Frank Iwer, Leiter Strategische und Politische Planung bei der IG Metall, hat im Interview mit dem Weser Kurier über das Zögern der deutschen Hersteller bei Elektroautos und die Gefahren neuer Technologien für Zulieferer gesprochen. „Die Unternehmen müssen die Elektrifizierung vorantreiben und dazu in die Standorte investieren“, forderte er. Besonders die Frage nach der Zukunft sei für die Beschäftigten wichtig. Bis es Antworten darauf gibt, werde es aber noch dauern, „weil bei der Hälfte der Unternehmen das Thema noch gar nicht angekommen“ sei.
Iwer sieht auch die Politik in der Pflicht – sie sei „Haupttreiber der Veränderungen“ und müsse daher jetzt auch liefern. Mit Blick auf die langfristige weltweite Spitzenstellung der deutschen Automobilindustrie sieht der IG Metaller „viele Risiken“. Zum einen bedrohten Plattformen wie Uber und das autonome Fahren die Geschäftsmodelle der Autobauer. „Andererseits könnten sie den technologischen Vorsprung verlieren, zum Beispiel bei den Antrieben der Zukunft.“
Bis vor Kurzem habe die deutsche Autoindustrie Batteriezellen „so behandelt, als könnte man sie überall kaufen – wie eine Schraube bei Obi“, kritisierte Iwer. Sie hätten mittlerweile jedoch gelernt, dass dies nicht stimmt. Aufgrund der hohen Kosten der Zellfertigung sei die Zurückhaltung in diesem Bereich zwar verständlich, Iwer mahnte jedoch: „Wenn es ganz schlecht läuft, könnten die Autobauer selbst zum Zulieferer für asiatische Hersteller werden.“
Noch gebe es die Chance, die kommenden Veränderungen aktiv mitzugestalten, erklärte Iwer. Den deutschen Herstellern komme zugute, dass es derzeit noch keinen großen Markt für Elektroautos gibt – ansonsten hätten sie jetzt „ein echtes Problem“. Da die Kunden aktuell fehlen, könnten VW, Daimler, BMW & Co noch nachziehen.
„E-Mobilität wird vom Klimaschutz getrieben“
Dass sich Elektroautos noch nicht durchgesetzt haben, hat Iwer zufolge mehrere Gründe: „E-Mobilität wird vom Klimaschutz getrieben, nicht vom Markt. Daher fehlt die Nachfrage. Natürlich ist auch die Infrastruktur entscheidend: Für zehn Millionen E-Fahrzeuge, wie sie aus Klimaschutzgründen nötig wären, braucht man eine knappe Million Ladepunkte.“
Neben Batterie-Fahrzeugen werden nach Ansicht von Iwer auch Wasserstoff-Stromer immer wichtiger, vor allem bei Lastwagen und Schiffen. Entscheidend seien auch hier die Kosten: „Der Wasserstoffantrieb ist noch sehr teuer. Und die Infrastruktur ist genauso ein Problem. Wasserstoffantriebe wird es sicher geben – aber es wird noch dauern“, meinte Iwer.
Die IG Metall schätzt, dass aufgrund der immer strengeren Emissionsgesetze 2040 mehr Autos mit E-Motor als Verbrenner auf den Straßen fahren werden. Bis 2030 könnte durch die einfacher zu realisierende Antriebstechnik nach einer von der Gewerkschaft in Auftrag gegebenen Studie jeder zweite Arbeitsplatz am Antriebsstrang entfallen, also etwa 120.000 Jobs. „Und andere sind zumindest gefährdet, etwa in der Motorentwicklung oder auch in der Fahrzeugmontage“, so Iwer. Wenn Elektromotoren und Batterien in Deutschland gefertigt werden, könne dies den Rückgang etwas abfedern.
