Die zunehmende Zahl an Elektroautos und die fortschreitende Digitalisierung bremsen nach einer Studie das Geschäft der Autowerkstätten. Das Servicegeschäft in Westeuropa werde in den nächsten zehn Jahren um nur ein bis zwei Prozent jährlich zulegen, sagen Analysten der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) voraus.
Der Grund für das niedrige Wachstum sei zum einen, dass die Wartungskosten von Batterieautos aufgrund der simpleren Technik nur halb so hoch wie die von Benzin- und Dieselmodellen ausfallen. Zum anderen senke die Verbreitung von Fahrerassistenzsystemen die Unfallquote bis 2030 um 10 bis 20 Prozent.
Besonders für freie Werkstätten werde der Wettbewerb härter, prognostizieren die BCG-Branchenexperten. Die Autohersteller und ihre Markenwerkstätten würden von der zunehmenden Vernetzung der Autos profitieren, da die Daten ihnen eine frühzeitige Ferndiagnose und Wartung ermöglichen – das steigere Kundenzufriedenheit und Kundenbindung. In zehn Jahren dürfte die Hälfte der Autos vernetzt sein, und die Markenwerkstätten dürften ihren Marktanteil in Europa auf 40 Prozent vergrößert haben.
Vergleichs- und Vermittlungsplattformen für Kfz-Teile und für Werkstätten werden nach Einschätzung von BCG an Bedeutung gewinnen und 2025 über 15 bis 20 Prozent an den vermittelten Leistungen verfügen. Technischer Wandel, neue digitale Akteure und eine zunehmende Marktkonsolidierung setzten Ersatzteil-Großhändler und Werkstätten unter Druck.
Insgesamt dürfte der europäische Markt von 225 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 282 Milliarden Euro im Jahr 2030 wachsen. In Deutschland gibt es dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) zufolge 36.600 Autohäuser und Kfz-Werkstätten mit 436.000 Beschäftigten. Ihr Umsatz mit Wartung und Reparaturen fiel im zurückliegenden Jahr um acht Prozent auf 27,5 Milliarden Euro, weil viel weniger gefahren wurde.
Andreas D. meint
In dieser Rechnung wird den schlechten Fahrzeugverkäufen in den Pandemiezeiten keine Beachtung geschenkt. Wurden in 2019 noch 1.85 Mio Fahrzeuge zugelassen, waren es 2020 nur noch 1,5 und 2021 1,45 Mio. Fahrzeuge(Vergleichszeitraum Jan – Jun), somit fehlen in den nächsten Jahren 750.000 Fahrzeuge über Jahre in den Werkstätten. Der Prozentuale Anteil an EV Fahrzeugen durch diesen Effekt deutlich höher als oben beschrieben. Wo eine Steigerung der Umsätze (und Erträge) in den Werkstätten herkommen soll kann ich nicht erkennen.
AK swiss meint
Bis alle Verbrenner durch BEVs ersetzt sind, kommt noch ein kurzer Reparaturpeak gegen Ende des Jahrzehnts durch PHEVs. Diese Systeme besitzen eine noch höhere Komplexität als ein Verbrenner und ein BEV zusammengenommen, somit eine weitaus höhere Reparaturanfälligkeit. Der stolze PHEV-Besitzer wird noch grosse Augen machen, wenn er sein gutes Stück dereinst verkaufen will. Und ich schätze, dass so mancher teure PHEV schon nach 10 Jahren auf dem Schrottplatz landen wird – wegen „wirtschaftlichem“ Totalschaden. Einfach nicht mehr sinnvoll reparierbar.
David meint
Zum Werkstattgeschäft: In Summe gilt das, dass der Bedarf sinkt. Wer aber klug und geschickt ist, hat irre Chancen. Die Hersteller sind noch sehr unsicher bei den BEV, tauschen statt zu schrauben, wenn was ist. Dann wird sich mittelfristig wenig ändern.
Dabei kann man top an einem BEV herumtunen: Leistungselektronik pimpen, Motor tunen, Akkukapazität erhöhen, Schnellladefähigkeit aufbohren, Kühlung und Heizung des Akkus optimieren. Da wird viel gehen. Zumal die Wagen oft sehr konservativ abgeriegelt sind.
DerMond meint
Es wird sich schon noch was finden. Assistenzsysteme bzw. deren Sensoren zu überprüfen und zu kalibrieren könnte beispielsweise noch ein einträgliches Geschäft für die Werkstätten werden.
Thrawn meint
Wischwasser auffüllen für 60 €/l z.B. …
OnlyAFoolUsesGoogleAndroid meint
Wer autonom fahren will muss auch die dafür erforderlichen Sicherheitssysteme gründlich prüfen lassen. Der TÜV wird in Zukunft etwas umfangreicher. Und wenn die Betriebssysteme der Autos auch nur 3-mal so lang mit Updates gepflegt werden wie Smartphones, dann sind die Informatiker von heute die „Werkstattmechaniker“ von morgen. Das moderne mit Assistenzsystemen, Elektronik und Software vollgestopfte E-Autos weniger wartungsintensiv werden als heutige Verbrenner glaube ich in 15 Jahren, wenn es dann mal vernünftige Vergleiche ziehen kann.
Peter W meint
Elektrofahrzeuge als „simplere“ Technik zu bezeichnen ist schon etwas seltsam. Mechanisch mag das die einfachere Technik sein, die man nicht mehr mit einem 13er Gabelschlüssel instandsetzen kann. Aber genau betrachtet, ist ein E-Auto wesentlich komplexer, denn ohne ausgereifte Hard- und Software geht da nichts. Wie wäre es sonst zu erklären, dass die alten Hersteller erhebliche Probleme haben ein gutes E-Auto herzustellen.
