Michael Brecht und Ergun Lümali vom Daimler-Betriebsrat haben mit der Süddeutschen Zeitung ein ausführliches Interview geführt. Dabei ging es auch um die E-Mobilitäts-Aktivitäten und den neuen Chef der Schwaben Ola Källenius. Die Betriebsräte forderten dabei unter anderem ein größeres Engagement bei Batteriezellen für Elektroautos.
Angesichts des aktuell niedrigen Werts an der Börse fürchten einige, dass Daimler übernommen werden könnte – Investoren aus China sollen bereits Interesse zeigen. Die Bewertung sei „deutlich weniger als die Substanz hergibt“, sagte Brecht dazu. Der Kurs müsse unbedingt wieder steigen, damit Daimler keine einfache Beute für aktive Investoren beziehungsweise „Heuschrecken“ sei. Das gehe am besten durch „tolle Produkte“.
Brecht glaubt, dass sich spätestens in ein, zwei Jahren auch die neuen Batterie-Fahrzeuge von Daimler durchsetzen. „Wir haben das Auto erfunden und wir können das Automobil auch auf die neuen Technologien hin neu erfinden. Wir sind da gut aufgestellt mittlerweile“, so der Daimler-Betriebsratschef. Auf die Frage, was er mit „mittlerweile“ meine, räumte er ein, dass es bei Elektroautos im Konzern zunächst zu langsam voran ging. Das habe sich vor allem durch den Mittelklasse-Stromer Model 3 von US-Hersteller Tesla aber geändert – dieser sei „der Augenöffner“ für das Management gewesen. „Seit dieser Ankündigung ist mehr Drive drin bei uns“, pflichtete Lümali bei.
Brecht merkte mit Blick auf den Börsenwert an, dass Daimler möglicherweise „mehr trommeln“ müsse. Tesla-Chef Elon Musk mache „eine Marketingshow“, die Probleme „mit dem nächsten Feuerwerk“ kaschiere. Musk habe aber bereits erlebt, dass das profitable Bauen von Elektroautos nicht einfach ist. Brecht verwies auch auf das Aachener E-Transporter-Startup StreetScooter: Daimler sei dafür kritisiert worden, keine elektrifizierten Vans zu bauen. Dass die Konzernmutter Deutsche Post die Produktion von StreetScooter nun einstellt zeige, wie schwierig der Markt ist.
Daimlers neuer Vorstandschef Ola Källenius ist seit Mai 2019 im Amt. Vor wenigen Wochen musste er einen Gewinneinbruch für das letzte Jahr verkünden und treibt nun Einsparungen voran. Brecht lobte, dass Källenius „sehr offen“ Diskussionen führe und klare Ansagen mache. Allerdings sei zuletzt vor allem über Sparmaßnahmen gesprochen worden und die Strategie „viel zu kurz“ gekommen. „Es geht doch nicht nur um Personalabbau, sondern auch um die Mobilität der Zukunft“, betonte Brecht.
Eine der Forderungen des Betriebsrats ist, dass Daimler mehr in Richtung Akkus forscht und entwickelt. „Die Batteriezelle wird am Ende ein Differenzierungsmerkmal sein, das ist keine Standardware, die jeder um die Ecke kauft“, meinte Lümali. Daimler dürfe sich bei der zentralen Komponente für Elektroautos nicht von Dritten abhängig machen. Källenius hat laut Brecht signalisiert, dass er das Thema Batteriezellen „tiefer diskutieren wird“. Derzeit konzentriert sich Daimler auf die Konfektionierung der Batteriepakete in seinen Stromern, die Zellen darin kommen von Zulieferern aus Asien.
Andreas meint
Die Betriebsräte verstehen wieder einmal nicht, worum es bei Aktien geht.
Es geht bei einer Aktienbewertung nicht um „Substanz“, also alte Besitzstände oder die Mitarbeiter etc. , sondern um zukünftige Ergebnisse, also zukünftige Preissteigerungen der Aktie oder zukünftige Dividenden.
Und da sieht es bei Mercedes schlecht aus.
Das ein Startup wie die Aachener oder eine marode und fachfremde Ex-Staatsfirma, wie die Deutsche Post verwendet wird, um zu belegen, wie schwierig der Markt ist, ist lachhaft.
