Die Mehrheit der Deutschen bewertet die Infrastrukturen des Landes zunehmend kritisch, hofft aber auf Fortschritte in der neuen Legislaturperiode. Mehr als zwei Drittel nehmen dafür auch Schulden in Kauf. Dies zeigt der Mobilitätsmonitor 2025, eine repräsentative Allensbach-Umfrage im Auftrag von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften.
Besonders wichtig sind den Deutschen Modernisierungen in zehn Bereichen, von Verkehrsnetzen über Verwaltungsreformen bis hin zur Digitalisierung. Eine Trendwende zeichnet sich beim Interesse an Elektroautos ab – für rund ein Viertel käme heute der Kauf eines Elektroautos in Frage.

Weite Teile der Infrastruktur sehen die Deutschen in einem kritischen Zustand: 71 Prozent bewerten das Schienennetz als schlecht bis sehr schlecht. Auch Bildung, digitale Infrastruktur, kommunale Straßen und das Gesundheitswesen bewerten Mehrheiten negativ. Nur den deutschen Autobahnen bescheinigt noch eine relative Mehrheit (39 %) einen guten oder sehr guten Zustand. Gerade noch sechs Prozent sind überzeugt, dass Deutschland in den vergangenen Jahren ausreichend in Verkehrsinfrastrukturen investiert hat – 81 Prozent sagen: Es wurde zu wenig investiert.
Die Deutschen spüren den Investitionsrückstand besonders bei der Bahn: 42 Prozent der Bevölkerung haben Zugausfälle erlebt – unter regelmäßigen Fahrgästen sind es mehr als zwei Drittel. Sie berichten auch häufig von Verspätungen, verpassten Anschlüssen (56 %) und überfüllten Zügen (49 %). Fast ein Drittel strandete schon, weil öffentliche Verkehrsmittel sie nicht mehr nach Hause brachten. Die größten Probleme sehen Fahrgäste in der Unpünktlichkeit (84 %), dem maroden Schienennetz (65 %), überfüllten Zügen (57 %), schlechten Verbindungen auf dem Land (56 %) und den hohen Ticketpreisen (46 %).
Bürger nehmen höhere Staatsschulden in Kauf
Die Erwartungen der Bürger an die neue Bundesregierung sind klar: 74 Prozent fordern die Sanierung und den Ausbau des Schienennetzes, 57 Prozent dasselbe auch für die Straßen. Dabei ist den Bürgern klar, dass die Modernisierung der Infrastruktur nur vorankommt, wenn Bürokratie abgebaut und die Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Drei Viertel der Bevölkerung halten dies für entscheidend, 63 Prozent wünschen sich auch generell effizientere Ämter und Behörden.
Die Mehrheit akzeptiert zugunsten der Modernisierung der Infrastruktur auch höhere Schulden. 65 Prozent unterstützen in diesem Zusammenhang eine höhere Staatsverschuldung; 57 Prozent sind auch überzeugt, dass die Schuldenbremse für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur reformiert werden sollte.
„Die Daten belegen einen klaren Wandel“, sagt acatech-Präsident Jan Wörner. „Eine große Mehrheit in unserem Land sieht die Modernisierung der Infrastruktur als dringende Aufgabe. Gute Infrastruktur sichert Teilhabe, Wachstum und Wohlstand – und stärkt das Vertrauen in die Verantwortlichen. Die Menschen wissen, dass Geld allein nicht genügt: Sie fordern Strukturreformen, eine effiziente Verwaltung, konsequente Digitalisierung und die Förderung neuer Technologien. Modernisieren statt nur reparieren: Das muss Deutschlands Anspruch sein.“
„Die Infrastruktur rückt in den Vordergrund, weil die Defizite Unternehmen und Bürger zunehmend belasten. Staus, Zugausfälle, marode Brücken und Straßen, rückständige digitale Netze prägen leider den Alltag vieler Menschen“, so Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach und acatech-Senatorin
Höhere Aufgeschlossenheit gegenüber E-Mobilität
Der Mobilitätsmonitor 2025 zeigt, wie stabil die Mobilitätsmuster in der Bevölkerung sind. Das Auto bleibt das meistgenutzte Verkehrsmittel. 73 Prozent der Bevölkerung nutzen es täglich oder mehrmals pro Woche. 37 Prozent nutzen vergleichbar intensiv Fahrräder, knapp jeder Vierte (24 %) Bus oder Bahn. Die überwältigende Mehrheit der Autofahrer kann sich nicht vorstellen, auf ihr Auto zu verzichten (77 %).
Bei den Einstellungen zu Elektroautos zeichnet sich eine Trendwende ab: Erstmals seit 2021 können sich wieder mehr Menschen (23 %) vorstellen, auf ein Elektrofahrzeug umzusteigen – ein deutlicher Anstieg um 6 Prozentpunkte. Die Vorbehalte, die über lange Zeit völlig stabil waren, sind ebenso bemerkenswert gesunken. Zwar empfinden noch sieben von zehn die Anschaffungskosten als zu hoch, im Vorjahr waren es 77 Prozent. Auch Zweifel, ob die Reichweite ausreichend ist, sind von 60 auf 55 Prozent gesunken, ebenso Zweifel an der Umweltbilanz (von 59 auf 50 %) oder Kritik an der Ladeinfrastruktur (von 57 auf 48 %).

