Die IG Metall stemmt sich gegen Stellenabbau und Produktionsverlagerungen in der krisengeplagten deutschen Autoindustrie. Gemeinsam mit dem Branchenverband VDA hat die Gewerkschaft kürzlich ein Forderungspapier vorgelegt. Ihr geht es um die Balance zwischen Elektromobilität und dem Fortbestand von Verbrennertechnologien. IG-Metall-Chefin Christiane Benner erläutert im Interview mit der Welt, wie dieser Spagat gelingen soll.
Für Benner ist die Richtung eindeutig: „Um völlig klar zu sein: Die Zukunft fährt elektrisch.“ Gleichzeitig betont sie zwei Kernforderungen. Zum einen brauche es auf nationaler und europäischer Ebene bessere Rahmenbedingungen für den Hochlauf der Elektromobilität, insbesondere durch den Aufbau einer Batteriezellfertigung mit europäischer Wertschöpfung. Zum anderen verlangt Benner einen pragmatischen Umgang mit Hybridlösungen und alternativen Kraftstoffen – auch über das Jahr 2035 hinaus, wenn die EU eigentlich hauptsächlich Elektroautos neu auf die Straßen kommen sehen will.
Es stünden wichtige Investitionsentscheidungen in den Konzernen an. „Es geht doch darum, dass und wie wir Leitmarkt bleiben“, so die Gewerkschafterin. Dabei gehe es nicht um eine Abkehr von den Klimazielen, sondern um praktikable Wege dorthin. Benner verweist auf die Schwierigkeiten beim alleinigen Fokus auf Batterien und fordert Übergangstechnologien wie Plug-in-Hybride oder Reichweitenverlängerer. Diese könnten Vertrauen in die Elektromobilität schaffen, sofern sie mit klimaneutralen Kraftstoffen wie synthetischen „E-Fuels“ oder Biokraftstoffen betrieben werden. „Auch damit wird CO₂ reduziert. Und wir haben so die Chance, dass mehr Menschen ihre Arbeit behalten.“
Elektro-Kurs soll Wettbewerbsfähigkeit sichern
Lange galt das Zögern bei der Elektromobilität als Managementversagen der Autoindustrie, während die IG Metall als Antreiber gesehen wurde. Benner weist den Vorwurf einer Kursänderung zurück. Die Gewerkschaft habe früh auf Batteriefertigung in Europa gedrängt. Der technologische Vorsprung Chinas bei Batterien und Digitalisierung habe die deutschen Konzerne überrascht. Gerade deshalb ist für Benner klar: Am Elektro-Kurs führt kein Weg vorbei, andernfalls droht der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit.
Statt Jobabbau fordert die Gewerkschafterin Investitionen und Innovationen. Produktivität könne durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz gesteigert werden. Benner plädiert zudem für eine engere Zusammenarbeit zwischen Autobauern und Zulieferern. Positiv bewertet sie, dass die EU neue Regeln für mehr Kooperation bei Software einführt. Zugleich warnt sie, dass ein ungebremster Arbeitsplatzabbau das industrielle Fundament Deutschlands gefährde.
Die Gewerkschaft setzt auch auf Kompromisse, um die Talsohle zu durchschreiten. So verhandelt die IG Metall Arbeitszeitverkürzungen bei teilweisem Lohnverzicht. Benner sieht die Beschäftigten hier in Vorleistung, während von Arbeitgeberseite zu wenig komme. „Ich erwarte von den Arbeitgebern, mit den Belegschaften durch die Talsohle zu gehen. Diese Phase dauert sicher, aber es geht wieder aufwärts.“
Jeder Arbeitsplatz sei wichtig, unterstreicht Benner. Bewegung gebe es bereits in Bereichen wie Software und Batterien. Doch Fortschritte seien nur mit qualifizierten Ingenieuren und Facharbeitern möglich. Standorttreue sei deshalb entscheidend. Abwanderung ins Ausland lehnt die IG-Metall-Chefin strikt ab, sie erwartet „ein Bekenntnis zum Standort“. Und im Koalitionsvertrag stehe ein klares Bekenntnis zur Industrie – das müsse die Politik nun spürbarer umsetzen – nicht nur in Großkonzernen, sondern auch im Handwerk und in kleineren Betrieben.

Martin meint
Ich denke die IG Metall wird in Bälde in die Selbstverwaltung wechseln.
hu.ms meint
Die gewerkschaftsforderungen sind uniteressant.
Gebaut wird was von den kunden verlangt wird.
Der markt entscheidet: in europa aktuell rd. 15% BEV-anteil.
South meint
Mja, ganz so einfach ist die Welt nicht. Man kann als Hersteller mit Preis/Rabatt- und Modellpolitik natürlich Einfluss darauf nehmen, was verkauft wird. Aktuell macht die Branchen nur das nötigste entlang der Quote….
