Daimler Truck tritt beim Transport mit wasserstoffbetriebenen Lkw in die nächste Entwicklungsphase ein. Nach Erprobungen auf der Teststrecke und auf öffentlichen Straßen werden die Brennstoffzellenfahrzeuge nun bei ersten kundennahen Fahrerprobungen eingesetzt.
Ab Mitte 2024 sollen die Unternehmen Amazon, Air Products, Holcim, Ineos und Wiedmann & Winz die Möglichkeit nutzen, erste Erfahrungen im CO2-freien Langstreckentransport mit dem Truck Mercedes-Benz GenH2 zu sammeln. Die fünf Sattelzug-Lkw werden laut dem Hersteller in Deutschland auf spezifischen Routen und in verschiedenen Anwendungsfällen im Fernverkehr eingesetzt, beispielsweise im Transport von Baustoffen, Seecontainern oder auch Flaschengasen.
Betankt werden die Fahrzeuge an dafür vorgesehenen öffentlichen Flüssigwasserstofftankstellen (sLH2) in Wörth am Rhein und im Raum Duisburg. „Damit schafft Daimler Truck mit seinen Partnerunternehmen ein Leuchtturmprojekt und zeigt, dass schon heute ein dekarbonisierter Transport mit wasserstoffbetriebenen Lkw möglich ist“, heißt es in einer Mitteilung. „Damit die Transformation hin zum Warentransport mit Wasserstoffantrieben aber auch nachhaltig funktioniert wird es in den nächsten Jahren darauf ankommen, dass eine flächendeckende und globale Tankinfrastruktur sowie eine ausreichende Versorgung mit grünem Flüssigwasserstoff sichergestellt wird.“
„Mit dieser ersten Kundenflotte testen wir unseren Brennstoffzellen-Lkw jetzt auch im realen Kundenbetrieb. Eine Win-Win-Situation für beiden Seiten: unsere Kunden lernen den Brennstoffzellenantrieb im täglichen Einsatz kennen und unser Entwicklungsteam gewinnt weitere wertvolle Erkenntnisse über die Kundenbedürfnisse und relevanten Anwendungsfälle und kann diese für die Serienentwicklung berücksichtigen“, sagt Andreas Gorbach, Mitglied des Vorstands der Daimler Truck AG.
Bei der Entwicklung wasserstoffbasierter Antriebe bevorzugt Daimler Truck flüssigen Wasserstoff. Der Energieträger habe in diesem Aggregatzustand im Vergleich zu gasförmigem Wasserstoff nicht nur eine deutlich höhere Energiedichte, es ließen sich auch die Transportaufwände deutlich reduzieren, erklärt der Konzern. Dadurch könne mehr Wasserstoff transportiert werden, was die Reichweite deutlich erhöhe und in Folge eine vergleichbare Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs mit der eines konventionellen Diesel-Lkw ermögliche. Zudem böten Flüssigwasserstofftanks gegenüber gasförmigem Druckwasserstoff Vorteile bei Kosten und Gewicht. So ermögliche der Einsatz von Flüssigwasserstoff unter anderem eine höhere Nutzlast.
Bei der kundennahen Erprobungsflotte wird erstmals die sogenannte „sLH2-Technologie“ (sLH 2 = „subcooled“ Liquid Hydrogen) zum Einsatz kommen, ein neues Betankungsverfahren für flüssigen Wasserstoff. Es wurde gemeinsam mit dem Industriekonzern Linde entwickelt und verfügt über einen frei verfügbaren ISO-Standard. „Der innovative Ansatz ermöglicht im Vergleich zu LH2 unter anderem eine noch höhere Speicherdichte und die einfachere Betankung innerhalb von 10-15 Minuten“, so Daimler Truck. „Indem möglichst viele weitere Unternehmen und Verbände sich bei der Entwicklung des neuen Flüssigwasserstoff-Standards beteiligen, soll ein globaler Massenmarkt für das neue Verfahren etabliert werden.“
Die GenH2-Erprobungsfahrzeuge
Die Entwickler von Daimler Truck haben dem GenH2 Truck die Eigenschaften des konventionellen Mercedes-Benz Actros Fernverkehrs-Lkw hinsichtlich Zugkraft, Reichweite und Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt. Die GenH2-Fahrzeuge, die bei den kundennahen Erprobungen zum Einsatz kommen, bieten 40 Tonnen Gesamtgewicht bei einer Zuladung von circa 25 Tonnen. Diese hohe Zuladung und die große Reichweite würden durch zwei spezielle Flüssigwasserstofftanks sowie ein besonders leistungsfähiges Brennstoffzellensystem erreicht, heißt es.
