Werden die Deutschen ein Volk von Auto-Teilern? Der Bundesverband CarSharing registriert ein enormes Wachstum, aber gleichzeitig auch noch Luft nach oben. Doch was muss passieren, damit mehr Menschen auf ein eigenes Auto verzichten? Das hat eine Studie von Frost & Sullivan untersucht.
Mehr als 453.000 Personen in Deutschland nutzen bereits Carsharing. Zu diesem Ergebnis kommt der Bundesverband CarSharing e.V. (BCS) in seiner Jahresbilanz 2012. „Daraus ergibt sich für 2012 der größte bisher zu verzeichnende Anstieg der Nutzerzahlen und der Fahrzeugangebote“, teilt der Verband mit.
In Deutschland nutzen knapp 270.000 Autofahrer in etwa 350 Städten und Gemeinden klassische Carsharing-Angebote, die stationsbasiert sind: man leiht das Auto an festen Punkten wie Parkplätzen oder Tiefgaragen aus und gibt es dort auch wieder ab.
„Die weiteren Zuwächse basieren auf dem starken Ausbau der Angebote der frei im Straßenraum verfügbaren Angebote“, so der BCS. Bei diesen Free-Floating-Diensten seien etwa 183.000 Teilnehmer registriert. Der Vorteil dieser Carsharing-Variante ist ein Plus an Flexibilität: das Auto kann an beliebigen Stellen in der Stadt ausgeliehen und abgestellt werden. Zu den Free-Floatern gehören Angebote wie Car2Go von smart, Flinkster von der Deutschen Bahn oder DriveNow von BMW und Sixt.
Carsharing boomt
„Im internationalen Vergleich steht Deutschland sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis der Carsharing-Nutzer zur Gesamtbevölkerung auf Platz zwei“, freut sich der Geschäftsführer des BCS, Willi Loose. Mit 700.000 Personen gebe es nur in den USA noch mehr Carsharing-Nutzer, allerdings leben dort auch viermal mehr Menschen als hierzulande. Im Verhältnis der Nutzer zur Gesamtbevölkerung liegt Deutschland trotzdem wieder nur auf Platz Zwei: Spitzenreiter ist die Schweiz.
„Vor allem die stationsbasierten Carsharing-Angebote sind hierzulande sehr beliebt. Sie verzeichnen seit Jahren ein hohes regelmäßiges Wachstum im zweistelligen Prozentbereich“, so Loose weiter. Mit nun 270.000 Nutzern verzeichnet dieser Bereich im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 22,7 Prozent. „Zum Ende 2012 standen den Carsharing-Nutzern 6700 Fahrzeuge an 3250 Stationen zur Verfügung. Der Zuwachs beträgt 19,6 Prozent“, berichtet der Bundesverband.
Und auch die Free-Floater freuen sich über stetigen Zulauf, die Zuwachsraten bewegen sich hier sogar im dreistelligen Prozentbereich. Vor allem jungen Menschen, bei denen das Auto als Statussymbol ausgedient hat, erleichtert Carsharing den Verzicht auf ein eigenes Fahrzeug.
Studie von Frost & Sullivan
In einer aktuellen Studie der Marktbeobachter von Frost & Sullivan wurden 2348 Franzosen, Deutsche und Briten, die bisher keine Carsharing-Mitglieder waren, zu künftigen Absichten befragt. Die Studie kam unter anderem zu folgenden Ergebnissen:
- Vor allem junge Menschen unter 35 sowie gut ausgebildete Arbeitnehmer, die kaum ein Auto nutzen oder keines besitzen, haben ein hohes Interesse an Carsharing. Fast jeder dritte Interessent ist ein Student.
- Viele Befragten wünschen sich eine Kombination aus öffentlichen Verkehrsmitteln mit Carsharing-Angeboten. „Die meisten Befragten bevorzugen einen kommunalen Verkehrsbetrieb als Carsharing-Betreiber und erwarten, dass Carsharing-Parkplätze an den Stationen des öffentlichen Personenverkehrs bereitgestellt sind“, resümiert Frost & Sullivan.
- Immer mehr Carsharing-Nutzer in Städten verzichten gar ganz auf ein eigenes Auto. „Etwa 40 Prozent der derzeitigen Wagenhalter mit einem Fahrzeug werden voraussichtlich auf ihr Fahrzeug verzichten, sobald sie Mitglied eines Carsharing-Verbunds geworden sind. Etwa 60 Prozent der Befragten, die kein Auto besitzen, erwägen keinen Autokauf zusätzlich zu ihrer Carsharing-Mitgliedschaft“, so die Studie.
- Das vielversprechendste Modell ist das „Einweg-Carsharing“. „Das Einweg-Carsharing-Modell mit einem Fahrzeug mit Benzinmotor und vier Sitzen, das an Abhol-/Abgabestationen innerhalb von 200 Metern bereitsteht, erhält mit 16,2 Prozent die höchste Zustimmung der Befragten“, fassen die Forscher ihre Studie zusammen.
Frost & Sullivan erwartet, dass das traditionelle Carsharing 2013 weltweit rund drei Millionen Mitglieder und 70.000 Fahrzeuge umfassen wird. Bis 2020 könnte diese Zahl sogar auf das Neunfache anwachsen, mit mehr als 26 Millionen Mitgliedern weltweit.