Wie lange ist Daimler jetzt im Geschäft? Daimler wird es ergehen wie Siemens in der Mobilfunksparte.
Und das wissen die großen Anleger.
Mag sein, dass sich noch Landwirte oder Ghetto-AMGs verkaufen lassen, aber das wird nicht reichen.
Apropros: Die Landwirte haben mittlerweile Strom auf dem Dach.
Duesendaniel meint
Daimler muss nicht ‚mehr trommeln‘, sondern endlich etwas liefern! Und warum hat erst das M3 die Augen der Verantwortlichen geöffnet, warum nicht schon der Roadster, der ja genau dafür auch gedacht war?
Freddy K meint
Der Roadster kam ja erst 2008. Vorher gabs ja auch noch andere Hersteller. Nur keiner wollte diese kaufen. Ist wie mit Apple. Erst muss ein Hype erzeugt werden. Vorher geht nichts. Und in Europa lässt sich sowas nicht erzeugen. Es muss awesome, unbelievable sein. Da braucht sich nur ein Ami hinstellen irgendwas von super, toll , unglaublich, neueste Forschung brabbeln und alle sind angefixt.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Aber die Zeit von 2008 bis 2020 sollte schon ausreichen, sich mit neuen Wettbewerbern fachlich fundiert zu beschäftigen und die richtigen Schlüsse draus zu ziehen. Aber die beiden Betriebsräte dokumentieren mit ihrem Statement geradezu, dass sich in ihren Gehirnen bis heute nicht ein Bit von A nach B bewegt hat.
Ebi meint
Ist schon interessant, dass die Belegschaft und Betriebsräte von Daimler (und unlängst auch von Porsche) mehr Weitsicht haben als die Konzernlenker, deren Job es wäre Visionen und Strategien zu entwickeln, Richtungen vorzugeben, heute müssen sie von den eigenen Leuten, die ihre Arbeitsplätze in Gefahr sehen, zum Jagen getragen werden. Wo ist der Herbert Diess von Daimler ?
Christian meint
Das sehen die BWLer bei Daimler aber völlig anders. Nichtmal Elektromotoren machen die selber! Die Zelle wird genauso wenig kommen.
bensch meint
Bitter. Daimler versteckt sich hinter Fehlschlägen à la Streetscooter und kann sich immer noch nicht eingestehen, große Strategiefehler gemacht zu haben. Woher sollen auf die Schnelle die Fahrzeuge, die Akkus, die Software kommen. Man kann ihnen wirklich nur die Daumen drücken, sie werden es brauchen.
Leotronic meint
Vom Vorreiter zum Schlusslicht in 1-2 Jahren. Das ist immerhin eine super Leistung.
Aber die entschiedene Zurückweisung jedweder Emissionsmanipulation bis zur Strafzahlung ist aber auch nicht schlecht.
Swissli meint
So ist es: falsche Strategie gehabt, sodann ergeben sich daraus gleich mehrere Probleme. Einerseits rennt man dem Markt nach, muss die Strategie neu ausrichten, Abschreiber für die Investionen der falschen Strategie frühzeitig tätigen, durch Sparprogramme Mittel für die neue Strategie (u.a. Entwicklung) freimachen. Und jetzt noch Corona Einbruch zu allem dazu. Da wird man wirklich zum Übernahmekandidaten.
alupo meint
Das mit Daimler wird noch spannend.
Wäre schön, wenn die Fehler von Zwetschge (was die Autokorrektur so alles macht ;-)) nicht das Unternehmen zerstören.
Naja, Volvo hat irgendwie auch überlebt….
Jörg2 meint
(VOLVO PKW -> chinesisch / VOLVO LKW -> französisch)
Leotronic meint
DB bereits teilchinesisch
andi_nün meint
„“(VOLVO PKW -> chinesisch / VOLVO LKW -> französisch)““
Größter Anteilseigner der Volvo Group (da sind die LKWs dabei) ist auch Geely, aber nicht kontrollieren.
Jörg2 meint
Jeder Satz ein Offenbarungseid.
DAIMLER ist noch beim Erkennen des Hardwareproblems. Andere arbeiten bereits (mehr oder weniger) erfolgreich an der Software.