„Die zwei Flüssigwasserstoff-Edelstahltanks mit einem hohen Fassungsvermögen von je 44 Kilogramm eignen sich sehr gut für weite Distanzen. Das Edelstahl-Tanksystem besteht aus zwei ineinander liegenden Röhren, die miteinander verbunden und vakuumisoliert sind“, erklärt das Unternehmen weiter.
Das Brennstoffzellensystem des GenH2 Truck liefert 300 kW (2 x 150 kW), eine eingebaute Batterie leistet zeitlich begrenzt zusätzlich bis zu 400 kW. Das Speichervermögen der Batterie ist mit 70 kWh vergleichsweise gering, da die Batterie nicht für den Energiebedarf, sondern hauptsächlich zur situativen Leistungsunterstützung der Brennstoffzelle hinzugeschaltet wird. Dies geschieht beispielsweise bei Lastspitzen während der Beschleunigung oder bei voll beladenen Bergauffahrten. Gleichzeitig ermöglicht die leichte Batterie mehr Zuladung und wird durch Brems- und überschüssige Brennstoffzellenenergie aufgeladen.
„Kernelement der ausgeklügelten Betriebsstrategie von Brennstoffzellen- und Batteriesystem ist ein Kühl- und Heizsystem, welches alle Komponenten auf passender Betriebstemperatur hält. Dies ermöglicht eine möglichst hohe Langlebigkeit. Die beiden Elektromotoren sind in einer Vorserienversion auf insgesamt 2 x 230 kW Dauer- und 2 x 330 kW Maximalleistung ausgelegt“, erläutern die Entwickler.
stromsurfer meint
Man beachte auch die Schutzausrüstung beim Betanken.
Schutzhandschuhe und Visier. Vertrauenserweckend…
Ist beim Betanken dann hoffentlich auch immer griffbereit und wird verwendet.
Torsten meint
Na endlich, das ist die Zukunft. NICHT.
Aber vielleicht gibt es nach NEBus und NECar ja grundlegend neue Erkenntnisse…
Swissli meint
Hab selber noch etwas gegoogelt. Anscheinend werden Kyrotanks nicht aktiv gekühlt, sondern man lebt einfach mit den Verdampfungsverlusten (wenn die Temperatur ansteigt). Man liest von 2% pro Tag boil-off.
BMW hatte anscheinend mal ein Autoprojekt mit Flüssiggas. Wurde aber wegen zu hoher boil-off Verlusten bei Standzeiten des Autos eingestellt.
Daimler und Linde reden jetzt beim LKW von 10-200 h Standzeiten ohne Verluste. Beim LKW dürfte sich der Verlust in Grenzen halten, da vermutlich täglich in Betrieb. Standzeiten wären wohl nur nachts und Wochende.
Bleibt noch das Problem des zu teuren und nicht vorhandenen grünen H2 (bzw. flüssig H2).
ferchaue meint
@Swissli ? Auch wenn das Fahrzeugfährt dürfte es diese Verluste geben.
Swissli meint
Kaum. Dann kann der gasförmige H2 vom boil off ja der Brennstoffzelle zugeführt werden.
Wenn man keinen Verbraucher hat (keine Fahrt), dann würde der boil off zu hohen Druck im Tank erzeugen und muss deshalb ungenutzt abgelassen werden. Beim LKW könnte der boil off aber eigentlich bei Stillstand der Brennstoffzelle zugeführt werden und damit die Batterie laden. Wird vielleicht auch gemacht.
Wie auch immer: wenn so ein LKW nicht ferienhalber ein paar Wochen steht, ist der Verlust überschaubar.
Problematischer wohl bei Tankstellentank, wo Abnehmer via Brennstoffzelle fehlt (bei wöchentlichem Auffüllen gehen 14% flöten)
Swissli meint
Interessant wäre noch der Energieaufwand für den Transport und die Lagerung (Tankstelle+LKW Tank) für den Flüssigwasserstoff. Nehme an der muss weiterhin auf -253 Grad gekühlt sein, damit dieser flüssig bleibt…
Mark Müller meint
Die zwei Tanks à 44 kg Wasserstoff ergeben mehr als 1’500 kWh Energie.
Als Batterie wären das etwa 7 Tonnen Gewicht.
