Wie viel das deutsche Ziel Klimaneutralität 2045 kostet, haben Forscher des Kopernikus-Projekts Ariadne berechnet. Demnach werden die nötigen Investitionen zum Großteil durch Minderausgaben für fossile Energieträger ausgeglichen. Der Zusatzaufwand der Transformation lässt sich durch kosteneffizienten Klimaschutz je nach Szenario auf jahresdurchschnittlich 16 bis 26 Milliarden Euro bis 2045 begrenzen, 0,4 bis 0,7 Prozent der aktuellen Wirtschaftsleistung. Die europäische Koordination der Energie- und Klimapolitik spielt eine Schlüsselrolle, um die Kosten zu minimieren.
Der Szenarienreport von sechs an Ariadne beteiligten Instituten soll der nächsten Regierung Orientierungswissen für Deutschlands Zukunft an die Hand geben. „Die Dekarbonisierung, also die Abkehr von Öl, Kohle und Gas, erfordert einen tiefgreifenden Umbau unserer Wirtschaft. Dieser Umbau führt zu jährlichen Investitionen in dreistelliger Milliardenhöhe“, sagt Gunnar Luderer, Leiter des Energy Transition Lab am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Vizechef des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts Ariadne.
„Aber Brutto-Investitionen sollten nicht mit Netto-Kosten verwechselt werden. Wenn der Umstieg auf innovative und effiziente Technologien konsequent fortgeführt wird und diese intelligent vernetzt werden, ergeben sich hohe Einsparungen bei fossiler Energie.“ Demnach biete die Energietransformation die Chance, Deutschland und Europa fit für wichtige Zukunftsmärkte zu machen.
Es gehe um den Übergang in ein moderneres und effizienteres Energiesystem, ohne die hohen laufenden Brennstoff-Ausgaben. Und die von Deutschland verursachten Klimaschadenskosten der Jahre 2025 bis 2045 würden dadurch mehr als halbiert. Die Forschenden vergleichen verschiedene Szenarien, die sich im Wasserstoffbedarf, im Grad der direkten Nutzung von Strom und in der generellen Höhe der Energienachfrage unterscheiden.
Brutto, die Einsparung bei fossilen Energieträgern noch nicht gegengerechnet, führt die Energiewende demnach zu Investitionen von jahresdurchschnittlich 116 bis 131 Milliarden Euro bis 2045 für Erneuerbare Energien, Energienetze, energetische Sanierung und die Elektrifizierung von Industrieproduktion, Gebäudewärme und Straßenverkehr. Davon werden 95 Milliarden bereits durch bis heute beschlossene Maßnahmen induziert. Ein Großteil der Investitionen wird aus privaten Mitteln finanziert werden, der Staat wird vor allem bei Infrastruktur, bei der Markteinführung neuer CO2-neutraler Technologien und zur Minderung von Mehrbelastungen bei den privaten Haushalten eine Rolle spielen.
Elektrifizierung & Flexibilisierung wichtige Säulen der Klimaneutralität
Die Elektrifizierung stellt laut der Studie in den meisten Sektoren eine kosteneffiziente Klimaschutzoption dar. Entsprechend wird Strom zum wichtigsten Energieträger. Der Anteil von Wind- und Sonnenenergie im Strommix steigt bis 2035 je nach Szenario auf 84 bis 91 Prozent. Der Großhandelsstrompreis stabilisiert sich langfristig bei einem Jahresmittelwert von 70 bis 80 Euro pro Megawattstunde. Zeitvariable Strompreise schaffen Anreize für einen flexibilisierten Verbrauch.
„Auch regionale Strompreise tragen zur Kosteneffizienz bei”, sagt Tom Brown von der TU Berlin. „In Kombination mit einer integrierten Systemplanung und mehr Freileitungen lassen sich bei den bis 2045 notwendigen Investitionen in das Übertragungsnetz etwa 92 Milliarden Euro sparen und so die Ausgaben für alle Endkunden in Deutschland senken.”
Die deutsche Energiewende funktioniere nur in europäischer Kooperation, so die Studienautoren. Da die Themen Flexibilität und Versorgungssicherheit mehr denn je in den Fokus rückten, bilde der Stromaustausch mit europäischen Nachbarländern eine wichtige Säule eines kosteneffizienten Energiesystems. Ein Großteil der Investitionen müsse daher in den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien und der Stromnetze fließen. Dunkelflauten sowie verbraucherseitige Schwankungen könnten durch Backupkraftwerke und Speichertechnologien wie Batterien ausgeglichen werden. Wichtig sei auch der Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzes. Zudem sei die Lenkungswirkung des Europäischen Emissionshandels und dessen Ausweitung auf bisher nicht abgedeckte Sektoren entscheidend für kosteneffizienten Klimaschutz.