Die IG Metall fordere „eine arbeitsmarktpolitische Flankierung, bei der Kurzarbeit und Weiterbildung kombiniert werden können, wenn die Werke auf neue Produkte umgebaut werden müssen“, sagte Iwer. Auf regionaler Ebene setze sich die Gewerkschaft für die Bereitstellung von „Transformationsfonds“ ein. „Schwierig ist so ein Umbau immer. Die Grundhaltung vieler Kollegen ist aber: Sorgt dafür, dass sich für mich möglichst nichts ändert“, bemängelte Iwer. Vor allem bei den Zulieferern könne es zukünftig eng werden. „Es werden nicht alle überleben“, fürchtet der IG-Metall-Stratege.
nilsbär meint
„Mit Blick auf die langfristige weltweite Spitzenstellung der deutschen Automobilindustrie sieht der IG Metaller „viele Risiken“ “
Schauen wir mal:
China: Hier dominieren chinesische Firmen den E-Auto-Markt. Die dortige Regierung wird verhindern, dass sich das ändert.
USA: Da läuft es so schlecht, dass VW den ID gleich gar nicht anbietet.
Europa: Da könnten VW, BMW, Daimler an die Spitze kommen.
Indien: ?
Rest der Welt: Wenig Bedeutung.
Fazit: Die Absatzzahlen der Verbrenner werden beim Umstieg nicht zu halten sein. Eine Verringerung auf die Hälfte wäre imho schon ein Erfolg. Dazu die geringere Wertschöpfung aufgrund fehlender Zellherstellung. Plus weniger After-Sales-Geschäft. Plus Robotaxis.
Sieht nicht rosig aus für deutsche Hersteller und Zulieferer.
E meint
Robo Taxis vielleicht in 35 Jahren
alupo meint
Ne, ne, das mit den Robo-Taxis werde ich trotz meines Alters noch erleben. Ganz sicher.
Einfach einmal die Entwicklung bzw. ihre technologische Verbesserungsrate der letzten 10 Jahre gedanklich fortschreiben. Zugegeben, das ist sehr schwer, aber mit erhöhter Anstrengung sollte es den meisten doch gelingen ;-).
Die Chinesen versenken nicht sinnlos 15 Milliarden in die Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz. Wenn sie sich davon nichts verprechen würden, innenpolitisch :-( und wirtschaftlich :-).
Die Deutschen sind mangels Willen, mangels Know How und mangels Geld schon soweit hinterher, dass von deutschem Boden da nichts oder zumindest wenig zu erwarten ist.
Aber Anwenden durch Kauf geht schon. Die Planungsphase für den autonomen Fahrbetrieb zum Hambacher Schloß ist fast abgeschlossen, die restlichen kleinen Elektroshuttle sind bestellt und der Testbetrieb läuft mit einem eShuttle auf den 3 Teststrecken. Wenn dieser weiterhin gemäß den Erwartungen verläuft, wird das Projekt 2020 für die Besucher des Schlosses aktiv geschaltet.
Bis die rechtlichen Rahmenbedingungen für das fahrerlose Fahren geschaffen sind, muss jedoch immer noch ein Operator mitfahren.
Für das Dorf bedeutet das durch den flüsterleisen Elektroantrieb deutlich weniger Lärm, weniger Feinstaub, weniger Stickoxide, weniger giftige Kohlenwasserstoffe etc.. Damit wäre die Luft aufgrund des meist verbrennerangetriebenen Individualverkehrs dann nicht mehr so verschmutzt wie ansonsten nur in einer besonders belasteten Großstadt.
Übrigens, 2 der 3 in Frage kommenden eShuttlemodelle mit der Ausstattung zum autonomen Fahren kommen aus Frankreich, eines könnte ggfs. auch aus Deutschland kommen. Aber das kann man noch nicht kaufen, d.h. auch hier liegen die Deutschen zeitlich sogar hinter den Franzosen. Und es versteht sich wohl von selbst, dass das mögliche deutsche eShuttle nicht von einem großen deutschen Autohersteller kommt sondern von einem Startup. Es gibt bei den großen deutschen Autoherstellern leider keine „gefüllten Schubladen“ mit fertigen Zeichnungen für die eMobilität. So traurig wie wahr.
Aber besser ex Frankreich als immer nur aus Asien zuzukaufen, denn dass die Asiaten sowas aufgrund ihrer Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Technologien und ihrer Kapitalkraft können, steht für mich außer Frage.
150kW meint
„USA: Da läuft es so schlecht, dass VW den ID gleich gar nicht anbietet.“
Mit einem Hatchback ala Golf/ID.3, gewinnt man in den USA keinen Blumentopf. Folgerichtig wird man den ID.3 dort nicht anbieten sondern einen SUV einführen.
