Verkehrsminister Alexander Dobrindt rühmte das Elektromobilitätsgesetz jüngst damit, dass es Schnellladesäulen an allen Autobahnraststätten vorsehe. “Künftig soll es möglich sein, mit einem Elektrofahrzeug von der Nordsee bis an die Zugspitze zu fahren”, sagte Dobrindt stolz.
Nunja.
Von Flensburg nach Füssen ist Elektroauto-Pionier Werner Hillebrand-Hansen schon im Oktober 2013 gefahren. Er war auf den mehr als 1000 Kilometern mit einem Renault ZOE unterwegs und bietet dem Verkehrsminister nun in einem offenen Brief Nachhilfestunden in Sachen Elektromobilität an. Gleichzeitig gibt Hillebrand-Hansen Anregungen, wie man der neuen Technik wichtige Anschubhilfen leisten könnte. Neben der konstruktiven Kritik hat der Elektro-Vorreiter aber auch einige lobende Worte für die Bemühungen der Regierung.
Sehr geehrter Herr Dobrindt,
vielen Dank für Ihre Initiative, Schnellladesäulen an allen Deutschen Autobahnraststätten bis 2017 zu installieren. Besonders begrüßenswert ist der griffige Slogan, dass die Fahrt von Flensburg bis zur Zugspitze damit ermöglicht werden soll. Ich habe diese Fahrt bereits im Oktober 2013 mit dem Renault ZOE von Flensburg nach Füssen über insgesamt 1054 Kilometer in 24 Stunden 100 Prozent elektrisch gemacht. Gerne lade ich Sie ein, diese Fahrt nochmals zusammen durchzuführen. Das ist, wie ich finde, eine sehr gute Möglichkeit eMobilität und die aktuelle Situation der Ladeinfrastruktur in Deutschland praxisnah zu erschließen.
Aufbau der Schnellladeinfrastruktur ist kurzfristig geboten
Nach dem „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ – Ziel eine Million Elektroautos bis 2020 – wird von 2011-2016 der Markthochlauf und von 2017-2020 der Volumenmarkt stattfinden. Schon aufgrund dieser Planung sollte das flächendeckende Schnellladenetz mindestens bis 2016 stehen und nicht erst 2017. Sieht man die Aktivitäten des Fahrzeugherstellers Tesla mit dem Aufbau des Supercharger-Netzwerkes in Europa, so ergeben sich folgende Schlüsse. Zur erfolgreichen Einführung von Elektrofahrzeugen ist der zeitgleiche Aufbau von Schnelllade-Infrastruktur notwendig. Der Aufbau des ersten flächendeckenden Netzwerkes kann in weniger als zwölf Monaten erfolgen. Bitte setzen Sie sich dafür ein, den Ausbau in Deutschland zu beschleunigen.
Schnellladung sollte barrierefrei sein
Eine Schnellladeinfrastruktur, die maßgeblich mit Steuergeldern finanziert wird, müsste auch für den Großteil der steuerzahlenden eMobilfahrer nutzbar sein. Mit der einseitigen Festlegung auf den Combined Charging Standard CCS und den Ausschluss des CHAdeMO Standards von der Förderung im SLAM-Projekt wird gerade der barrierefreie Zugang verhindert. Immerhin hat sich der CHAdeMo Standard weltweit etabliert und er ist in den Europäischen Nachbarländern das Schnellladesystem, das am meisten verbreitet und genutzt wird.
Elektromobilität erleben!
Mit der www.eRUDA.de veranstalte ich die größte eMobilfahrt Deutschlands, die im Jahr 2014 die eMobilität mit 165 teilnehmenden Fahrzeugen erlebbar machte. Auch 2015 wird die eRUDA wieder in Ihrer Heimat Weilheim zur Veranstaltung „Weilheim eMOBIL“ zu Gast sein. Ich möchte Sie sehr herzlich einladen, bei dieser Gelegenheit mit den Elektromobilfahrern in Kontakt zu treten.
Mit der www.eTourEurope.eu findet im Mai 2015 über 4000 Kilometer zum zweiten Mal die 100 Prozent elektrische Fahrt in neun Tagen in neun europäische Hauptstädte statt. Mit der Aktion „1000 EV’s in motion!“ findet die größte eMobilbewegung Europas statt. Durch die eTourEurope wird neben der Leistungsfähigkeit der aktuellen Elektroautos vor allem der Stand der Schnellladeinfrastruktur in den Ländern gezeigt, die die Rallye durchfährt. Einige unserer Nachbarländer haben diesbezüglich derzeit bereits erheblichen Vorsprung. Ich habe ein breites Netzwerk an eMobilnutzern: Gerne lade ich Sie auch hier zur Diskussion mit den Teilnehmern und Elektroautofahrern bei unserem eMeetingpoint in Berlin am 14.05.2015 ein.
An dieser Stelle möchte ich mich aber trotz der oben stehenden Anregungen für Ihr Engagement zur eMobilität bedanken. Eine Beschleunigung des derzeitigen Markthochlaufes ist überaus notwendig. Denn die Zeit ist reif für die eMobilität: Attraktive und leistungsfähige Elektroautos sind auf dem Markt, der Ausbau der Ladeinfrastruktur wird dringend benötigt, um weitere Verbraucher zu gewinnen. Der Weg zum deutschen Leitmarkt der eMobilität ist für uns als Industriestandort ohne Alternative und bei den richtigen und rechtzeitigen Weichenstellungen erreichbar. Sehr geehrter Herr Dobrindt, helfen Sie dem Markt von der Bremse und geben Sie Strom!
Mit freundlichen Grüßen,
Werner Hillebrand-Hansen
Geschäftsführer eProjekt