„Die Trendwende zur Elektromobilität ermutigt, reicht aber nicht aus und muss verstetigt werden“, so acatech-Präsident Thomas Weber. „Das wachsende und verbesserte Angebot an E-Fahrzeugen weckt bei immer mehr Menschen Interesse, viele Kunden sind jedoch nach wie vor zögerlich. Damit sich Elektromobilität als attraktive Lösung für den Alltag durchsetzt, müssen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik klare Botschaften senden, zukunftsfähige Angebote entwickeln und verlässliche Rahmenbedingungen schaffen.“
Mit steigendem Einkommen und höherem sozialen Status wächst die Bereitschaft, ein Elektroauto zu erwerben. Passend würden viele Menschen ein Elektroauto anschaffen (56 %), wenn es noch günstiger wäre. Im Potenzial (also bei diejenigen, die sich die Anschaffung eines Elektromobils vorstellen können) sind niedrigere Preise sogar für 88 Prozent ein entscheidender Anreiz, darüber hinaus auch steigende Reichweiten, kürzere Ladezeiten, mehr Ladestationen sowie günstigere und einfachere Ladetarife.
Klimaschutz verliert an Priorität
Die internationalen Krisen, wirtschaftliche Stagnation in Deutschland und der hohe Investitionsbedarf haben das Thema Klimawandel teilweise zurückgedrängt. Der Anteil der Bevölkerung, der sich durch den Klimawandel persönlich bedroht fühlt, ist in den letzten zwei Jahren von 45 auf 36 Prozent gesunken.

Die Mehrheit ist jedoch nach wie vor überzeugt, dass der Verkehrssektor zum Klimaschutz beitragen kann, allerdings gehen nur 26 Prozent von einem großen Beitrag aus. Am meisten verspricht sich die Bevölkerung in diesem Zusammenhang von der Förderung des öffentlichen Nahverkehrs, von alternativen Kraftstoffen und dem verstärkten Einsatz schadstoffarmer Antriebssysteme. 55 Prozent setzen auch auf technologischen Fortschritt als Motor von besserem Klimaschutz.
Über den Klimaschutz hinaus ist die große Mehrheit überzeugt, dass Innovationen zu erheblichen Verbesserungen im Verkehrssektor beitragen können, etwa zu einer besseren Zuverlässigkeit im Zugverkehr, einer besseren Verkehrssteuerung und einer besseren Verknüpfung der verschiedenen Verkehrsmittel.
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