Chemie-Professor Martin Winter leitet das Institut MEET (Münster Electrochemical Energy Technology) der Universität Münster. In einem Interview hat er sich ausführlich zum Stand der Elektromobilität und Batterie-Technologie geäußert.
Dass bei den im Kern von Elektroauto-Batterien verbauten Zellen asiatische Unternehmen den Markt beherrschen, liegt laut Winter daran, dass die deutsche Automobilindustrie noch in Wartestellung ist. „Alle warten immer noch auf einen Technologiesprung, um den Standort Deutschland bei Batteriezellen an die internationale Spitze zu führen. Daran hat sich in den vergangenen zehn Jahren nichts geändert“, so der Professor im Gespräch mit Süddeutsche.de.
Viele Fachleute glauben, dass die in China und Südkorea angesiedelten Branchenführer bei der Produktion aktueller Batteriezell-Technologie bereits uneinholbar sind. Für Winter führt an einer eigenen deutschen oder europäischen Fertigung mittelfristig dennoch kein Weg vorbei. „Was ist die Alternative? Wollen wir uns komplett auf Asien als Zulieferer für Zellen verlassen?“, fragte der Elektrochemiker im SZ-Interview.
Winter glaubt, dass die deutschen Autobauer in Zukunft Probleme haben könnten, ihre Vorstellungen bei Preisverhandlungen und der gelieferten Technologie durchzusetzen. „Da muss man eben nehmen, was im Regal steht“, gibt er zu bedenken. Man müsse sich insgesamt fragen, „welchen Preis die Hersteller langfristig für den Verzicht auf geografisch nahe liegende Kompetenz bezahlen werden“. Bei Batteriezellen würden Zulieferer „immer mehr in die Rolle des Monopolisten“ kommen, warnte Winter.
Für die aktuell in Elektroautos eingesetzten Lithium-Ionen-Akkus sieht Winter weiter großes Potenzial – er sagt voraus: „2025 sind 70, 80 oder sogar 100 Prozent mehr Reichweite drin als momentan.“ Den Serieneinsatz von Festkörper-Batterien, die mehr Reichweite, Sicherheit und schnellere Ladezeiten zu günstigeren Preisen versprechen, sieht er skeptisch. „Vielleicht bin ich zu sehr Realist“, so der Professor, „aber ich glaube, Feststoffbatterien werden ein Forschungsthema für die nächsten zehn bis 15 Jahre sein.“
Jürgen Baumann meint
Diese Faustregel mag zwar ein Einzelfall nicht ganz korrekt sein, aber man kann sie sich gut merken. Bei den Autoakkus sieht die Entwicklung der letzten Jahre so aus: +1% mehr Kapazität, +1% mehr Zyklusstabilität, -1% weniger Gewicht, -1% weniger Kosten.
Pro Monat!
midget meint
Was billiger herzustellen ist muss nicht unbedingt billiger verkauft werden…
Was ist, wenn die Nachfrage stärker als das Angebot steigt?
Michael meint
Die Anfrage steigt ja deutlich über das Angebot hinaus. Ist im Moment so. Lieferzeiten für Elektrofahrzeuge von 1 Jahr sind nicht ungewöhnlich. Leider.
RaiLan meint
Dazu braucht man kein Professor zu sein…
Schon in der Vergangenheit stieg die Kapazität von Akkus bei gleicher Baugröße jährlich um ca. 10%.
Leotronic meint
Manche altgestandenen Autobosse glauben an die Wiedererstehung und Glorie des Verbrenners. Im Stillen glauben sie an eine elektrische Blase. Das kann fuer uns eine teuere Fehlspekulation werden. Die Elektromobilitaet ist nicht mehr aufzuhalten. Tesla geht nicht Pleite. Das wird vielen sehr wehtun. Der Kater wird kommen.
Prof. Eich meint
Richtig. Die Alteingesessenen dachten das E-Autos ein “Hype“ sind und mit der Pleite von Tesla wieder aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden werden. Das war eine fatale Fehlkalkulation.
Michael meint
Und heute gibt es den Dieselskandal, Fahrverbote und teure Benzinpreise. Ignoranz hat seinen Preis.
Das E-Auto ist kein Hype sondern vorläufig die Lösung. Brennstoffzelle ist eine gute Idee aber 1 kg Wasserstoff für 9,50 € oder 100 km ist teuer und keine Alternative.
