Die AFIR-Richtlinie der Europäischen Union hat den Markt für offene Bezahlsysteme an Ladesäulen aufgestoßen. Erste Ergebnisse zeigen laut den Meinungsforschern von UScale: Sogenannte Ad-hoc-Bezahlmethoden wie Kredit- und Girokarten werden gerne genutzt. Ist das der Anfang vom Ende des vertragsgebundenen Ladens? Ausgemacht ist das noch nicht. In den Ländern gibt es zudem große kulturelle Unterschiede.
Ladekarte, Lade-App, Girokarte oder Smartphone-Wallet: Die Möglichkeiten zum Bezahlen an der Ladesäule sind vielfältig und nehmen weiter zu. Für die Industrie ist die Frage nach den Bezahlmethoden von hoher Bedeutung: Wer den Geldfluss kontrolliert, hat beziehungsweise kontrolliert den Zugang zum Kunden. UScale hat die Vorlieben der Europäer an der Ladesäule untersucht.
Kredit-, Debit- und Girokarten erfreuen sich demnach bei E-Auto-Fahrenden in Europa großer Beliebtheit, um sich an Ladesäulen zu autorisieren und zu bezahlen. Gemittelt über die fünf größten europäischen Märkte Deutschland, England, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande als weiteren wichtigen E-Auto-Markt nutzen 46 Prozent der Elektroauto-Fahrer häufig oder immer die Kredit-, Debit- oder Girokarte an öffentlichen Ladesäulen. 39 Prozent zahlen an der Ladesäule häufig oder immer ad-hoc mit dem Smartphone.
Den Anstoß für die vertragsunabhängigen Formen der Autorisierungs- und Bezahlmethoden hatte die AFIR-Richtlinie gegeben, die seit April 2024 die Möglichkeit zur Kartenzahlung an vielen öffentlichen Ladesäulen in allen EU-Ländern verpflichtend vorschreibt.
Die beliebteste Zahlmethode ist der Umfrage nach weiterhin die Lade-App, die 65 Prozent der befragten E-Auto-Fahrenden häufig oder immer nutzen. In Deutschland hat die Lade-App sogar um 16 Prozent zugelegt. Auf Platz zwei folgt Plug&Charge mit 50 Prozent, auf Platz drei die Ladekarte mit 46 Prozent gleichauf mit der Ad-hoc-Kartenzahlung.
Das Studienfazit: Die vertragsgebundenen Bezahlmethoden (Ladekarte, Lade-App, Plug&Charge) liegen in der Gunst der öffentlich Ladenden weiterhin vorn, die offenen Ad-Hoc-Bezahlmethoden holen aber auf und folgen in geringem Abstand.
Die Analyse der verschiedenen Länder zeigt zum Teil deutliche Unterschiede. So werden Kreditkarten in Spanien und Italien deutlich häufiger genutzt als in den übrigen Ländern und führen auch die Bezahlmethodenliste in diesen beiden Ländern an. Die E-Fahrenden in Großbritannien zahlen am häufigsten mit Plug&Charge, in den Niederlanden hat die Ladekarte die Nase vorn.
Komfort am wichtigsten
Der für die Befragten wichtigste Grund für die Wahl ihrer bevorzugten Autorisierungs- und Bezahlmethode ist der Komfort, wobei sie dies unterschiedlich interpretieren. Nutzer von Open-Loop-Systemen nennen dagegen die Unabhängigkeit von bestimmten Anbietern als wichtigsten Nutzungsgrund.
„Wer wissen möchte, wohin die Reise am Lademarkt geht, sollte die Pain Points der verschiedenen Bezahlmethoden im Blick haben“, erklärt UScale. Bei Smartphone-basierten Methoden spiele zum Beispiel die digitale Verfügbarkeit (Netzabdeckung) und die Ausstattung der Ladesäulen eine Rolle. Dazu komme die preisliche Gestaltung der Ladetarife in Abhängigkeit verschiedener Bezahlmethoden und die Höhe der Roaminggebühren. Die Vielzahl der Aspekte zeige, dass es so schnell kein einheitliches europäisches Verhalten geben werde.
UScale-Chef Axel Sprenger: „Noch ist völlig unklar, ob sich eine Bezahlmethode durchsetzen kann und welche das sein wird. Neben kulturellen Aspekten werden die technische Performance und preislichen Unterschiede zwischen den Angeboten entscheiden. Anbieter von Ladestrom haben es mit der Ausgestaltung ihrer Angebote also in der Hand. Voraussetzung für den Erfolg ist die genaue Kenntnis der Zielgruppe und ihrer Vorlieben.“
Volti meint
Es war einmal der Ladetaler
Vor langer langer Zeit gab es mal den Ladetaler. Das war eine eigene Währung, mit der man Ladestrom an jeder Ladesäule Land auf Land ab bezahlen konnte. Für einen Ladetaler bekam man genau eine Kilowattstunde Ladestrom. Eine Kilowattstunde ist eine physikalische Einheit und überall auf der Welt gleich.
