Der frühere Opel-Boss Michael Lohscheller ist seit Spätherbst Chef des chinesisch-schwedischen Elektroautobauers Polestar. Er glaubt trotz der noch hohen Verluste und verpassten Absatzziele an die Zukunft des Start-ups.
Der Elektroauto-Markt wachse nicht so, wie man sich das vorgestellt habe, sagte der Manager im Gespräch mit Capital. „Aber er wächst noch – das vergessen wir manchmal.“ Lohscheller erwartet nicht, dass sich die Haltung der potenziellen Kunden in der neuen politischen Situation grundsätzlich gegen E-Autos und Klimaschutz wendet: „Ich glaube nicht, dass Nachhaltigkeit als Thema weg ist.“
Lohscheller hofft für Wachstum auch auf Kunden des Konkurrenten und Elektroauto-Branchenprimus Tesla, die sich wegen der politischen Eskapaden des CEO Elon Musk von der US-Marke abwenden. „Wie viele Leute uns sagen: jetzt ist mal Schluss mit Elon Musk“, so der Polestar-Chef. „Das birgt ein großes Potenzial für Polestar.“
Von derzeit drei Modellen des wie Volvo zum chinesischen Geely-Konzern gehörenden Herstellers werden zwei in der Volksrepublik gebaut. Damit sind sie mit den Einfuhrzöllen der EU für chinesische Stromer belastet. Ein weiteres Modell, das SUV Polestar 3, wird für Europa im US-Werk von Polestar produziert. Das SUV-Coupé Polestar 4, das aus China kommt, könnte demnächst in Südkorea gebaut werden, deutete Lohscheller an. „Der Polestar 4 wird für die USA in Korea gebaut und kann auch für Europa in Korea gebaut werden“, sagte er. „Das ist in den Planungen inkludiert.“
„Polestar ist definitiv eine skandinavische Marke“, betonte der Chef. „Hier ist unser Headquarter, wir denken sehr skandinavisch.“ Die künftige Plattform werde aber weitgehend aus Komponenten bestehen, die vom chinesischen Mutterkonzern übernommen werden. „Ganz klar, wir bedienen uns im Grunde, wenn Sie so wollen, aus dem Konzernregal.“ Der Manager merkte an: „Zeigen Sie mir einen VW, wo nicht ein Teil aus China eingebaut ist … da sind wir in guter Gesellschaft.“
„Das meiste liegt in unseren Händen“
Verantwortlich für die Misserfolge von Polestar im vergangenen Jahr ist aus Lohschellers Sicht vor allem der Vertrieb. „Man ist in der Vergangenheit davon ausgegangen, dass unsere Autos sich im Grunde von alleine verkaufen, weil sie so toll sind“, sagte er. „Das ist natürlich nicht so.“ Die Modelle konnte man nur digital bestellen. Nun soll es künftig auch den Verkauf über Autohändler geben, vornehmlich solche von Volvo. Alleine davon erhofft sich Lohscheller deutlich mehr Absatz. „Daher bin ich überzeugt, das meiste liegt in unseren Händen, mit mehr Partnern, mit der Attraktivität der wachsenden Modellpalette.“
Weitere Fehler seien gewesen, viele Elektroautos rabattiert an Mietwagenanbieter zu verkaufen. Künftig sollen stattdessen Privatkunden und ausgewählte Flottenanbieter angesprochen werden, erklärte Lohscheller. Für die in diesem Jahr erwartete „Rabattschlacht“ bei E-Autos sieht der CEO Polestar gerüstet. Zwar verdienten die angebotenen Fahrzeuge Premiumpreise. „Das heißt aber nicht, dass, wenn sich der Markt preislich nach unten bewegt, wir nicht mehr konkurrieren können“, so Lohscheller. „Das wollen wir schon, aber nicht um jeden Preis“, merkte er an. „Das Volumen soll dennoch wachsen und wir passen uns den Marktgegebenheiten an.“
Obwohl Polestar inzwischen mehrere Modelle im Angebot hat, wurden 2024 insgesamt 15 Prozent weniger Elektroautos als 2023 verkauft. Die Einzelhandelsverkäufe sind von 52.796 Fahrzeugen im Jahr 2023 auf 44.851 Elektroautos gesunken. Für das dritte Quartal 2024 wies das Start-up einen operativen Verlust (Ebitda) von gut 180 Millionen US-Dollar aus. Insgesamt summierten sich die Verluste in den ersten neun Monaten auf mehr als 600 Millionen US-Dollar.
Um in die Gewinnzone zu kommen, will Lohscheller die Ausgaben bis Ende 2025 um 25 Prozent im Vergleich zu 2023 drücken. 2023 lagen die Verluste laut der Bilanz bei 1,46 Milliarden US-Dollar. Die Geschäftszahlen für das vierte Quartal und 2024 insgesamt stehen noch aus, es wird aber wieder jeweils ein Minus geben. Ab 2027 soll Polestar unter dem neuen CEO dann nicht mehr auf Geldspritzen aus China angewiesen sein. Ob es dazu nach der Reduzierung der Belegschaft im letzten Geschäftsjahr um fast 25 Prozent weitere Einschnitte im Personalbereich geben wird, ist offen.
Der Junge meint
Ist es Nachhaltig die Dinger in China zu bauen und um den halben Globus zu schiffen?
Nee.
FahrradSchieber meint
Ob das wirklich so viel ausmacht?
Bei einem in D gebauten BEV dürften die meisten Materialien auch nicht gerade lokal sein. In der Summe ist da dann vermutlich kein so großer Unterschied mehr…
David meint
Ich denke, wenn Polestar seine Problemliste abarbeitet, sind da auf der Position 1-100 ganz andere Dinge zu lösen. Daher sollten sie sich nicht mit so einem Thema aufhalten. Allerdings lässt sich darüber besser schwadronieren, als wenn man sich öffentlich darum Gedanken macht, warum man nicht mit Volvo zusammengeht und das Portfolio vereinigt.
Elvenpath meint
Nachhaltigkeit wird immer wichtiger. Denn die Ressourcen des Erde sind begrenzt. Die Verteilungskämpfe gehen ja jetzt schon los.
Das Problem liegt bei unserem Wirtschaftssystem. Der Kapitalismus ist auf Ausbeutung von Mensch und Natur aufgebaut. Er funktioniert hervorragend, wenn etwas Neues aufgebaut werden soll und reichlich Ressourcen zur Verfügung stehen. Wenn es nachhaltig sein muss, ist der Kapitalismus hochproblematisch.
Future meint
Ich glaube, dass grüne Zukunftsindustrien die Zukunft sind. Deshalb bemühen sich auch China und Amerika (unter Biden), hier Marktführer zu werden. Das hat nichts mit dem politischen System zu tun, sondern nur mit dem Willen zu wirtschaftlichem Erfolg.