In vielen deutschen Städten werden die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid nach wie vor überschritten. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat mit Unterstützung der britischen Nichtregierungsorganisation ClientEarth deshalb Klage gegen mehrere für die Luftreinhalteplanung zuständige Bundesländer eingereicht. Betroffen sind die Städte Köln, Bonn, Aachen, Düsseldorf, Essen, Gelsenkirchen, Frankfurt am Main und Stuttgart. Die DUH will die Bundesländer damit verpflichten, ihre Luftreinhaltepläne zu ändern. Ziel muss sein, dass diese alle geeigneten Maßnahmen enthalten, um den seit vielen Jahren geltenden Grenzwert so schnell wie möglich einzuhalten.
Die DUH hat außerdem gegen das bayerische und das hessische Umweltministerium Zwangsvollstreckungsmaßnahmen wegen der Grenzwertüberschreitungen in München, Darmstadt und Wiesbaden beantragt. Dort sind bereits rechtskräftige Urteile ergangen, die nicht eingehalten werden. Die DUH beantragt nun die Androhung von Zwangsgeldern gegenüber den beiden zuständigen Landesministerien wegen Nichtumsetzung der Urteile. Das Gesetz sieht ein maximales Zwangsgeld von 10.000 Euro vor; dieses kann wiederholt und auch pro Tag festgesetzt werden.
Luftverschmutzung gilt als krebserregend
Die Luftverschmutzung in Europa belastet nach wie vor die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger, die Umwelt und das Klima. Europaweit festgelegte Grenzwerte für die Konzentrationen an Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub (PM10) werden gerade auch in Deutschland in vielen Städten und Ballungsräumen seit Jahren überschritten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft sie als „für Menschen krebserregend“ ein. Das Deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt (GSF) hat für das Umweltbundesamt ermittelt, dass es allein in Deutschland jährlich zu etwa 10.000 bis 19.000 „vorzeitigen“ Todesfällen aufgrund von Feinstaub- und Stickoxidemissionen aus Dieselfahrzeugen kommt.
„Saubere Luft werden wir auf dem Gerichtsweg einklagen. Weitgehende Fahrverbote für schmutzige Diesel-Pkw, Diesel-Taxis und ÖPNV-Busse sind geeignet, sehr kurzfristig die Grenzwerte selbst in Städten wie Stuttgart einzuhalten. Nachdem die Bundesregierung darauf verzichtet, gegenüber den Autokonzernen die Einhaltung der geltenden Abgas-Grenzwerte für Diesel-Pkw durchzusetzen, haben Diesel-Fahrzeuge ihre Zukunft verspielt“, kritisiert Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.
Resch betont, dass die Umweltzonen dringend weiterentwickelt werden müssen. Die DUH fordert in diesem Zusammenhang die Einführung einer Blauen Plakette zur Kennzeichnung von Fahrzeugen mit im Realbetrieb niedrigen Abgaswerten. Das Bundesumweltministerium muss dazu eine Weiterentwicklung der Plakettenverordnung vorlegen. Kurzfristig müssen zudem alle ÖPNV-Busse mit Partikel- und NOx-Minderungssystemen ausgerüstet werden, die im Realbetrieb funktionieren. Viele tausend moderne Busse haben weder einen Partikelfilter an Bord noch verfügen sie über eine wirksame Stickoxid-Abgasreinigung im normalen Fahrbetrieb. Schließlich fordert die DUH, die derzeit überwiegend eingesetzten schmutzigen Diesel-Taxis durch saubere Erdgas-, LPG- oder Benzin-Hybrid-Taxis zu ersetzen und den verbindlichen Einsatz von Baumaschinen mit Partikelfiltern festzulegen.
Bürgerticket und ÖPNV-Ausbau sollen Nahverkehr attraktiver machen
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Einbindung des Nahverkehrs in die Mobilitätskonzepte. Bürgertickets und der gleichzeitige Ausbau des ÖPNV-Angebots können die Nutzung des Nahverkehrs um mehr als 30 Prozent steigern. Auch reduzierte Parkmöglichkeiten in den Innenstädten, Pförtnerampeln und Geschwindigkeitsbegrenzungen können die Luftschadstoffbelastung durch den Kfz-Verkehr erheblich mindern. Darüber hinaus setzt der verminderte Mineralölsteuersatz für Diesel falsche Anreize. Darauf hatte auch die EU-Kommission in ihrem Mahnschreiben im Vertragsverletzungsschreiben aufgrund anhaltender Überschreitung der NO2-Grenzwerte in Deutschland vom 18.6.2015 ausdrücklich hingewiesen.
„Jedermann hat ein Recht darauf, saubere Luft zu atmen. Aber viele hunderttausend Menschen überall in Europa sterben vorzeitig aufgrund von Luftverschmutzung. Die Klagen sind Teil einer europaweiten Bewegung, mit der Menschen vor Gericht Maßnahmen für saubere Luft einklagen. ClientEarth wird seine Erfahrungen aus dem erfolgreichen Verfahren gegen die britische Regierung einbringen, um die DUH in ihren Aktivitäten in Deutschland zu unterstützen“, erklärt Alan Andrews, Rechtsanwalt der britischen Nichtregierungsorganisation ClientEarth.
Im Jahr 2011 hatte ClientEarth Klage gegen das Vereinigte Königreich eingereicht, weil der Grenzwert für NO2 in 16 britischen Gebieten überschritten wurde. Das Verfahren durchlief alle Instanzen bis hin zum Europäischen Gerichtshof (EuGH), bevor es im April dieses Jahres an den Obersten Gerichtshof in Großbritannien zurückverwiesen wurde. Dieser wies die Regierung an, sofort Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung der Grenzwerte sobald wie möglich sicherstellen zu können.
Die Situation in Deutschland ist ähnlich, kritisiert Remo Klinger, Rechtsanwalt aus der Kanzlei Geulen & Klinger (Berlin), der die DUH seit zehn Jahren in Verfahren zur Luftreinhaltung vertritt. „Obwohl die Rechtslage in Deutschland seit Jahren geklärt ist, versuchen die zuständigen Behörden die Sache einfach auszusitzen“, sagt Klinger. „Dabei ist die Luftverschmutzung in Deutschland nicht erst seit Bekanntwerden des Diesel-Skandals ein Problem. Die EU-Grenzwerte werden seit Jahren überschritten, ohne dass von den Behörden wirksame Gegenmaßnahmen ergriffen werden.“
Andilectric meint
Grundsätzlich finde ich die Vorschläge der DUH ganz gut. Aber mit einer Idee kann ich mich nicht anfreunden. „…reduzierte Parkmöglichkeiten in den Innenstädten…“ finde ich doof!:) Wie oft war ich schon in München – ja mit dem Auto, weil ich teils schwere Fotoausrüstung dabei habe – und habe verzweifelt nach einem freien Parkplatz gesucht. Da geht schonmal ne halbe Stunde drauf. Es gibt also zu wenig, nicht zu viel. Wenn man nicht ewig danach suchen müsste wäre man auch nicht so lange auf der Straße unterwegs. Vielleicht könnte man mal sorum denken…?
Die Anwohner drehen im Übrigen auch vollends durch wenn sie einfach nicht nach Hause kommen können, weil sie Abends auf der Suche nach einem Parkplatz sind. Autos gehören halt bei uns immer noch dazu, bzw. geht es oft nicht ohne. Man sollte lieber mehr günstige Parkhäuser bauen und da den Nahverkehr gut anbinden, dann läuft die Sache schon besser. Warum man dabei gleich an das Zurückbauen von Parkplätzen denken muss verstehe ich nicht.