An der Ladesäule wurde nur der Strom in Kilowattstunden angezeigt, man wusste ja, dass für jede Kilowattstunde ein Ladetaler von der Ladetaler Karte (Prinzip einer Geld Karte) abgebucht wurde. Über das Clearing System des Gekdkartensystems wurde dann ein festgelegter Teil dem Ladestationsbetreiber verbucht, der andere Teil dem Stromversorger der Ladesäule.
Einkaufen konnte man den Ladetaler bei jeder Bank, dabei hatte man die Wahl zwischen verschiedenen Stromarten, Grünstrom, Graustrom, Solarstrom, Windstrom, … . Damit wurde die Ladetaler Karte mit der Währung Ladetaler aufgeladen. Das konnte man sogar an jedem EC Automaten machen. Die Konkurrenz zwischen den Stromanbietern sorgte immer für einen günstigen Kurs des Ladetalers.
Doch eines Tages wurde der Ladetaler verboten. Dann kamen Heerscharen von Ladestationsbetreibern und Ladestrom Providern. Jeder machte seine eigene Ladekarte, seine eigene App, seine eigenen Tarife und seine eigenen Roaming Verträge. Und jeder wollte Reibach machen.
Und wenn die E-Autofahrer noch nicht gestorben sind, dann laden sie heute noch umständlich und zu überteuerten Preisen.
eBikerin meint
„Und jeder wollte Reibach machen.“
Wie Firmen wollen Gewinne machen? Also da fällt mir nur ein: Nein – Doch – Ohhh!
KdFQ meint
Selbst Schuld, wenn man zulässt, dass Grundversorgung (Energie, Transport, Post, Gesundheitswesen usw.) in private Hand gibt und glaubt, da was regulieren zu können.
Aber alle behaupten genau zu wissen, wo man sein Kreuz setzen darf und wo nicht.
Quittung nennt man das.
Gernot meint
Natürlich wollen Verbraucher es unkompliziert und flexibel. Sie mussten ja früher mit ihrem Verbrenner auch kein Abo bei Shell abschließen und wenn sie dann ausnahmsweise mal bei Aral getankt haben, wurde das Tanken auch nicht 30% teurer. Man war bei jedem Tankvorgang frei, neu zu entscheiden (Von Bonusprogrammen mit marginalen Incentives mal abgesehen).
Aber Anbieter/Investoren haben ein entgegengesetztes Interesse. Nichts lieben Investoren und Shareholder heute mehr als Abos und Lockin-Effekte. Und mit Abos und Apps gewinnt man so viele Daten über den Kunden, was ggf. weitere Verdienstmöglichkeiten eröffnet. Man fährt/lädt viel: Mit dieser Versicherung können Sie sparen! Man lädt 500 km entfernt vom Heimatort: Möchten Sie dieses Hotel zum Sonderpreis buchen? Auto 5 Jahre alt: Machen Sie jetzt vor Ablauf der Garantie den ATU-Batteriecheck. Usw.
Natürlich ist es wünschenswert, dass man sich den ganzen App-, Abo-, Ladekartenkram sparen kann, Ladesäulen wie Tankstellen ihre aktuellen Preise vor Ort und online publizieren und man dann jeweils entscheidet und per Karte zahlt.
Steffen meint
Kann es sein, dass in Spanien dann der gleiche Tarif gilt auch wenn man mit Kreditkarte zahlt? Wenn das hier auch so wäre (oder ist das so?), dann würde sich Kreditkarte wohl schnell durchsetzen. Ich kann mir nichts einfacheres vorstellen, wenn ich das mit Einkaufen im Laden oder in der Kantine vergleiche. Beep, fertig. Okay, bei größeren Beladungen über 50 € dann eben noch PIN eingeben.
Bär (NL) meint
Wenn ich in Deutschland bin, nutze ich gerne mein EnBW-Abo mit Ladekarte.
Immer noch mein Favorit.
Jetzt bitte noch mehr EnBW-Ladestationen in meinen Urlaubsgebieten Schwarzwald und Fränkische Schweiz installieren! :)
Lanzu meint
Ich persönlich finde die Freischaltung per App sehr unkomfortabel: Es braucht immer mehrere Schritte: Ladestation per App auswählen, freischalten und anstecken. Es kann auch mal haken, da man den richtigen Ladepunkt identifizieren muss, was nicht immer reibungslos ist. Abgesehen von Empfangsproblemen oder Apps, die die Anmeldung vergessen haben, sodass man sich neu anmelden muss (mit heraussuchen des Passwortes, je nach dessen Verwaltung).
