Die in Stuttgart bei einem Feldversuch eingesetzten Elektrotaxis haben zwischen September 2014 und Februar 2015 mehr als 5000 Kundenfahrten absolviert und dabei 24.600 Kilometer zurückgelegt. Inklusive Betriebsfahrten waren die Fahrzeuge sogar fast 50.000 Kilometer unterwegs, so ein erster Zwischenstand der am Projekt „GuEST – Gemeinschaftsprojekt Nutzungsuntersuchungen von Elektrotaxis in Stuttgart“ beteiligten Partner. Das Projekt, bei dem vier Mercedes-Benz B-Klasse Electric Drive (Norm-Reichweite knapp 200 km) sowie ein Vito e-Cell als Taxis in Stuttgart unterwegs sind, läuft noch bis Ende dieses Jahres.
Insgesamt waren die Elektroauto-Taxis 4560 Stunden in Betrieb. Davon waren sie etwa ein Viertel der Zeit (1100 Stunden) mit Fahrgästen unterwegs, so die Analyse des Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS). „Erfreulich ist, dass es immer wieder möglich ist, auch längere Fahrten mit dem Elektrotaxi wie vom Kunden gewünscht umzusetzen – auch in die umliegenden Landkreise Esslingen, Böblingen, Göppingen, Ludwigsburg und den Rems-Murr-Kreis“, sagt Manfred Hülsmann, Vorstandsmitglied der Taxi-Auto-Zentrale Stuttgart eG.
Positive Rückmeldungen von den Fahrgästen
Die Rückmeldungen der Kunden sind überwiegend positiv, so eine erste Auswertung der Befragungen durch das Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (Zirius). „Die meisten Fahrgäste äußern sich spontan positiv über das Thema Elektromobilität und begrüßen das Elektrotaxi“, so Zirius-Direktor Prof. Ortwin Renn. „Über 90 Prozent der Kunden äußern sich ausgeprägt zufrieden mit ihrer Fahrt, fast 70 Prozent sind bereit, anderen von ihren Erlebnissen im Elektrotaxi zu berichten“, ergänzt Dr. Rüdiger Goldschmidt, der das Projekt von Zirius leitet und auswertet.
Wie aus anderen sozialwissenschaftlichen Studien bekannt, sinkt die Bereitschaft zu bestimmten Handlungen, sobald diese mehr Einsatz erfordern – etwa sich bei Bedarf wieder gezielt ein Elektrotaxi zu rufen (41,8 %), aktiv dafür zu werben (40,3 %) oder sich aktiv mit der Elektromobilität auseinanderzusetzen und nach Informationen zu suchen (35,0 %). Immerhin signalisiert mehr als ein Fünftel der Fahrgäste (22,4 %), durch die Fahrt motiviert worden zu sein, den Kauf eines Elektrofahrzeugs ernsthaft zu bedenken.
„Unsere Forschungsergebnisse zeigen insgesamt, dass mit einer einzigen Taxifahrt vergleichsweise starke Impulse ausgelöst werden“, fasst Prof. Renn zusammen. „Allerdings müssen diese Impulse weiter verstärkt werden, wenn man nachhaltige Effekte erzielen möchte.“
Auch die Einstellung derjenigen, die noch nicht mit einem Elektrotaxi gefahren sind, ist für die Untersuchungen zur Akzeptanz wichtig. Deshalb hat Zirius extra für sie eine Online-Befragung freigeschaltet. Unter www.etaxi-ja-nein.de werden Meinungen zur Rolle der Elektromobilität im zukünftigen Verkehrssystem Stuttgarts und Deutschlands abgefragt – unter anderem, wann jemand gezielt ein Elektrotaxi nutzen würde, oder wann und warum nicht.
Taxiunternehmer spüren Grenzen
Die beteiligten Taxiunternehmer und -fahrer sind im Großen und Ganzen mit den Elektrotaxis zufrieden, so die Rückmeldungen. Gleichzeitig zeigt das Projekt aber auch die Grenzen der bisher verfügbaren Technik. „Für uns als Taxiunternehmer sind die aktuellen Ladezeiten und Reichweiten im Betriebsalltag noch problematisch“, erklärt Günther Mannschreck, einer der vier beteiligten Unternehmer. „Unter anderem ist deshalb aktuell ein echter Mehrschichtbetrieb, wie er mit Diesel-Fahrzeugen üblich ist, mit der jetzigen Flotte der Elektrotaxis noch nicht umsetzbar. Wenn die technische Entwicklung mit Blick auf die Batterie- und Ladetechnologie aber weiter voranschreitet, könnte die Elektromobilität ihre Vorzüge im Taxibetrieb in Zukunft noch besser ausspielen.“
Die Erfahrungen im Projekt „GuEST“ zeigen, dass Taxiunternehmer nach dem jetzigen Stand der Technik zwischen Reichweite und Anschaffungspreis abwägen müssen. Eine wichtige Rolle als Erfolgsfaktor könnte auch hier die technische Innovation spielen, wenn leistungsstarke Elektrofahrzeuge in Zukunft zum günstigeren Preis zu haben sind, so die Einschätzung der Projektpartner. Eine wichtige Rolle wird auch die zukünftige Entwicklung der Strompreise spielen.