Tommi meint
Ganz so einfach ist es nicht. die 44 kg befinden sich in einem Wasserstofftank, der auch was wiegt. Sicher nicht so viel, wie eine Batterie, aber die 44 kg Wasserstoff mit 7 t Batterie zu vergleichen, stimmt so nicht.
stdwanze meint
Dazu kommt ja noch eine Traktionsbatterie. Die BZ schafft ja die geforderten leistungen nicht. Es ist ja immer noch ein FCEV – aka der H2 + BZ ist Rangeextender einer kleinen Batterie. Aber eben, diese Komponenten wiegen ja auch was. Und ich würde behaupten, wenn ein LKW den Schwarzwald erklimmen soll (Nach Furtwangen z.b.) dann sollte die Batterie nicht zu klein sein.
VolksTeslaWagen meint
Und der Wasserstoff schwebt während der Fahrt mit seinem 44kg auf dem LKW hinterher?
Natürlich musst Du die Komponenten mitrechnen, die für das Speichersystem erforderlich sind (Gewicht Wasserstoff + Gewicht Tanks + Gewicht Brennstoffzelle + Gewicht Pufferspeicherbatterie + Gewicht sonstige Komponenten wie Kabel, Schläuche etc.).
Die Werte schwanken zwar von System zu System, aber für 44kg Wasserstoff braucht man ein System das ca. 2 Tonnen wiegt.
7 zu 2 Tonnen klingt zwar immer noch viel, aber jetzt hast Du noch den Wirkungsgrad vergessen. Dieser beträgt vom Tank zur Straße, wenn ich es gut meine, ca. 33% (lässt sich besser rechnen), d.h., dass von den 1500kWh sind nur 500kWh nutzbar.
7 Tonnen mit 1500kWh bei einem LKW mit Batterie-Speicher mit einem Wirkungsgrad ca. 65%, wären hier ca. 975kWh abrufbar.
Normieren wir dies auf eine Tonne, dann ergeben sich folgende Werte:
H2: 500kWh / 2t = 250kWh/t
Akku: 975kWh / 7t = 140kWh/t
Daher ist das Verhältnis nicht, so wie bei Dir beschrieben bei 7000kg : 44kg = 160 : 1, sondern 250kWh/t / 140kWh/t = 1,8 : 1 bzw. ca. 2 :1.
Und wenn wir nun den nicht bzw. kaum vorhandenen „grünen“ Wasserstoff von Well to Wheel rechnen, dann hebt sich dieser Vorteil für Wasserstoff komplett auf, da hier der Wirkungsgrad, wie oben beschrieben, nicht mehr 33%, sondern nur bei ca. der Hälfte bzw. 17% ist.
Die kompletten Kosten zur Unterhaltung der H2-LKW’s gegenüber Akku-LKW’s und den Bau von H2-Tankstellen lasse ich hier zu Gunsten von H2 außen vor.
Draggy meint
Wenn man von einem Wirkungsgrad von 33% ausgeht vs dem von einem BELKW von 80% ab Speicher, dann entspricht das eher einem 625KWh Akku mit etwa 3 bis 3,5 Tonnen.
Was weder viel Reichweite noch ein großer Gewichtsvorteil sein wird.
Mark Müller meint
Da haben ein paar Leute die Sache wirklich nicht verstanden.
Der LKW führt 2 x 44 kg Wasserstoff mit. Dieser Wasserstoff gibt in der Brennstoffzelle ca. 1’500 kWh Strom an den LKW ab. Punkt.
Dass die 88 kg Wasserstoff noch in Tanks sind und dass es dazu noch eine Brennstoffzelle und eine Pufferbatterie braucht, ist klar. Man kann nicht immer wieder alles sagen, auch das Selbstverständliche. Das wiegt alles zusammen so irgend etwas um eine Tonne.
Wenn man die 1’500 kWh Energie mit Batterien haben will, braucht man entsprechende Batterien und die wiegen irgendwo zwischen 7 und 10 Tonnen.
VolksTeslaWagen meint
Und was bringt dir diese Milch-Mädchen-Rechnung?
Dass das H2 zwar eine hohe Energiedichte hat, aber wir nur ein Viertel bis Drittel davon nutzen können und die Lagerungs- und Umwandlungskomponenten im E Auto ein so hohes Gewicht mitbringen, sodass der Vorteil der Energiedichte wieder verloren geht?
Mark Müller meint
Du hast es immer noch nicht verstanden: Von der Energiedichte des Wasserstoffs – wenn er einmal da ist – können wir einen grossen Teil nutzen. Im konkreten Fall etwa 20 kWh pro Kilogramm (der Rest ist bei dieser Zahl schon abgezogen). Im Winter, wenn wir auch noch die Abwärme für die Heizung nutzen können, ist es sogar noch deutlich mehr.
Das Problem liegt primär bei der Produktion des Wasserstoffs, wo mehr als die Hälfte der eingesetzten grünen Energie ‚verloren‘ gehen. Wenn am Ort der Elektrolyse auch die Wärme noch genutzt wird, dann geht weniger verloren.