In der Industrie erwartet der Ariadne-Szenarienreport Mehrbelastungen vor allem durch höhere Betriebskosten in nicht oder nur schwer elektrifizierbaren Bereichen. Das betrifft vor allem die Grundstoffindustrie sowie den Flug- und Schiffsverkehr. Als Ersatz für fossile Energie müsse dort auf Wasserstoff oder E-Fuels zurückgegriffen werden. Mehr Materialeffizienz und Recycling könnten Kosten in der Produktion einsparen. Und erste Verarbeitungsschritte der energieintensiven Industrie, zum Beispiel der Stahlerzeugung und der Grundstoffchemie, könnten in Länder mit Potenzialen für günstigeren erneuerbaren Strom verlagert werden.
In neue Technologien investieren & langfristig sparen
Mit je nach Szenario 41 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr macht die Wärmewende im Gebäudesektor einen großen Anteil der Investitionsbedarfe aus. Zusatzkosten entstehen hier vor allem durch notwendige Gebäudesanierungen. Wärmepumpen können dagegen, über den kompletten Lebenszyklus, Raumwärme in der Regel günstiger bereitstellen als fossile Heizsysteme: Höheren Anschaffungskosten stehen niedrigere laufende Kosten gegenüber.
Auch der beschleunigte Umstieg auf Elektromobilität ist laut den Forscher kosteneffizienter, er sei zudem eine industriepolitische Chance. Spätestens 2030 rechne sich ein Elektro-Fahrzeug gegenüber einem Verbrenner für fast alle Endnutzer wegen der geringeren Ausgaben für Energie und Wartung. 2030 erreichten batterieelektrische Pkw und Lkw in Deutschland ein Marktvolumen von 80 Milliarden Euro pro Jahr.
Die Studie zeigt auch, dass die Kosten des Klimaschutzes stark durch die Entwicklung der Energienachfrage beeinflusst werden: Gelingt es, durch klimafreundliches Verbraucherverhalten die Energienachfrage zu senken und schneller auf Klimaschutztechnologien umzusteigen, könnten die Energiekosten-Einsparungen die Klimaschutzkosten sogar übersteigen.
„Klimainvestitionen sichern Deutschlands Zukunft als Wirtschaftsstandort“
Der Report zieht das Fazit: Die Investitionen in die Energiewende bieten für Deutschland die Chance, die Wirtschaft zu modernisieren. Beim Export grüner Technologien kann das Land eine Vorreiterrolle einnehmen und so seine Wettbewerbsfähigkeit sichern. Große Potenziale bieten E-Autos, Wärmepumpen, Elektrolyseure, Batterie- und Wärmespeicher, Windkraftanlagen sowie Steuerungseinheiten für smarte Integration und Flexibilisierung. Hielte Deutschland hingegen an fossilen Energieträgern fest, dann büßte es nicht nur seine Klimaziele, sondern auch seine Wettbewerbsfähigkeit ein. Der Report weist den Weg in eine klimaneutrale Zukunft mit Wohlstand.
Soeri# ch meint
Deutschland ist jetzt schon sehr gut aufgestellt, mit den Erneuerbaren Energien. Nur die Grossspeicher fehlen noch. Die es in vielen anderen Ländern schon gibt.
JuergenII meint
„Ein Großteil der Investitionen wird aus privaten Mitteln finanziert werden,“
Stimmt, der normale Bürger wird hier überproportional zur Finanzierung beitragen. Viele Haushalte werden das aber nicht stemmen.
„Die Dekarbonisierung, also die Abkehr von Öl, Kohle und Gas, erfordert einen tiefgreifenden Umbau unserer Wirtschaft“
Stimmt, die Wirtschaft wandert entweder ab oder schließt ihre Produktionsanlagen.
Grüner Wasserstoff ist rar und wird es in unseren Breiten auch bleiben. Ergo wieder die Abhängigkeit vom Ausland. Gleiches gilt für E-Fuels. Auch hier müssen die Erzeugungskapazitäten in Länder verlegt werden, die politisch mehr als diskussionswürdig sind.
Ansonsten ist das wieder die typische grünlinke Meinungsmache, die dieses Land Richtung Abgrund führen wird.
