Das Münchner Neubaugebiet Domagkpark wird zum Testfeld für neue Formen von Mobilität. Die Landeshauptstadt möchte damit auf die Herausforderungen bei den Themen Wohnen und Mobilität reagieren. Ziel des Kreisverwaltungsreferats und der Münchner Projektpartner ist es, mehr Lebensqualität und vollständige Mobilität zu gewährleisten, ohne dass ein eigenes Auto nötig ist. Das von der EU geförderte Projekt Civitas Eccentric sucht Lösungen für zukunftsorientierte Mobilität in Siedlungen am Stadtrand – wissenschaftlich untersucht, entwickelt und getestet.
Das Neubaugebiet Domagkpark mit derzeit 800 – und künftig mehr als doppelt so vielen – zum großen Teil genossenschaftlich und im geförderten Wohnungsbau errichteten Wohnungen und die benachbarte Parkstadt Schwabing sind dafür ein gutes Testfeld. Bürgerbeteiligung, Elektromobilität, Logistik, geteilte Mobilität und Mobilitätsmanagement kommen hier in einem integrierten Ansatz zusammen. Es soll ein Modellquartier für zukunftsfähige Stadtentwicklung und stadtverträgliche Mobilität entstehen, das Vorbild sein könnte für andere Münchner Neubauviertel.
Reinhold Petrich, seit einem Jahr im Domagkpark wohnhaft, nutzt das Angebot fast täglich. Ob er Fahrrad, Roller oder Auto nimmt, hänge davon ab, wo er hin muss, wie er der Süddeutschen Zeitung sagte: „Vor allem weil ich wechselnd in der Stadt und im Umland unterwegs bin, finde ich die Auswahl hier gut“, sagt Petrich. „Ich habe zwar drei Kinder, aber wir kommen so super ohne eigenes Auto klar.“ Dass sich Konzept bewährt habe, meint demnach auch Thomas Kremer, Vorstand der Genossenschaft Wogeno: „Die E-Bikes sind oft ausgebucht, und das Lastenfahrrad ist gerade an Wochenenden so gut wie immer vergeben“, sagte er der Zeitung.
Niemand muss auf einen privaten Pkw verzichten – kann es aber
Auch im Domagkpark gibt es Tiefgaragen. Niemand soll auf sein privates Auto verzichten müssen, wenn er das nicht möchte. Aber jeder soll die Möglichkeit dazu bekommen. Damit das möglich ist, bündelt das Projekt alle bestehenden Angebote und entwickelt neue dazu:
- Ein neu entworfener Linienplan der MVG zeigt den Bewohnern, wie lange sie von zu Hause aus mit U-Bahn, S-Bahn oder Tram im Durchschnitt zu jeder Haltestelle im Stadtgebiet brauchen.
- Bewohnerinnen und Bewohner können Fahrzeuge aller Art ausleihen: Autos mit Verbrennungsmotor, Elektroautos, Fahrräder und Pedelecs, Lastenräder und Elektroroller stehen in einem gemeinsamen Pool zur Verfügung. Der Strom zum Aufladen der Akkus kommt von Solaranlagen auf den Dächern der Wohnhäuser.
- Auch der Parkraum wird geteilt. Per Smartphone-App können freie Stellplätze in der Tiefgarage reserviert und genutzt werden.
- Eine Mitfahrer-App vermittelt spontane kurze Fahrten zum Job, ins Möbelhaus oder zum Sport.
- Grundschulkinder nehmen den „Bus mit Füßen“ – eine organisierte Schulwegbegleitung. Erst- und Zweitklässler laufen gemeinsam auf festgelegten Routen zur Schule. Begleitet werden sie von Eltern, die sich regelmäßig abwechseln.
- Paketdienste sollen künftig nicht mehr ins Wohnquartier fahren und dort häufig vergeblich versuchen, ihre Sendungen einzeln zuzustellen. Sie deponieren die Pakete an zentraler Stelle. Die Bewohner holen sie dort ab oder lassen sie sich per Lastenrad zustellen.
- Ein zentrales Nachbarschaftsportal informiert über alle Angebote und neue Entwicklungen. Gleichzeitig können Bewohner ihre Ideen einbringen, sich beraten lassen und sich gegenseitig helfen.
- Geplant ist auch der Einsatz eines elektrischen Konzeptfahrzeugs, das im 24-Stunden-Einsatz abwechselnd als Carsharing-Fahrzeug, Taxi und Lieferfahrzeug eingesetzt werden kann und ein Konzept zur Einführung von speziellen E-Fahrrädern in das Leihrad-Angebot der MVG.
Im Kern geht es darum, durch die Integration aller verfügbaren Mobilitätsangebote in die Stadtplanung die Zahl der zu errichtenden Tiefgaragenplätze zu reduzieren und so zum Bau einer größeren Zahl von Wohnungen zu günstigeren Preisen beizutragen.
Ein europäisches Modellprojekt
Civitas Eccentric hat eine Laufzeit von vier Jahren. Wichtiger Bestandteil des Projekts ist der Erfahrungsaustausch mit den anderen Teilnehmerstädten Madrid (Spanien), Ruse (Bulgarien), Stockholm (Schweden) und Turku (Finnland). In den fünf Städten werden zusammen 50 Maßnahmen umgesetzt und mit insgesamt 20 Millionen Euro gefördert. Vier Millionen Euro davon fließen nach München.
Die Münchner Projektleitung liegt beim Kreisverwaltungsreferat. Partner sind das Referat für Arbeit und Wirtschaft, die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), Green City e.V. und die Green City Projekt GmbH, die Quartiersgenossenschaft Domagkpark sowie zur wissenschaftlichen Begleitung die Technische Universität München, Professur für Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung. Außerdem ist das Referat für Stadtplanung und Bauordnung eingebunden.