Daimler Truck tritt in die nächste Entwicklungsphase von Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw ein. Nach Erprobungen auf der Teststrecke und auf öffentlichen Straßen werden die Mercedes-Benz GenH2 Trucks nun zu kundennahen Erprobungen in den täglichen Logistikeinsatz in unterschiedlichen Anwendungen gebracht.
„Die Kunden bekommen auf diese Weise frühzeitig die Möglichkeit, während einer circa einjährigen Erprobungsphase praxisnahe Erfahrungen im Transport mit Brennstoffzellen-Lkw zu sammeln. Auf der anderen Seite gewinnt das Daimler Truck-Entwicklungsteam wertvolle Erkenntnisse aus dem Einsatz der mit Flüssigwasserstoff angetriebenen Lkw unter realen Bedingungen, bekommt die Kundenbedürfnisse zurückgespiegelt und kann diese für die Serienentwicklung bis zum Ende dieses Jahrzehnts berücksichtigen“, heißt es.
Die fünf GenH2 Trucks werden in Deutschland auf spezifischen Routen und in verschiedenen Anwendungsfällen im Fernverkehr eingesetzt, beispielsweise im Transport von Baustoffen, Seecontainern oder auch Flaschengasen. Dabei verbleiben die Fahrzeuge während der kundennahen Erprobung in der Betreuung und Verantwortung des Herstellers. Betankt werden sie an dafür vorgesehenen Flüssigwasserstofftankstellen (sLH2) in Wörth am Rhein (Rheinland-Pfalz) und im Raum Duisburg (Nordrhein-Westfalen).
„Bei der Dekarbonisierung des Transports setzen wir auf batterieelektrische und wasserstoffbasierte Antriebe. Die Transformation kann nur gelingen, wenn grüne Energie ausreichend und flächendeckend verfügbar ist – und dafür brauchen wir beide Technologien. Beim Wasserstoffantrieb machen wir nun einen weiteren wichtigen Schritt in Richtung Serienreife: Wir starten die Erprobung unserer Mercedes-Benz GenH2 Trucks im realen Transportalltag mit unseren Kunden“, so Martin Daum, Vorstandsvorsitzender von Daimler Truck.
„Wichtig ist allerdings: Leistungsfähige CO2-neutrale Fahrzeuge allein werden nicht genügen, um den nachhaltigen Transport zum Erfolg zu führen. Hierfür ist auch eine entsprechende Lade- und Tank-Infrastruktur erforderlich sowie Kostenparität mit konventionellen Fahrzeugen. Politik und Energieunternehmen sind hier zwar schon aktiv, aber wir brauchen dringend noch mehr Momentum, und zwar europaweit!“
Die fünf Sattelzugmaschinen werden von den Kunden über den Erprobungszeitraum hinweg in verschiedenen Fernverkehrsanwendungen genutzt. Amazon wird den GenH2 Truck in seinem Logistiknetzwerk in Deutschland einsetzen, Air Products für den Transport von Flaschengasen, Wiedmann & Winz für Seecontainer, Holcim für Baustofflogistik und Vervaeke, das Logistikunternehmen von Ineos, für den PVC- und Vinyltransport.
Leistungsfähigkeit vergleichbar mit konventionellen Lkw
Die Entwickler von Daimler Truck haben dem GenH2 Truck die Eigenschaften des konventionellen Mercedes-Benz Actros Fernverkehrs-Lkw hinsichtlich Zugkraft, Reichweite und Leistungsfähigkeit zugrunde gelegt. Die Mercedes-Benz GenH2 Trucks, die bei den kundennahen Erprobungen zum Einsatz kommen, bieten 40 Tonnen Zug-Gesamtgewicht bei einer Zuladung von circa 25 Tonnen. Die hohe Zuladung und die große Reichweite werden durch zwei spezielle Flüssigwasserstofftanks sowie ein Brennstoffzellensystem von Cellcentric, dem Joint Venture von Daimler Truck und der Volvo Group, erreicht.