Ja, wir brauchen den Wandel hin zu emissionsfreien Energieträgern. Aber bitte dabei das Hirn einschalten. Letzteres ist in diesem Land schwierig. Weder grüne noch konservative Politik haben hier vernünftige und realistische Umsetzungsprojekte.
David meint
Ein Staat hat keine Mittel. Es sind immer die Mittel des Bürgers direkt oder indirekt über die Wertschöpfung aus seiner Arbeitskraft.
South meint
Hihihi, ja was den jetzt? Also wenn jemand nur so mit hohlen Phrasen um sich wirft, dann sollten wenigsten die Richtung Stimmig sein. Also „Grünlinke Meinungsmache“ ist nix, „konservativ“ ist auch nicht realistisch. Na da bist doch alle durch, oder denkst du ernsthaft, dass radiakalere braun-blaue Aluhutträger vernünftige Ansätze liefern werden, nochdazu ganz kühn „zu emissionsfreien Energieträgern“?
Und aktuell sind wir in hohem Maße von Ausland abhängig und zwar von ganz bestimmten Ländern, egal ob Kohle oder Öl, von Leuten, die wir ganz sich nicht dolle mögen, wir aber keine andere Wahl haben. H und E Fuels kann aber nahezu jeder Produzieren, da ist man nicht von bestimmten Vorkommen unter der Erde abhängig. Also was wir selbst erzeugen ist ja schon mal viel clever und auch bei dem importierten Teil haben wir definitiv mehr Auswahl als bei Öl und Kohle und Co…..
Tt07 meint
Volle Zustimmung…ich habe mir nicht soviel Mühe gegeben, JuergenII zu erklären, was ich von seinem Post halte…daher wird mein Kommentar wohl der Zensur zum Opfer fallen.
Tt07 meint
Entfernt. Bitte verfassen Sie konstruktive Kommentare. Danke, die Redaktion.
Futureman meint
Jeder Bundesbürger will weiter möglichst günstig Energie nutzen. Und einige schlaue haben gemerkt, dass der günstigste Weg ist, eigene Erzeugungskapazitäten aufzubauen. Dank fester Einspeisevergütungen (ähnlich wie festgelegte Arzthonorare, Preise in Apotheken oder Buchpreisebindung) gibt es hier ein Backup, welches die Finanzierung erleichtert. Bei den meisten steht aber Eigennutzung im Vordergrund. Und die Rendite ist auch Einspeisevergütung durch gesunkene Anlagenpreise höher als jedes andere seriöse Invest.
Gleichzeitig „tanken“ immer mehr Autofahrer zu Hause und verhindern damit Exporte von Öl aus zweifelhaften Staaten. Und jeder sonnige oder/und windige Tag sorgt schon jetzt für weniger Importe von Gas und Kohle und lässt das Geld bei uns im Land. Jeder, egal welcher Partei, sollte also, wenn er für Deutschland ist (und nicht von anderen Ländern bezahlt wird) für den raschen Ausbau erneuerbaren Energien sein.
Jeff Healey meint
Absolut richtig!
Man sollte @Juergenli glatt mal fragen, welche Maßnahmen von welchen Parteien denn seiner Ansicht nach eher zum Ziel führen, wenn er folgenden Satz raushaut:
„Weder grüne noch konservative Politik haben hier vernünftige und realistische Umsetzungsprojekte.“
(Zitat Ende).
Hofft er in der Hinsicht etwa auf die Blauen, die die „Windmühlen der Schande“ am liebsten wieder abreißen würden?
O-Ton der Frau Weidel!
Till meint
…die „linksgrüne Meinungsmache“ will weder Wasserstoff noch E-Fuels. Sie will regional erzeugten und gespeicherten Strom.
Sie wurde abgewählt, weil man „blühende Landschaften“ mit Atom, E-Fuels und Frackinggas verspricht.
Future meint
Indien ist mal wieder vorbildlich: In Delhi bekommen Autos, die älter als 15 Jahre sind, einfach kein Benzin oder Diesel mehr an den Tankstellen. Lösungen können so einfach sein. Und grünlinks ist die Regierung in Indien wohl auch eher nicht. Diese indische Methode wünsche ich mir auch in den Metropolregionen in Deutschland.
Dieseldieter meint
Ich hab richtig Bock auf indische Verhältnisse
Future meint
Gute Ideen haben doch nichts mit den »Verhältnissen« zu tun. Auch China hat sehr gute Ideen, um die Elektomobilität attraktiver zu machen. Das Problem in Deutschland ist die starke Fossillobby, die das alles mit viel Macht verhindert.