Lewellyn meint
Gucken wir mal kurz auf die Börse: 30 Mrd. ist der aktuelle Börsenwert von Daimler. In einem Jahr den Wert halbiert.
Die Börse glaubt nicht an eine strahlende Zukunft.
Stocki meint
Einen ganz großen Anteil daran hat die Corona-Krise, da kann DB nix dafür. Für den verbleibenden Anteil am Börsen-Verlust gebe ich dir aber Recht.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Corona ist für viele Manager – also ich meine nicht echte Unternehmer – endlich alle überfälligen schlechten Nachrichten bekannt zu geben. Und Daimler hat nichts in der Planung und leider auch nicht in den Köpfen – wie die beiden Betriebsräte deutlich dokumentieren.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
bitte ergänzen: …. endlich die Gelegenheit …
Jörg2 meint
@Stocki
Ganz ohne Corona (Virus, nicht das Bier):
Frühjahr 2015 -> 85 EUR
November 2019 -> 50 EUR
Andreas_Nün meint
Dieter Zetsche war aufgrund des Verbrennererfolges betriebsblind. Wünsche Källenius viel Kraft und Ausdauer, das wird ein harter und langer Umstellungsweg.
Zudem besteht leider immer die Möglichkeit einer feindlichen Übernahme.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Wow, in diesem Bericht ist ja jeder Satz ein Hammer und zeigt, wie realtitätsfern die Denke beim Daimler ist. Als Beispiel nur diese Sätze:
„Die Bewertung sei „deutlich weniger als die Substanz hergibt“, sagte Brecht dazu.“
Das weiß aber wirklich (fast) jeder, dass die Bewertung eines Unternehmens an der Börse in erster Linie die Bewertung der Zukunfterwartung darstellt. Wer keine zukunftsorientiert Produkte hat, wird an der Börse nach unten durchgereicht.
„Wir haben das Auto erfunden und wir können das Automobil auch auf die neuen Technologien hin neu erfinden. Wir sind da gut aufgestellt mittlerweile“, so der Daimler-Betriebsratschef.
Ein Produkt kann man nur erfinden, wenn man das als Erster tut; im Fall des E-Autos ist das nun mal Tesla. Wenn man als 5er oder 6er nachgedackelt kommt und sich dann als Erfinder darstellt, wird es langsam peinlich.
Aber auch der zweite Satz ist reine Illusion; ich kenne als fertiges Produkt im Markt nur den EQC, und ob man den gerade kaufen oder leasen oder nur betrachten darf/kann, weiß ich gar nicht. Relativ gut aufgestellt von den deutschen OEMs ist aus meiner Sicht lediglich VW und die Tochter Porsche.
„Källenius hat laut Brecht signalisiert, dass er das Thema Batteriezellen „tiefer diskutieren wird“.
Die Zeit des Redens ist schon längst vorbei, vielleicht sogar auch schon die Zeit des Handelns. Wer zu spät denkt, entscheidet und handelt, der wird einfache Beute von „Heuschrecken“. Wenigstens das wird richtig eingeschätzt.
Stocki meint
„Ein Produkt kann man nur erfinden, wenn man das als Erster tut; im Fall des E-Autos ist das nun mal Tesla.“
Das war jetzt hoffentlich Ironie oder Sarkasmus oder Ähnliches ;-)
Daimler hat schon mit elektrischen Antrieben getüftelt, da gabs Tesla noch lange nicht. Sie haben das Potenzial nur nicht umgesetzt, so daß Tesla nun Lichtjahre voraus ist. Aber das ist ja schon bitter genug.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Die Idee vom Fliegen hatten auch schon Ikarus, aber hat er das „Fliegen“, so wie wir es verstehen und wie es marktfähig ist, erfunden?
Es ist richtig, dass es schon sehr, sehr lange (ausgehend vom Lohner-Porsche und nicht von Benz oder Daimler) Blei-Batteriefahrzeuge gibt, aber die moderne, langstreckentaugliche und in großen Stückzahlen verkaufbare Ausführung stammt nun mal von Tesla; daher ist meine Meinung, angelehnt ans Schweizer Marketing: Wer hat`s erfunden? Tesla! ;-)
Peter W meint
Nun, es ist schon richtig: Gottlieb Daimler hat das Auto, oder besser gesagt den Motor dafür erfunden. Carl Benz baute den Motorwagen mit dem Bertha Benz die legendäre Fahrt von Mannheim nach Pforzheim unternahm. Ohne diese Frau wäre der Motorwagen eventuell wie viele andere Dinge vergessen worden.