Das Brennstoffzellensystem des GenH2 Truck liefert 300 kW (2 x 150 kW), eine eingebaute Batterie leistet zeitlich begrenzt zusätzlich bis zu 400 kW. Das Speichervermögen der Batterie ist mit 70 kWh vergleichsweise gering, da sie nicht für den Energiebedarf, sondern hauptsächlich zur situativen Leistungsunterstützung der Brennstoffzelle hinzugeschaltet wird. Dies geschieht beispielsweise bei Lastspitzen während der Beschleunigung oder bei voll beladenen Bergauffahrten. Gleichzeitig ermöglicht die vergleichsweise leichte Batterie mehr Zuladung und wird durch Brems- und überschüssige Brennstoffzellenenergie aufgeladen.
Kernelement der Betriebsstrategie von Brennstoffzellen- und Batteriesystem ist ein Kühl- und Heizsystem, das alle Komponenten auf passender Betriebstemperatur hält. Dies ermöglicht laut den Entwicklern eine möglichst hohe Langlebigkeit. Die beiden Elektromotoren sind in einer Vorserienversion auf insgesamt 2 x 230 kW (2 x 313 PS) Dauer- und 2 x 330 kW (449 PS) Maximalleistung ausgelegt. Das Drehmoment liegt bei 2 x 1.577 Nm beziehungsweise 2 x 2.071 Nm.
„Die zwei Flüssigwasserstoff-Edelstahltanks mit einem hohen Fassungsvermögen von je 44 Kilogramm eignen sich sehr gut für weite Distanzen. Das Edelstahl-Tanksystem besteht aus zwei ineinander liegenden Röhren, die miteinander verbunden und vakuumisoliert sind“, erklären die Ingenieure.
Bei der Entwicklung wasserstoffbasierter Antriebe bevorzugt Daimler Truck flüssigen Wasserstoff. Der Energieträger habe in diesem Aggregatzustand im Vergleich zu gasförmigem Wasserstoff eine deutlich höhere Energiedichte. Dadurch könne mehr Wasserstoff transportiert werden, was die Reichweite deutlich erhöhe und in Folge eine vergleichbare Leistungsfähigkeit des Fahrzeugs mit der eines konventionellen Diesel-Lkw ermögliche.
„Der Transportaufwand von Flüssigwasserstoff lässt sich deutlich reduzieren, zudem bieten Flüssigwasserstofftanks gegenüber gasförmigem Druckwasserstoff Vorteile bei Kosten und Gewicht. So ermöglicht der Einsatz von Flüssigwasserstoff unter anderem eine höhere Nutzlast. Damit eignet sich der Mercedes-Benz GenH2 Truck wie herkömmliche Diesel-Lkw für den flexiblen und anspruchsvollen Fernverkehr“, heißt es.
Matthias meint
Bei den LKW, jahrzehntelang praktisch 100% Diesel, ist offenbar „Technologieoffenheit nach allen Richtungen“ angesagt – wobei H2 das Dauer-Schlusslicht ist wie mir scheint. Ob das mit saukaltem liquidem sLH2 anders wird?
Jüngst neben einem Ladepark an der Autobahn unterhalb vom bekannten LPG Autogas auch „Neste My HVO 100“ an der Preissäule gesehen, 24 Cent Aufpreis zu PKW-Diesel, derzeit angeblich nur an acht Tankstellen bundesweit im Angebot.
Ohne von weitem erkennbare Preisangabe, aber sichtlich teuer: eine Art Mini-Raffinerie hat offenbar zwei Zapfsäulen für flüssiges kaltes Erdgas LNG beschickt, wobei an einer getankt wurde. Der LKW sah nicht wirklich neu aus, vermutlich umgerüstet.
Hier zur Info wie das Gas aus Amerika die Pipeline-Lücke schließen soll:
„LNG ist bei extrem niedrigen Temperaturen verflüssigtes Erdgas und zählt zu den kryogenen Flüssigkeiten. Das trifft auch auf Bio-LNG zu. Auch beim Tanken muss die Temperatur von –162 °C gehalten werden, damit der Kraftstoff LNG flüssig bleibt. Der LNG-Tankvorgang ist darum anders als das Tanken von Diesel.