Dieseldieter meint
Sagen wir mal so: ich möchte nicht, dass die Hälfte der Autofahrer faktisch einteignet wird und nicht mehr zur Arbeit kommt. Wenn du so extreme Maßnahmen gut findest, bait du vielleicht in einem Land ohne echte Demokratie besser aufgehoben. China scheint dir ja gut zu gefallen. Ich habe gesamtgesellschaftliche dann doch andere Prioritäten als den Antrieb unserer Autos.
Future meint
Es ist keine Enteignung, wenn alte Autos in der Stadt keinen Sprit mehr kaufen dürfen. Außerhalb dürfen sie das ja weiterhin. Der Grund ist, dass Delhi die Luftverschmutzung durch alte Autos in den Städten reduzieren will. Man muss es den Besitzern von besodners schmutzigen Autos eben auch mal etwas schwerer machen.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
„Stimmt, die Wirtschaft wandert entweder ab oder schließt ihre Produktionsanlagen.“
Mercedes kauft seine 4-Zylinder-Motoren inzwischen zu 100% in China ein. Und warum: Aus Gewinnmaximierungsgründen, was legitim ist. Die Industrie baut sich vollkommen selbst um, bei E-Mobilität waren sie leider zu langsam und hat sich selbst aussortiert.
SEDE meint
JürgenII, was ist mit dir los? Das sind Zahlen schwarz auf weiss. Dann kommt natürlich die grünlinke Keule ohne Argumente. Deutschland wird im Klimaschutz durchgereicht von anfänglich top3 auf inzwischen Platz 16. Von Ideologie kann kann nicht die Rede sein, wenn FAKTEN aufgeführt werden. Wenn wir mit vorne dabei sein wollen, müssen wir jetzt handeln. Die anderen warten nicht aus uns.
hu.ms meint
Die konsequenzen ihres handelns (hier verbrenner- und gasheizungsneukauf) können 85% der bevölkerung nicht überblicken bzw. ist es ihnen einfach egal.
Zeigt doch das letzte wahlergebnis.
Uns so sägt die menschheit weiter an dem ast auf dem sie sitzen – auch wenn er noch ein paar jahrzehnte halten sollte – er wird brechen wenn wir uns nicht ändern.
Elvenpath meint
Substantive werden groß geschrieben.
Karsten meint
🤔 Vielleicht war es ein kleiner Ast?
THeRacer meint
… passt auch hier:
… so sieht’s aus. Wer zu spät bremst, den schmeißt die Physik aus der Kurve !! … Das Verbrennen von Öl und Gas für dessen Entstehung Jahrmillionen erforderlich gewesen sind in nur hundert Jahren entspricht einem Großmeteoriteneinschlag in Zeitlupe. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird es unmöglich dessen Flugbahn zu korrigieren um eine Katastrophe zu verhindern. … bzw: Es ist in etwa so, als würden dumme Affen, anstatt sich nur am Feuer einiger abgestorbener Zweige zu wärmen, den ganzen alten großen Baum auf dem sie sitzen abbrennen. Also: jeder Monat und jeder Baum zählt !!!
David meint
Der Ast wird Jahrhunderte und Jahrtausende halten. Der Klimawandel ist Fakt. Es geht nur noch um den Umgang damit. Das hat mit neuen Sorten von Pflanzen und Bäumen, mit neuen Förderungsformen wie der Schwammstadt und mit neuen Regulierungsflächen wie den überall angelegten Seen im ehemaligen Tagebau zu tun. Es hat sogar mit der Art zu tun, wie wir zukünftig unsere Gebäude bauen, nämlich so, dass wir innen die Sonne in Herbst und Winter einfangen und ab dem Frühjahr aussperren. Betrieben mit Wärmepumpen, die bekanntlich auch eine Klimaanlage sind.
Die vielen dreckigen Heizanlagen in privaten und öffentlichen Gebäuden und die vielen Verbrennerfahrzeuge wird man mit der Zeit schon eliminieren. Wir werden es sogar aushalten, dass mit Murks der CEO eines Elektroautoherstellers ein Klimaleugner ist, wie Em uns gezeigt hat. Mag schon sein, irgendwann werden Zwangsmaßnahmen für die letzten 10 % einziehen.
Aber erst einmal haben wir Zeit, weil wir sie haben müssen. Und wenn wir uns mit Botschaften wie 5 vor 12 oder der Klimawandel droht, wenn wir nicht bis….das erreichen, machen wir uns unglaubwürdig. Denn diese Fristen laufen ab und passieren tut nichts.