MichaelEV meint
Die Beziehung zwischen Nachfrage und Preis ist für hu.ms dann doch zu komplex…
Die Quote (CO2-Flottengrenzwerte) zeigt dagegen, dass mit attraktiven Preisen BEVs schnell weggehen wie warme Semmeln (nur das die Brötchen dann erst ein halbes Jahr später gebacken werden).
South meint
Mit der Meinung ist hu.ms nicht alleine, aber auch hier wird zuviel in Extremen gedacht. Natürlich regelt der Markt Angebot und Nachfrage, da hat er schon recht. Aber die alte Branche hat immer noch kein echtes Interesse an Volumen bei E Autos, weil sie kaum oder gar nicht profitabel sind und das kann man ganz klar steuern. Mit Sozialismus hat das gar nix zu tun, aber mit dem begrenzten Wettbewerb wird das Spiel noch eine Weile so weiter gehen. Tesla und die Chinesen würden da echten Wettbewerb reinbringen, sind aber aktuelle durch Zölle und bei Tesla selbstverschuldet für’s Erste kein Boost mehr. Ey so ein spannender Markt, das geht in die Geschichte ein…
MichaelEV meint
Ist doch meine Rede. Das Angebot ist durch die CO2-Flottenziele vorgegeben, hier bepreist man so um die notwendige Nachfrage zu erzeugen (also es geht, mit niedrigeren Preisen greifen Kunden zu).
Da für die Althersteller BEVs aber bisher nicht profitabel sind, geht es nicht über die Ziele hinaus (höchstens, wenn bei einem Teilvolumen Margenparität vorliegt, eine Bereitschaft des Kunden für BEVs Aufpreis zu zahlen). Unbegrenztes Volumen wird es erst mit Kostenparität geben, dann ist dem Hersteller schnuppe welchen Antrieb er verkauft bzw. mit Unterschreitung wird es zum BEV hin wechseln.
Die Althersteller können ohne Kostenparität auch nicht mehr Volumen auf den Markt bringen (selbst wenn man hier einen Verlust in Kauf nehmen würde), weil dieses u.a. intern den Verbrenner verdrängt, der bisher Marge und Quersubvention bringt.
„Die Probleme von Tesla“ finde ich immer sehr amüsant. Wenn man weiß, dass die CO2-Flottenziele bei den Verbrennerherstellern BEV-Volumen und mit Quersubventionierung dafür niedrige Preise (ggf. sogar bis unter die Herstellungskosten) erzwingen, weiß ich nicht wie man bei einem reinen BEV-Hersteller von hausgemachten Problemen sprechen kann.
Die Quersubventionierung gibt es in erster Instanz nur bei den Herstellern, die Verbrenner-Volumen am Markt haben. Und für chinesische Hersteller ist anscheinend ein möglicher Lösungsweg Verbrenner in Europa zu verkaufen, um die Markteintrittsbarriere für die eigenen BEVs zu senken.
M. meint
Momentaufnahmen sind ebenso uninteressant wie diese räumliche Einengung.
Deutsche Hersteller verkaufen in praktisch alle Länder dieser Erde, und wollen das auch in Zukunft so machen.
Deswegen kann auch nur die globale Entwicklung in den nächsten 10….20…40 Jahren die Grundlage für Entscheidungen sein. Die nächsten Quartalsergebnisse sind nicht unwichtig, aber die von vor einem Jahr sind an Unwichtigkeit kaum zu überbieten.
CEOs, schaut euch an, wie die Welt in ein paar Jahren kauft, und das lasst ihr in eure Entscheidungen einfließen.
Sonst machen das andere. Die haben mehr Weitsicht und interessieren sich nicht für Quartalszahlen, die ein Jahr später einfach nur noch Geschichte sind.
Martin meint
Ich war letzte Woche in Ägypten. Der Transfer hat ein Daimler Bus gemacht, ich konnte direkt beim Fahrer sitzen und kurz sprechen. Der BUS war neu, 2 Wochen im Umlauf und hatte bereits 4.000 KM auf der Uhr. Der Busfahrer hat gestrahlt wie Lotto King Super Karl, weil er einen neuen Bus hatte: „German Daimler Bus (Beide Daumen hoch) hat er gesagt…“
Wir schätzen gar nicht was wir eigentlich haben.
M. meint
Ja, super.
Genießen wir es, solange es noch dauert.
Aber dass es jetzt ein Busfahrer in Ägypten toll fand, heißt nicht, dass sein Chef den nächsten Bus auch bei Daimler kauft, oder in 2 Jahren wieder einen Diesel, oder dass jemand anderes das tut, ob in Kairo oder in Addis Abeba, in Buenos Aires oder in Neu-Delhi.