So wird getankt
Der Tankvorgang eines LNG-Lkw dauert nicht länger als die Betankung eines Diesel-Lkw. Der Tankprozess beinhaltet sechs wesentliche Punkte:
Ziehen Sie Ihre persönliche Schutzausrüstung an.
Erden Sie den Kraftstofftank. Insofern kein Erdungspunkt vorhanden sein sollte, befestigen Sie das Erdungskabel an einem unlackierten Metallteil der Tankaufhängung.
Überprüfen Sie den Druck des Fahrzeugtanks. Übersteigt der Druck 10 bar, muss dieser vor der Betankung gesenkt werden. Dies erfolgt durch die Gasrückführung.
Der Tankanschluss sollte bei jedem Tankvorgang gereinigt und getrocknet werden. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass die Verbindung am Tankanschluss festfriert. Prüfen Sie ihn zudem auf Beschädigungen.
Die Kupplung wird gerade auf den LNG-Tankanschluss gesetzt, die beiden Hebel werden langsam runtergedrückt. Nun können Sie den Tankvorgang starten. Dieser dauert 10 bis 15 Minuten.
Wenn der Fahrzeugtank voll ist, wird der Tankvorgang automatisch beendet. Lösen Sie nun die Kupplung und das Erdungskabel.
Im Schulungsvideo zeigt der LNG-Tankstellenbetreiber Liqvis Schritt für Schritt den richtigen Umgang mit den Liqvis-LNG-Tankstellen. Weitere LNG-Tankstellenbetreiber bieten ebenfalls Schulungsmaterialien bzw. Leitfäden an.“
Solariseur meint
Warum nicht Pflanzenöll? 100% CO2 neutral möglich. Wächst nach, gibt guten Honig, sieht schön aus, und bei Unfall kann man es einfach versickern lassen. Herstellung und Lagerung Kinderleicht. Ist das überhaupt Gefahrgut?
Bin es einige Jahre ohne Probleme im Pickup gefahren.
Yoshi meint
Co2-Neutral reicht nicht.
Es muss die Art von Co2-Neutral sein, die den Leuten hier in den Kram passt.
Also batterieelektrischer Lkw oder beim Pkw Kleinstwagen mit 200 km wltp, dafür autonom fahrend.
Alles andere wird über kurz oder lang unser Verderben sein.
Eichhörnchen meint
Step1: Ich baue einen komplett elektrischen LKW mit relativ kleiner Batterie.
Step 2: Variante A, ich baue das ganze Wasserstoff Gedöns dran.
Step 2: Variante B, ich vergrößere einfach die Batterie.
Das ist doch so ein Geld abgreifen, Bevölkerung verunsichern Ding ;-)
Yoshi meint
Gut erkannt, Daimler steckt Milliarden in die Entwicklung des e-Actros und bewirbt ihn offensiv, um die Käufer dann mit einem Wasserstoff-LKW zu verunsichern und vom Kauf eines e-Actros abzuhalten.
Respekt, dass du diesen genialen Schachzug durchschaut hast.
Mark Müller meint
Sie erklären es ja präzise, warum es beide braucht. Ihr wollt es nur nicht glauben.
Stromspender meint
Aha, jetzt also flüssiger Wasserstoff. Um gasförmigen Wasserstoff zu verflüssigen muss bis zum einem Viertel seines Heizwertes an Energie aufgewendet werden (Kühlung auf -253 Grad Celsius). Der Brennstoffzellenantrieb ist eh schon weniger effizient als der batterieelektrische Antrieb.