Entscheidend für den Erfolg von Elektrotaxis werden aus Sicht des Konsortiums aber nicht allein die Fahrzeuge, sondern das gesamte Umfeld sein. Zur Etablierung von Elektromobilität muss ihrer Meinung nach integrativ gedacht und gehandelt werden, um die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Projektverantwortlichen unterstreichen die Bedeutung der engen Zusammenarbeit von Taxiunternehmern, Taxizentrale, Fahrzeugherstellern, Stromversorgern, der Stadt, der Region und, wo nötig, weiteren Beteiligten.
Auch dafür, wie eine solche Zusammenarbeit idealer Weise aussehen sollte, will das Projekt bis zum Abschluss konkrete Empfehlungen erarbeiten.
Bisher keine Auffälligkeiten bei Untersuchung der Fahrzeuge
Im Rahmen der regelmäßigen Untersuchungen der Fahrzeuge durch Dekra-Experten konnten bisher keine Mängel an den Hochvolt-Komponenten der Fahrzeuge festgestellt werden. „Die Untersuchung der verschleißrelevanten Baugruppen hat in den ersten Monaten an den noch neuen Fahrzeugen keine besonderen Auffälligkeiten gezeigt. Hierfür werden die weiteren Untersuchungen in der Laufzeit des Projekts aufschlussreicher sein“, so Dr. Gerd Neumann, in der Geschäftsführung der Dekra Automobil GmbH verantwortlich für das Prüfwesen.
Parallel zum Taxibetrieb werden alle Fahrzeuge über die gesamte Einsatzzeit alle drei Monate vertieft untersucht, spätestens nach 15.000 Kilometern. Ziel ist, besondere Belastungen der Fahrzeuge zu erkennen. „Eine Besonderheit ist, dass diese Fahrzeuge gegenüber anderen Untersuchungen in sehr kurzer Zeit für Elektrofahrzeuge hohe Laufleistungen haben, so dass insbesondere Verschleißthemen im realitätsnahen Betrieb betrachtet werden können“, so Dr. Neumann. Besonderer Schwerpunkt der Untersuchungen sind die sicherheitsrelevanten Bauteile wie Bremsen, Reifen und Fahrwerk sowie die Hochvolt-Elektrik.
Über das Projekt „GuEST“
An dem Forschungsvorhaben „GuEST (Gemeinschaftsprojekt Nutzungsuntersuchungen von Elektrotaxis in Stuttgart)“ sind das Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung (Zirius) der Universität Stuttgart, das mit der Universität Stuttgart verbundene Forschungsinstitut für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart -FKFS-, die Taxi-Auto-Zentrale Stuttgart eG, die Dekra Automobil GmbH, die Robert Bosch GmbH und als assoziierter Partner die Daimler AG beteiligt.
Das Projekt soll ein Geschäftsmodell für den Einsatz von Elektrofahrzeugen im Taxiverkehr entwickeln und die Akzeptanz der Elektromobilität bei Taxiunternehmern, -fahrern sowie ihren Fahrgästen untersuchen und steigern.
Das Projekt „GuEST“ läuft bis zum Ende des Jahres 2015 und ist eines von rund 40 Projekten im baden-württembergischen Schaufenster Elektromobilität LivingLab BW e-mobil. Es wird mit rund 1,12 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) federführend gefördert.
ich meint
An wen muss ich mich wegen der schlechten Autoauswahl für das Projekt wenden?
Tom meint
“Für uns als Taxiunternehmer sind die aktuellen Ladezeiten und Reichweiten im Betriebsalltag noch problematisch”
– kein Wunder, wenn man diesen Versuch mit einer B-Klasse ED und 11kW Lader macht. Das Model S wäre für den Taxi-Betrieb ideal: Hohe Reichweite, bei Bedarf (wenn in der Nähe) Supercharger, optional 22kW Lader (in den immer wieder vorkommenden Standzeiten kann die Reichweite immer wieder getoppt werden), ständige Klimatisierung kein Problem, niedrige laufende Kosten… aber in Stuttgart geht das natürlich gar nicht. :/
Artmann meint
Ich hätte gerne an euerer Umfrage etaxi-ja-nein teilgenommen, aber leider bei anklicken des links erscheint eine Fehlermeldung mit diese Seite kann nicht gefunden werden!
ecomento.de meint
Danke für den Hinweis, der Link funktioniert jetzt wieder!
VG
TL | ecomento.de
Ad van der Meer meint
Es ist ein Witz ein Elektrofahrzeug ohne Schnellladefunktionalitaet zu benutzen. Ein Tesla Model S war nicht notwendig gewesen, aber Leaf oder ein Kia Soul wäre gewesen.
ich meint
@Ad van der Meer
um Gottes Willen, dass kann man unmöglich machen. Am Ende setzt sich die Elektromobilität in Deutschland doch noch durch! : D