Daher wird man in Europa primär den Strom für die Produktion von Wasserstoff verwenden, der sonst abgeschaltet werden müsste, weil sonst zuviel da ist. Bei nachhaltiger Stromproduktion ist das ziemlich viel Energie.
Der Rest des Wasserstoffs wird aus Weltgegenden kommen, wo die PV-Zelle auf Wüstenboden zweimal so viel Stromproduziert als eine PV-Zelle in D auf Ackerboden (z.B. in Marokko und Algerien) oder wo ein Windrad dreimal so viel Strom produziert wie in Süddeutschland (z.B. in Schottland oder Namibia).
Captain Ahab meint
@VolksTeslaWagen
Bei der Berechnung oben ist das alles schon abgezogen. Mit 88 kg Wasserstoff stehen dem LKW mehr als 1’500 kWh netto echt zur Verfügung.
Zusätzlich kann im Winter noch die Abwärme für die Heizung genutzt werden – und verbraucht nicht auch noch Strom.
GE meint
Klingt total simpel die Technik. Probleme mit dem Tanstellennetz außerhalb Deutschlands kann ich auch keine sehen. Genausowenig wir bei den großen Mengen günstigen grünen Wasserstoffs. Wird bestimmt ein Erfolg !
..uff
volsor meint
„„Damit schafft Daimler Truck mit seinen Partnerunternehmen ein „Leuchtturmprojekt“ und zeigt, dass schon heute ein dekarbonisierter Transport mit wasserstoffbetriebenen Lkw möglich ist“.“
Wird das in Deutschland eigentlich Nachts noch Dunkel bei den ganzen Leuchtturmprojekten?
Matthias meint
Diese Leuchttürme werden ja nicht elektrisch betrieben sondern mit „Wasserstoff ist die Zukunft“, daher diesbezüglich stockdunkle Nacht in Deutschland bis es dann soweit ist mit dem H2.
Interessant wäre ja mal wenn ein Brennstoffzellenfahrzeug bei Bergabfahrt rekuperiert indem H2 erzeugt und im Tank abgespeichert wird. Einfach kWh in einen Akku will man nicht machen, kann ja jeder.
Mark Müller meint
Jedes in letzter Zeit entwickelte FCEV-Fahrzeug hat eine recht grosse Batterie. Bei LKW und Bussen typischerweise so um die 100 kWh. Einerseits für die genannte Rekuperation, andererseits zur Überbrückung von Leistungsspitzen, wodurch die Brennstoffzelle mehrheitlich in einem kontinuierlichen Modus betrieben werden kann.
M3P_2024 meint
…aber vorallem weil die Brennstoffzelle ja nicht so instant fein dosierbare Leistung liefern kann ohne dass man über einen Puffer geht. Die Brennstoffzelle ist eher ein (ziemlich kostspielig komplexer) Range Extender mit schlechtem Wirkungsgrad des Gesamtsystems.
Powerwall Thorsten meint
Das ändert leider nichts der mindestens 3x schlechteren Energiebilanz von Wasserstoff.
Ich frage mich immer, warum nie jemand über die Kosten des Wasserstoff Stacks und dessen Wartungskosten und Lebensdauer spricht aber das wird wohl seine Gründe haben ;-)
Mark Müller meint
@ PwTh
Die Zeit ist eben auch eine physikalische Grösse: 3 mal 2 Cents ist immer noch weniger als 1 mal 30 Cents.
Die Spezifikationen für die Brennstoffzellen findest Du problemlos auf den Datenblättern der Anbieter. Z.B. bei Symbio.
Eine LKW-Brennstoffzelle hat eine garantierte Lebensdauer von etwa 2 Mio km (bzw. den entsprechenden Betriebsstunden); Tendenz steigend. Bei einem PKW sind die Werte tiefer, aber inzwischen kein relevantes Thema mehr.
Wartung braucht es in dieser Zeit praktisch keine. Einfach gelegentlich ein paar Filter wechseln und die Dichte prüfen.
Die Preise sind, bzw. waren bisher ein Thema. Nachdem nun innert eines Jahres aber etwa ein Dutzend Brennstoffzellen-Fabriken in Produktion gehen (darunter Bosch, Symbio, Cellcentric (Daimler/Volvo), …), wird der Preis mit der industriellen Produktion zuerst mal etwa gedrittelt. Bis 2030 erwartet man dann noch einmal eine Halbierung. Dann wird 30kW-fc/30kW-akku/6kgH2 billiger sein als 120 kWh Batterie.