Bezahlung per Ladekarte hat das Problem der Preistransparenz. Ich muss anderer Stelle den Preis überprüfen. Bei festen Tarifen kein Problem, aber bei variablen schon.
Adhoc-Bezahlung über ein QR-Code und dann Eingabe der Zahldaten ist auch maximal unkomfortabel und dauert. Abgesehen von Sicherheitsproblemen, wenn der QR-Code nicht auf einem Display ist.
Terminals zur Bezahlung sind (noch) recht selten und sind dem Vernehmen nach für die Betreiber teuer.
Es ist schon ziemlich bescheuert, dass die Elektrifizierung durch die Bezahlung erschwert ist. Ich komme damit zwar gut zurecht, aber das Ganze meinen Eltern zu empfehlen fällt mir schon schwerer.
Mike meint
Zustimmung. Ich lade ausschließlich per RFID-Karte (eine der dreien).
Meiner_Einer meint
Ich habe eine Ladekarte, die halte ich kurz ran und gut. BMW Charging Preise sind seit 15.01 auch wieder deutlich besser geworden. 4,99€ / Monat ist eine fairer Grundgebühr. Das Ionity Paket für 5,99 buche ich wenn ich weiß ich fahre längere Strecken für einen Monat dazu und laden dann bei Ionity für 0,37€ perfekt.
ID.alist meint
In der Hinsicht macht BMW alles richtig.
Besser-BEV-Wisser meint
Das Karten Wirr-Warr und die Ladepreisdschungel ist das aktuell größte Hemmnis der E-Mobilität (zusammen mit der Schmierkampagne einiger Interessensgruppen, Medien und Parteien).
Wäre schön wenn AFIR hier wirklich was bringt. Ende des Jahres wissen wir mehr…
eBikerin meint
„Noch ist völlig unklar, ob sich eine Bezahlmethode durchsetzen kann und welche das sein wird“
Da bin ich mir aber ziemlich sicher: Plug&Charge – warum? Weil es schlicht das komfortabelste ist. Dazu wohl noch Ad-Hoc falls der Preis der hinterlegten Karte sich deutlich von Ad.Hoc unterscheidet.
Wie seht ihr das?
Besser-BEV-Wisser meint
Wenn die Plug&Charge Funktionen im Auto so intelligent werden, das ich unterschiedliche Tarife hinterlegen kann, und mir das Auto automatisch den Günstigsten Tarif wählt beim Anstecken, wäre das klasse.
Dazu die Berücksichtigung der Preise bei der Routen-Lade-Planung. Dann hätten wir es komfortabler als die Verbrenner-Welt.
Mal schauen wer so was als erster ins Auto bringt.
eBikerin meint
Das mit den unterschiedlichen Tarifen ist so viel ich weiss in Planung und wird wohl zeitnah kommen. Ist ja kein Hexenwerk. Automatisch auswählen ist da schon schwerer, aber ich denke dass man zumindest verschiedene Tarife an verschiedene Anbieter binden können wird.
Preise bei der Routenplanung halte ich ehrlich gesagt für etwas sinn befreit.
Das wäre genauso, wie wenn du 20km Umweg fährst um dann für 2 cent billiger zu tanken. Solche Leute solls ja geben.
Besser-BEV-Wisser meint
ja, Umweg fahren ist doof. Aber einen Parkplatz früher oder später rausfahren und 10ct sparen wäre schon Klasse.
E.Korsar meint
Allerdings kann es Dir heute an der Ladesäule passieren, dass Du mal locker 0,40€ pro kWh mehr bezahlst. Da lohnt sich die Routenplanung nach Preisen schon. Meistens ist es ja kein Umweg, sondern man hält nur 20km früher oder später.
Peter meint
„Das mit den unterschiedlichen Tarifen ist so viel ich weiss in Planung und wird wohl zeitnah kommen.“
Hast Du eine Info, bei welchem Hersteller das kommen soll?
eBikerin meint
Gerade nen älteren Artikel hier gefunden – BMW scheint es wohl schon zu haben.
eBikerin meint
Korsar ich denke das dies ein temporäres Phänomen ist und sich in ein paar Jahren erledigt hat. Dann wird es wie bei Tankstellen sein – die Preise in den Regionen werden sich angleichen. Wenn der Ausbau an den Fernstraßen in D tatsächlich dieses Jahr so voran geht wie geplant, dürften wir dies wahrscheinlich schon Ende dieses Jahres sehen.