Der Teufel sitzt hier im Detail.
Gunnar meint
„Wie wäre es sonst zu erklären, dass die alten Hersteller erhebliche Probleme haben ein gutes E-Auto herzustellen.“
Ich sehe das genau anders. Sie können viel bessere BEVs herstellen als sie uns aktuell anbieten. Das wäre aber nicht gut für die Hersteller. Stell dir vor, sie würden weitaus bessere BEVs anbieten und das auch noch etwas günstiger. Plötzlich wollen viel mehr Menschen einen BEV und viel weniger einen Verbrenner. Aber es können gar nicht so schnell so viele BEVs hergestellt werden – Stichwort Batteriezellenmangel. Und gleichzeitig sitzen die Hersteller auf riesigen Produktionskapazitäten für Verbrenner, die man nicht so schnell abgebaut bekommt – ein fettes Klumpenrisiko, welches einen etablierten OEM bei zu großer ICE-Kaufzurückhaltung schnell ins Wanken bringen könnte.
Deswegen ist das eine sehr schmale Gradwanderung der etablierten: Nur so viele BEVs wie nötig anbieten.
David meint
Sie haben keine Probleme, ein gutes eAuto herzustellen. Sie sind zur richtigen Zeit auf dem Markt und fahren ihr Angebot langsam hoch.
Wenn man sich anschaut, wie VW im letzten Jahr hochskaliert hat, kann der Konkurrenz Angst und Bange werden. Für 26 Millionen Einheiten in diesem Jahrzehnt planen sie und haben Komponenten vorbestellt. Das ist richtig big! Mercedes kommt spät, aber mit 800V Technik bei den kommenden Reiselimousinen. Ihr EQV ist jetzt schon der heimliche König in seiner Nische ohne Konkurrenz. Und wehe der EQG kommt, dann schwenken auch die Rapper um auf elektrisch. Opel ist zwar jetzt PSA, aber ihr Mokka zeigt, sie können mit dem BEV plötzlich wieder Kundschaft begeistern. Ford nutzt die MEB und hat den Mustang, nur BMW hat’s noch nicht richtig verstanden und die Japaner scheinen in Schockstarre gefallen zu sein. Renault ist schon gut im Geschäft. Ford USA und GM planen sehr groß – wenn nächstes Jahr ihre Autos lieferbar sind, fällt der Heimatmarkt. Fords elektrischer F150 wird einschlagen. Die Südkoreaner sind wach und da. Ihre BEV sind sehr effizient.
Es ist nur eine Frage von zwei-drei Jahren, dann sind die großen Hersteller wieder so dominant wie zuvor. Ein BEV ist nur ein Auto. Eher ist es so, dass nur wenige Startups sich halten können werden. Nichts ist so wenig disruptiv wie das BEV.
Andi F. meint
Hallo Peter! Die Verbrennungsmotoren sind nicht mehr „einfacher“, man hat nur mehr Erfahrung. Abgasreinigung, die dazugehörige Sensorik, die unter widrigsten Bedingungen Ihren Dienst tun muss (z.B. Lambdasonde), Direkteinspritztechnik, Turbolader, Abgasrückführung, Waste-Gate, Harnstoffeinspritzung, 9-Stufen-Automatikgetriebe,…alles hochkomplexe Technik, auch wenn es nicht ausschließlich Elektronik ist.
Materialien und Fertigungsverfahren sind extrem anspruchsvoll.
Ein E-Fahrzeug ist „anders“, daher tuen sich manche Hersteller noch schwer und halten z.B. an ihren alten Fahrzeugkonzepten fest, denen Sie dann Akku und E-Motor verpassen. Sie sind aber nicht komplexer. Aber inkl. Akku wohl auch nicht viel einfacher. Nur anders. Allerding erheblich haltbarer, da es fast keine mechanischen Verschleißteile gibt. Ein Elektromotor mit Inverter in der Industrie schafft bei Dauerbetrieb (!) mal gut und gerne 10+x Jahre, bevor etwas kaputtgeht.
10 Jahre Dauerbetrieb entspricht bei einem PKW bei durchschnittlich 50km/h eine Laufleistung von 4,4 Mio km. Mach das mal mit nem Verbrenner….ohne große Reparaturen, und die Wartung beschränkt sich auf „Staub wischen“.
Die einen Hersteller werden den Wechsel hinbekommen, die anderen werden in die Geschichtsbücher eingehen. Dafür kommen neue. Wer am Ende welches Stück vom Kuchen bekommt, wird sich zeigen, aber die Rolle, die D bei den Verbrennern gespielt hat, wird vermutlich der Vergangenheit angehören.
AK swiss meint
Ganz richtig. Die Unfähigkeit meiner Vertragswerkstatt (wohlgemerkt „Premiummarke“), meinen 18 Jahre alten Diesel mit simpler Einspritztechnik (sogar noch ohne Partikelfilter) am Laufen zu halten, war tatsächlich der Anlass für mich, zur E-Mobilität zu wechseln. Der in vielleicht 10 Jahren fällige Batterietausch macht mir keine Sorgen. Ich rechne dann mit 50% mehr Kapazität und 30% weniger Kosten. Vermutlich werden das die OEMs an Drittanbieter abtreten, weil kleines (aber feines) Business, wie David schon anmerkte.