit Abstand wirtschaftslichste Methode. Für den Langstreckenverkehr wird es noch einen Mix geben, da wird sich der Diesel halten.
Jörg2 meint
Ja, das glaube ich auch.
Frachtführer, die Strecken- und Flächenverkehre schon heute vollelektrisch abdecken, werden sich für die Langstrecke keine Zwischenlösung (Hybride, H2 etc.) zulegen. Die fahren das solange per Diesel, bis auch diese Strecken vollelektrisch funktionieren.
Michael meint
Leider finden Fernfahrer in Deutschland oft nicht mal einen normalen Parkplatz auf der Autobahn, von Ladestationen ganz zu schweigen. Da sind ganz andere Infrastrukturmassnahmen notwendig. Und dafür eine andere Regierung.
Jörg2 meint
@Michael
Hast Du weiter unten die Meinungen mal gelesen?
simon meint
Tolle Sache, mehr als 200km (grobe Schätzung) braucht es eh nicht, längere Strecken soll die Fracht auf den Zug.
Herbs meint
Das ist bei Zeit kritischen Transporten innerhalb von Europa leider unrealistisch (die Bahn).
Vieles sind JIT oder JIS Transporte oder Güter mit limitierter Haltbarkeit. Wenn man da nicht auf der direkten Bahnverbindung sitzt ist der LKW Transport immer schneller und somit bevorzugt.
nilsbär meint
Gute Nachricht!
Ich hoffe sehr, dass sich der E-Antrieb bei den schweren LKW durchsetzt, auch auf der Langstrecke. Elon, heraus mit dem Semi, bevor sich hier die H2-Industrie festsetzt und die Erneuerbaren Energien im LKW-Verkehr verschwendet werden! Das würde die weltweite Energiewende um Jahrzehnte verzögern. Der Semi ist das wichtigste Produkt von Tesla, alles andere – wenn auch technologisch etwas zurück- bieten mittlerweile auch andere Hersteller. Dann kannst beruhigt zum Mars fliegen:-)
Jörg2 meint
Feine Sache!
Der fährt also zwischen Punkt A und B. Die Entfernung sind 60km. Das entspricht so ca. einem Sechstel seiner maximalen Reichweite. Die maximale Reichweite läd er so in ca. 150 Minuten.
Er muss also, ohne Berücksichtigung der Ladekurve, am jeweiligen Endpunkt der 60km-Strecke ca. 25 Minuten nachladen. Wenn der richtige Bereich der Ladekurve genutzt wird, wohl eher weniger.
Das dürfte sich mit den Be- und Entladezeiten wohl so halbwegs decken (da brauch es noch nichtmal die gesetzlichen Ruhezeiten als Ladezeit).
Also: Wenn A und B die geeigneten Ladepunkte haben, braucht es keine extra Ladepausen. Das Anstecken dauert 2 Minuten.
Peter W meint
So ist es, und ich bin sicher, dass das die Zukunft ist.
Alle reden immer nur vom Fernverkehr und von 1000 km Reichweite. Die allermeisten Transporte finden aber im Nahbereich weit unter 300 km statt.
Für den LKW-Fernverkehr könnten sich auch gemietete Wechselakkus durchsetzen. Das wäre mit Sicherheit preiswerter als Wasserstoff.
Jeru meint
Und ein stadardisiertes Wechselakku-System stößt mit Sicherheit auf offene Ohren bei den Herstellern. Gleichzeitg wird dann eine Infrastruktur etabliert, die ausschließlich von LKW auf der Langstrecke genutzt wird. Win-Win und einfach:
Genial!
Jörg2 meint
@Jeru
Welches Problem soll die Wechselakku-Lösung erschlagen?
E-Tom meint
Finde ich auch gut, aber die Beispiele Fotoapparate und Handy’s sind das Gegenbeispiel. Hunderte von verschiedenen Akku-Modellen, die das ganze natürlich auch teuer und meist anbieterabhängig machen.
Jörg2 meint
Das Problem der Wechselakkus sehe ich in folgenden Punkten:
Wer ist Eigentümer der Akkus?
Wie haftet der Eigentümer für Verfügbarkeit und Qualität?
Wie gestaltet sich die One-Way-Miete?
Ein Wechselakku-Modell innerhalb eines großen Frachtführers oder Frachtführerverbundes kann ich mir noch vorstellen. Ein offenes System eines Drittanbieters, europaweit (?), halte ich für zum Scheitern
verurteilt.
simon meint
Für den Fernverkehr gibt es immer auch noch den Zug. Politischer Wille fehlt auch dort.
Jörg2 meint
@simon
Das wäre die Ideallösung. So viel wie möglich der Streckenverkehre auf die Bahn. Zur Zeit kann das die Bahn nicht. Bis heute will das die Bahn offenbar auch nicht.
Mein letztes größeres Bahn-Transporterlebnis war vor Jahren die Nutzung eines s.g. Autozuges der DB (ist jetzt komplett eingestellt). Also, Familie im Schlafwagen und Auto auf dem Autotransportwagen der DB. So dachte ich. „Schlafwagen“ wurde Realität. Die Autos wurden per PKW-Transporter (Spezial-LKW mit Anhänger) auf der Strasse zum Zielbahnhof gefahren. Ich dachte, ich bin im falschen Film …
Jörg2 meint
@Peter W
Ja, das glaube ich auch.
Es gibt sehr viele Punkt-zu-Punkt-Verkehre (Streckenverkehr). Schon heute ist dieser so getanktet, dass er nicht (selten) mit den Lenkzeitregelungen kollidiert. Das bedeutet, dass in der ununterbrochenen Lenkzeit von 4,5 Stunden das Ziel erreicht wird. Oft sind das Pendelverkehre um Personalkosten zu sparen (der Fahrer ist nach der Schicht wieder zuhause).
Viele Frachtführer arbeiten in Verbünden und stellen sich gegenseitig ihre Infrastruktur zur Verfügung (Verrechnung). Das betrifft auch die firmeneigenen Betankungsmöglichkeiten.
Mit (im Vergleich zu H2-Strukturen) überschaubaren Investitionskosten, können solche Frachtführer auf einzelne BEV-LKW umstellen (Test) und diese auch mit der Ladeinfrastruktur (auf ihren Betriebshöfen, auf den Betriebshöfen anderer Frachtführer im Verbund) versorgen.
Die maximale Fahrstrecke in den 4,5-Stunden sind 360km. Bei einer Akkukapazität, welche 450..500km (Akkunutzung von 10% bis 90% Kapazität) sicherstellt, wären diese Akku in überschaubarer Zeit wieder aufladbar.
Solche BEV-LKW werden in 2..3 Jahren (so mein Orakel) in Serienproduktion sein.
Schon heute können Streckenverkehre bis ca. 250km mit BEV-LKW abgedeckt werden. Städtische Flächenverkehre sowieso.
Die Verkehre, die wir immer auf den Raststätten sehen, werden als letzte dran sein (nicht nur bei BEV auch in einem möglichen H2-Szenario). Dafür würde es ein öffentlich Ladenetz (oder halt H2-Tanknetz) bedürfen. Und wenn wir uns die Raststätten so ansehen, müssten da VIELE parallele „Tankungen“ sichergestellt werden. Das kann ich mir bei Strom noch vorstellen. Bei H2 eher nicht. Insofern halte ich die Diskussion über H2-LKW für nicht zielführend.