Futureman meint
Glücklich ist, wer im Karosseriebau oder Sitzbau unterwegs ist. Denn das braucht es auch bei E-Autos. Alles andere wird sich stark wandeln. Und weltweit steigen nun einmal die Zulassungszahlen für E-Autos. Dagegen fallen die Verbrennerzulassungen immer schneller. Und das kurz Aufbäumen der Hybridfahrzeuge ist eher der Zollpolitik geschuldet.
Und einen Plan mit 10 Jahren Vorlaufzeit kann man nicht gerade Aktionismus nennen.
Merlin meint
Und auch der Karosseriebau wandelt sich…sag nur Gigacasting…
M. meint
Gussteile sind schon lange Realität.
F. K. Fast meint
Ich bin für PHEV, deren Verbrenner nur mit E-Fuels betrieben werden kann. Gern auch mit 200km reinelektrischer Reichweite.
Ben meint
Aber nur wenn dieser ausschließlich über die Steckdose geladen werden kann und nicht über den Verbrenner, deweiteren sollte dieser auch keinen Motorschutzmodus besitzen der automatisch den Verbrenner startet um alten Sprit zu verbrennen, dies sollte dem Besitzer überlassen werden, so wie in den Märchengeschichten der heutigen Plug In Fahrer schon erzählt wird das diese nur 1x im Jahr tanken obwohl gegenteiliges in der Betreibsanleitung steht.
Aber hey laut e-Fuel Allianz kostet der Liter E-Diesel in 2050 ohne Subvention 3€/l von daher ist dies auch ok.
ID.alist meint
Niemand wird dich hindern einen solchen Wagen für nach 2035 zu entwickeln. Kleines Problem, e-Fuels werden Preislich erst ab 2,0-2,5€ zu haben sein, wenn Du welches findest, und ein PHEV ist heute schon genauso teuer wie ein BEV.
Aber egal, erst mal Luftschlösser bauen, das hilft immer.
hu.ms meint
… es bleibt aber in diesem fall der punkt laden ohne mehraufwand an zeit und geld.
hu.ms meint
Ein 35 kwh akku und ein generator mit e-fuels betrieben oder auch mit methan für die paar mal im jahr längere strecken würde vermutlich vielen die „reichweitenangst“ nehmen.
Kostet halt mehr anschaffung und unterhalt des generators.
banquo meint
Ich fahre seit über 4 Jahren ein EV mit 35kWh und die Angst hält sich in Grenzen.
Mäx meint
„Benner verweist auf die Schwierigkeiten beim alleinigen Fokus auf Batterien und fordert Übergangstechnologien wie Plug-in-Hybride oder Reichweitenverlängerer. Diese könnten Vertrauen in die Elektromobilität schaffen, sofern sie mit klimaneutralen Kraftstoffen wie synthetischen „E-Fuels“ oder Biokraftstoffen betrieben werden.“
Auch hier sei nochmal die Frage gestellt: In welcher vermeintlichen Regelung der EU findet sich so ein Ansatz nicht wieder?
Lanzu meint
Klassische Biokraftstoffe müssten nach der aktuellen Regelung ab 2035 wegfallen. Was allerdings auch nicht wirklich schade drum ist. Biokraftstoffe sind sehr ineffizient in der Herstellung.
Für E-Fuels muss die Regelung noch konkretisiert werden.
Mäx meint
Die aktuelle Regelung, nach meinem Wissensstand (gerne verbessern):
Ab 2035 100% Co2 Reduktion
> das hieße Elektro
Man hat aber synthetische Kraftstoffe zugelassen, wenn diese 100% Co2 neutral hergestellt sind.
Die Definition von CO2 neutral ist noch nicht endgültig geklärt.
„Diese könnten Vertrauen in die Elektromobilität schaffen, sofern sie mit klimaneutralen Kraftstoffen wie synthetischen „E-Fuels“ oder Biokraftstoffen betrieben werden.“
Aber nochmal die Frage: In wie weit ist das in der aktuellen Regelung nicht abgedeckt. Zu 100% kann man das abbilden was er fordert, in der Regelung wie sie jetzt ist.
Yoshi meint
Heißt das eigentlich auch Bevs nur mit 100% Co2-freiem Strom betrieben? Weil „lokal emissionsfrei“ hilft ja dem Klima nicht.
Lanzu meint
Da hat mir meine Erinnerung wohl einen Streich gespielt. Nochmal kurz nachgeschaut.
Die aktuelle Regelung ist super schwammig: Die EU-Kommission soll einen Vorschlag für CO2 neutrale Kraftstoffe außerhalb der Flottengrenzwerte ausarbeiten.