Trotz Isolierung des Wasserstofftanks dringt ständig ein wenig Wärme ein, die zu einem stetigen Abdampfen (Boil-off) führt. Wenn dies nicht durch eine kontinuierliche Kühlung verhindert werden kann, muss dem Tank ständig eine gewisse Menge Wasserstoff entnommen werden, die unter Umständen nicht verwertbar ist (z. B. in einem stehenden Fahrzeug) und ungefährlich entsorgt werden muss (z. B. durch Verbrennung oder katalytische Oxidation). Der Tank eines Kraftfahrzeugs würde sich auf diese Weise innerhalb einiger Wochen komplett entleeren, da man eine Wärmedämmung nur mit begrenzter Dicke realisieren kann.
Gut, der Lkw wird jetzt nicht tagelang in der Gegend herumstehen. Aber glaubt Mercedes da wirklich an einen erfolg?
M. meint
Ich nehme an, Wissing hat Fördergelder verteilt, die verheizt man jetzt.
Am Ende kommt man – wie bei der Oberleitungsgeschichte – zur Erkenntnis, dass das nichts bringt, auch wenn die Technologie besser (billiger, sicherer) ist als Drucktanks mit 350 oder 700 bar.
Wobei:
Ein paar Spezialanwendungen könnte es geben. Also da, wo der „LKW“ nicht mal eben zur Ladestation fahren kann. Spezialtransporte mit 90 Meter Auflieger, für die alle Ampeln abgebaut werden. Oder ein Mobilkran, der irgendwo gerade ein Brückenteil am Haken hat. Solche Dinge, da ist nix mit „zwischendurch mal laden“.
Da kann man natürlich darüber streiten, ob man nicht gleich bei Diesel bleibt, weil das in der Summe echt egal ist.
Für den 08/15 Fernlaster wird das eher nix. Selbst wenn der LKW weiter kommt, irgendwann braucht der flüssigen Wasserstoff. Da gibt es bisher eine Pilottankstelle (bei Daimler natürlich), sonst nix.
Für den sinnvollen Einsatzbereich sind Tanklaster aber besser, die gibt es tatsächlich.
Yoshi meint
Bzgl. der Fördergelder: das würde ja nur Sinn machen, wenn man zb 100 Mio Förderung erhält und die Entwicklung nur 50 Mio kostet. Wahrscheinlich decken die Fördergelder aber nur einen kleinen Teil der Entwicklungskosten. Wo liegt der Vorteil?
M. meint
Ich habe jetzt leider keine Zahlen vorliegen, was die Förderung einspielt, und das es kostet. Und zum zeitlichen Ablauf, also „ab wann wurde gefördert, was man in den Grundzügen schon 3 jahre vorher hatte“ auch nicht.
Ich weiß nur, dass man bei Mercedes schon 2008 an der Brennstoffzelle geforscht hat, als „elektrisch“ noch eher ein Abenteuer war.
ID.alist meint
Ein Methode ein Gas zu verflüssigen ist diese unter den Siedepunkt bei Umgebungsdruck zu kühlen. Man kann aber auch den Druck erhöhe auf einen Wert über den Dampfdruck bei Umgebungstemperatur.
Dass die Öffnung dann vereist, wenn man den Gas einfach so raus lässt, liegt es daran, dass es sich um eine isentropische Expansion handelt.
MaxMe meint
Der kritische Punkt bei Wasserstoff liegt bei etwa -240 °C.
Egal welcher Druck, wenn der Wasserstoff wärmer ist, dann kann er nicht flüssig sein.
volsor meint
Was kostet den 1 kg Wasserstoff in Flüssiger Form?
Momentanen kostet Wasserstoff 13,85 Euro/kg in Gasform bei 700 bar und der besteht zu
rund 98% aus Erdgas.
M. meint
Der Tankvorgang kostet bei Flüssigwasserstoff fast nichts. Da ist eher die Lagerung das Problem, und die Effektivität der Verflüssigung habe ich auch nicht parat.
Ansonsten kommt es natürlich drauf an, wie der Wasserstoff hergestellt wird. Grüner sind viel sinnvoller, aber auch teurer. 55 kWh pro Kg war mal eine Faustregel. Ohne Verflüssigung, natürlich.