Andreas meint
Das die IG Metall keinerlei Kenntnisse über Elektromobilität besitzen, hat sie schon seit vielen Jahren bestätigt.
Danke Jörg2 für den kurzen Abriss der Luftnummern der IGM der letzten Quartale.
Wieso wieder Wasserstoff-Auto? Ich vermute mittlerweile, dass viele Leute mit Überschriftenwissen tatsächlich glauben, dass man zukünftig Wasserstoff so tankt, wie heute Benzin/Diesel, also an der Tanke um die Ecke.
Deutschland, Land der Denker und Wissenschaftler.. naja.
Bernhard meint
Die Funktionäre und Lobbyisten der Autoindustrie haben immer noch keine Ahnung, was auf sie zukommt. „Kein Markt da“, was für eine alberne Behauptung. „Die Kunden fehlen“, selten so gelacht. „Die E-mobilität wird vom Klimaschutz getrieben, nicht vom Matkt“, vollkommene Ahnungslosigkeit.
Die Zulassungen der Verbrenner gehen spürbar zurück, weil immer mehr richtigerweise auf BEV´s für jedermann warten. Aber der gute Herr Iwer lebt immer noch in einer anderen Welt. Doch so langsam geht immer mehr der Arsch auf Grundeis weil sie merken daß da was aus dem Ruder läuft.
Elmoby meint
Wenn du mir kurz erklärst, warum du alles so albern findest, würde ich mich evtl. Dir auch anschließen. Odet zumindest deinen Standpunkt verstehen
Bernhard meint
Er unterstellt doch daß es keine Kunden für die E-Mobilität gäbe. Das wir das nicht brauchen, weil noch keine Käufer da wären. Diese Aussage ist mMn völlig an der Realität vorbei. So wie die restlichen Behauptungen auch.
JürgenV meint
So sehe ich das auch. Die IG Metall, oder besser die, die sich von denen immer äußern, leben irgendwie im Tal der Ahnungslosen. Würden Elektroautos heute genauso vielfältig und vor allem zu normalen Preisen angeboten, dann würden die Hersteller schon heute mehr BEV als Verbrenner verkaufen.
hu.ms meint
Einfach mal nachbarn und kollegen nach BEV fragen. Über 95 % winken sofort ab und zählen die nachteile auf.
Mehrere modelle sind aktuell kurzfristig lieferbar. Darunter ein US-Modell für „nur“ 48.500 €. Die bestellzahlen sind allerdings weit unter den erwartungen.
Nachdem die leute jahrelang nur mit den nachteilen gefüttert wurden müssen diese erst einmal über die tatsächlichen eigentschaften von BEV aufgeklärt werden. Natürlich werden sie sich gegenüber den verbrennern objetiv verschlechtern und auch die kaufpreise sind höher, aber wem die lebensverhältnisse der nächsten generationen wichtig sind sollte das auch akzeptieren.
SoundOfLithium meint
Interessanter Gesinnungswandel des Herrn Hoffmann.
Daniel S meint
Den deutschen Herstellern komme zugute, dass es derzeit noch keinen großen Markt für Elektroautos gibt – ansonsten hätten sie jetzt „ein echtes Problem“
In den USA haben die deutschen Premiumfahrzeuge Verjaufsrückstände. Nicht zuletzt wegen Tesla.
Soviel zu „ansonsten hätten sie…“
Jörg2 meint
IG-Metall:
März 2019: IG-Metall-Chef Hoffmann plädiert für langsamen Umstieg auf E-Autos
Oktober 2018, hier bei ecomento: E-Mobilität noch deutlich CO2-intensiver als Verbrenner
Oktober 2018, Tagesspiegel: IG-Metall-Chef Hoffmann: „Die Klimaziele sind ein Fake.“
Mai 2018, hier auf ecomento: Elektroautos gefähren bis zu 70.000 Jobs
DerOssi meint
Alles Opportunisten „da oben“… das sollte doch mittlerweile jedem klar sein und nicht weiter überraschen…
Landmark meint
beim lesen der Überschrift, war schon etwas verwirrt, die IG M war doch immer extrem gegen E Autos….. aber nun wird alles besser. :-))