Was müsste das Automobil der Zukunft können? „Sich bei Parkplatznot zusammenfalten“, „mir Mails vorlesen“, „herkommen, wenn ich pfeife“, „für kurze, konstante, sich wiederholende Strecken lernfähig sein und diese ohne Fahrer bewältigen“, „für jeden verfügbar sein, der es braucht – so wie Regenschirme in Tokio“, „Interessant wäre der Ansatz eines erweiterbaren Autos: im Alltag als Zweisitzer und für den Familienurlaub dann als Vier- oder sogar Sechssitzer“.
Das sind nur ein paar der mehr als 5000 Reaktionen, die das Zeit Magazin auf einen im August veröffentlichten Aufruf erhielt. Das Magazin hatte seine Leser gefragt, wie sie sich das ideale Auto der Zukunft vorstellen. Was müsste es können? Worauf ließe sich in Zeiten von Klimawandel und sich verknappender Ressourcen verzichten: auf Komfort? Reichweite? Geschwindigkeit? Wie könnte so ein Auto aussehen? Und wie wird es angetrieben?
Mit den Fragen einher ging ein ungewöhnliches Versprechen an die Teilnehmer: Anhand ihrer Antworten würden Lutz Fügener, Professor für Transportation-Design, und seine Studenten an der Hochschule Pforzheim ein „Mobil der Zukunft“ entwerfen. Die nun veröffentlichten Umfrageergebnisse sind spannend, kommen sie doch von einem ganz speziellen Publikum, wie Zeit Online schreibt:
Die Umfrage des Zeit Magazins traf auf ein Publikum, das die Autokonzerne trotz Marktforschung kaum mehr erreichen. Auf Menschen, deren Interesse die Hersteller zu verlieren drohen. Oder schon verloren haben, weil diese sich als eher postmaterialistisch und nonkonformistisch empfinden, sagt Fügener. Der Verlust dieser Klientel werde noch größer dadurch, dass genau diese Menschen in ihrem Umfeld meist Meinungsführer seien.
Männer mögen Auto fahren, Frauen mögen ihr Auto
Im Einzelnen hat die Umfragen ergeben, dass Männer lieber Auto fahren als Frauen. Dafür mögen Frauen ihre Wagen mehr, als Männer das tun. Jüngere Menschen wollen ihr Auto viel lieber teilen und haben mehrheitlich sogar ein schlechtes Gewissen beim Autofahren, ältere nicht. Zwei Drittel der Befragten sind für ein Tempolimit auf Autobahnen, 13 Prozent – in Großstädten sogar 21 Prozent – nutzen Carsharing und mehr als die Hälfte der Befragten kann sich sogar ein Leben ohne Auto vorstellen.
Mit besonderem Interesse nehmen wir die durchschnittliche gefahrene Strecke pro Woche zur Kenntnis. Diese liegt bei Städtern bei gerade einmal 100 Kilometern pro Woche, bei Landbewohnern immerhin bei 240 Kilometern. Womit das Contra-Argument ‚Mangelnde Reichweite‘ von Elektroautos einmal mehr entkräftet wäre. Städter müssen ihr Elektroauto durchschnittlich also nur einmal die Woche laden. Wer auf dem Land wohnt, muss seinen Stromer nur zweimal die Woche ans Kabel hängen.
Bei den Antrieben gehen sogar 39 Prozent davon aus, dass das Mobil der Zukunft ein Elektroauto ist, 24 Prozent wünschen sich ein Hybridauto. Am Verbrenner halten nur 5 Prozent der Umfrageteilnehmer fest.
Wunsch nach weniger
Insgesamt liest sich aus den Antworten ein ziemlich eindeutiger Wunsch nach weniger heraus: „weniger Wucht, weniger Verbrauch, weniger Geschwindigkeit, weniger Elektronik“, schreibt das Magazin. Ein Wink mit dem Zaunpfahl an deutsche Premiumhersteller, die vor allem wegen ihrer großen Luxuskarossen strenge CO2-Grenzwerte fürchten.
Vom Mobil der Zukunft wünschen sich die 5299 Umfrageteilnehmer vor allem mehr Funktionalität: zum Beispiel die Möglichkeit, ein Auto nach Bedarf vergrößern oder verkleinern zu können.
Fügener und die Redaktion des Zeit Magazins haben aufgrund der Vielfalt der Ergebnisse beschlossen, nicht nur ein Mobil der Zukunft zu entwerfen, sondern gleich fünf:
„Ein Auto, das sich besonders gut für Carsharing eignet; ein modulares Mobil, dessen Größe sich verändern lässt; ein Auto, das sich im Parkmodus verkleinert; ein Auto, das von alleine fährt; ein nicht revolutionäres, sondern evolutionäres Auto, das den aktuellen Modellen ähnelt, aber dem Wunsch nach weniger Aggressivität und mehr Zurückhaltung entspricht.“
Die Designer in Pforzheim sind schon an der Arbeit. Sie zeichnen Skizzen, mehrere Tausend „von vernünftig bis verrückt“, sagt Fügener. „Am Anfang geht es darum, in die Breite zu entwerfen, da ist alles erlaubt.“ Ab 19. November werden einige Skizzen auf Zeit Online zu sehen sein, worauf die Phase der „kritischen Analyse“ beginnt: Was ist zu utopisch, was zu konventionell? Was ließe sich bauen? Am Ende der Aktion, am 30. Januar 2014, wird das Zeit Magazin maximal drei fotorealistische Entwürfe pro Zielrichtung veröffentlichen.