Es kommt also weniger darauf an, wer etwas erfindet, sondern wer etwas marktfähig macht. Und da sollte man in erster Linie Bertha Benz für das Auto mit Verbrennungsmotor, und Elon Musk für das Auto mit E-Motor nennen.
Es gibt unendlich viele Erfinder, die ihre Erfindungen nicht umsetzen konnten.
Stocki meint
+1
Wow, an dir is ja ein kleiner Philosoph verloren gegangen ;-)
Alter_eg.o meint
Kleine Korrektur: Der Erfinder des Automobils ist Carl Benz.(Patent-Motorwagen) Dies ist die offizielle Sprache der Firma Daimler.
Benz hat die elektrische Zündung verwendet und damit den Wagen zu einer erfolgreichen Erfindung gemacht. Alle anderen, auch Daimler, folgten ihm.
Freddy K meint
Na und. Sollen sies doch. Nur Heuschrecken werden keine Chance haben. Da gibt es andere die übernehmen und auch weiterführen. Der Chinese hätte gerne nen gescheiten Verbrennerhersteller im Portfolio. Dann sind halt die meisten hier hergestellten für den Export. Kost keine Strafzahlung.
Peter W meint
Tolle Produkte gibt’s bei Daimler leider nur mit Verbrenner. Dass man jetzt erkennt, dass ein guter Lithiumakku zum wichtigsten Teil eines E-Autos gehört, ist traurig, Andere wussten das schon vor einigen Jahren. Dass man den Erfolg des M3 gebraucht hat um zu erkennen, dass da viele Leute nur aufs richtige Fahrzeug warten, ist ein weiterer Fehler.
Jetzt hat man kein konkurenzfähiges BEV und auch keine Akkufetigung, die man mangels Sachverstand aufgegeben hat, nachdem man die staatlichen Subventionen verballert hatte.
Geely oder ein anderer chinesischer Konzern wird die Marke Mercedes wohl in nächster Zukunft übernehmen. Schade, oder man sieht es positiv, und freut sich darüber, dass die Stinkediesel endlich ausrangiert werden.
150kW meint
„Dass man jetzt erkennt, dass ein guter Lithiumakku zum wichtigsten Teil eines E-Autos gehört, ist traurig, Andere wussten das schon vor einigen Jahren“
Wer denn? Außerdem wird behauptet man bräuchte eine eigene Zellfertigung. Das sieht derzeit aber nicht danach aus. Porsche hat auch keine und führt den Markt mit der höchsten Peak-Ladeleistung an. Der Akku vom e-tron ist auch alles andere als schlecht. Und die kaufen die Zellen auch nur zu. Ebenso Tesla.
Der Markt zeigt eher das eine eigene Konfektionierung der Batteriepakete wesentlicher ist. Nicht das Zellen unwichtig wären, aber das was man daraus macht unterscheidet sich schon erheblich (e-Up und e-tron nutzen z.B. die gleichen Zellen ;) )
Freddy K meint
Den Akku fertigen sie selbst. Die Zellen werden zugeliefert. Da ist Tesla nun auch nicht weiter.
In China wird auch zugeliefert.
Und Übernahme…. jaja.
Ist genauso wie Tesla pleite geht.
Wehinger meint
Bezüglich Tesla und zell- Fertigung dürften sie mehr wissen als wir…direkter Draht zu musk? Eh battery-day abgeblasen…
150kW meint
Die Fans interpretieren alles mögliche in den Battery Day hinein. Sehr gut möglichz das Tesla eine eigene Fertigung ankündigt. Da sie aber erst mal Zellen bei LG und CATL bestellt haben, liegen da aber wohl noch ein paar Jahre zwischen Ankündigung und Produktionsstart.
Sledge Hammer meint
Daimler ist viel zu spät dran und hat wertvolle Zeit verschlafen. Wahrscheinlich werden die, bedingt durch den aktuell sehr niedrigen Aktienkurs, doch noch über kurz oder lang in chinesische Hände fallen.