Peter W. meint
Vielleicht sollte man dem Fachmann glauben. Wenn Festkörperakkus noch mehr als 10 Jahre Forschung brauchen, dann wäre es fatal für die Autobauer nochmal 15 Jahre zu warten bis man selbst aktiv wird in Sachen Zellenherstellung. Ich glaube übrigens nicht, dass es nicht möglich ist den Vorsprung der Akkuproduzenten einzuholen. Vor 30 jahren wurde ein japanisches Auto noch belächelt, und man hielt den Vorsprung der Erfinder für uneinholbar.
Die Entwicklung der Zellen schreitet voran, und deutsche Forscher sind vorne mit dabei. Neue Entwicklungen in eine Massenproduktion umzusetzen sollte auch für Neueinsteiger möglich und erstrebenswert sein.
Man hat aber leider den Eindruck, dass die Autoindustrie darauf wartet, dass man ihnen einen neuen Akku auf dem Silbertablett serviert, und sie dann eine Fabrik oder, noch einfacher, einen erpressbaren Zulieferer aus dem Ärmel schütteln können. Es sind ja auch Firmen wie Bosch und Siemens, die nicht bereit sind die Herausforderung anzugehen.
Der Statistiker meint
Grundsätzliche Zustimmung. Nur bei Siemens stimmt das nicht mehr ganz:
https://ecomento.de/2018/05/28/siemens-investiert-in-groesste-batteriezellfabrik-in-europa/
Wobei 10Mio „Zuschuss“ natürlich fast einer Alibi-Aktion gleich kommt…
Thomas R. meint
Das Problem ist, wie ja auch der Prof sagt, bei der aktuellen Technologie sind die Streichhölzer verteilt. Wir haben nicht mal einen kurzen – wir haben gar keinen!
Deswegen sollte man an neuen Batterien forschen und sich zeitgleich von Li und Co unabhängig machen. Das wird aber sehr wahrscheinlich noch sehr lange dauern und wenn man dann noch liest was in der aktuellen Technik drin ist kann einem Angst und bange werden..
Stocki meint
Da geb ich dir recht, wenn du damit meinst, dass die deutsche Autoindustrie mit ihrem Verhalten bald von der internationalen Bühne abgemeldet sein könnte. Das kann niemand wollen. Zumindest bei VW hab ich aber den Eindruck, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt haben. Es gibt also Grund zur Hoffnung :)
Ich steh zwar auf Tesla, aber wenn in Zukunft alle nur noch Tesla fahren würden, wär das auch irgendwie langweilig.
150kW meint
„Man hat aber leider den Eindruck, dass die Autoindustrie darauf wartet, dass man ihnen einen neuen Akku auf dem Silbertablett serviert…“
Nenn mir einen deutschen Hersteller der keine Akku-Forschung betreibt.
„…und sie dann eine Fabrik oder, noch einfacher, einen erpressbaren Zulieferer aus dem Ärmel schütteln können.“
LG und Samsung haben ihre Fabriken hier in Europa aufgebaut. Die „erpressbaren Zulieferer“ haben in das Spiel also schon längst „eingewilligt“.
Swissli meint
Kürzlich las ich einen Vergleich bei TV bzgl. OLED/LED(LCD). Bis heute hat OLED die LED Technologie nicht wirklich abgelöst aus 2 Gründen: der Preiszerfall bei LED war grösser als bei OLED und die LED Technologie wurde gleichzeitig weiter verbessert.
Bei Festkörperakkus könnte ich mir einen ähnlichen Verlauf vorstellen: die aktuelle Zelltechnologie wird massiv günstiger und gleichzeitig besser, sodass Festkörperakkus in einer künftigen Markteinführung nicht wettbewerbsfähig sein werden. Aber vor Festkörperakkus wirds wohl eher bei Zellzusammensetzung („Chemie“) grosse Fortschritte geben, in welcher Zellform dies umgesetzt wird, ist eigentlich irrelevant.
Und wie RaiLan schon geschrieben hat: wenn die Zellkosten 1% pro Monat sinken, kann man sich die nächsten Jahre die Kosten von Akkus/E-Autos ausrechnen.
Thomas R. meint
Sehe ich ähnlich. Für normale PKWs könnte das irrelevant werden. Für Rennwagen oder LKW oder FLugzeuge oder so vielleicht. Das wird man sehen.
Uwe meint
Winter Fachmann für Festkörper-Batterien?
Von manchen Journalisten wird vorsätzlich jedem eine Meinung zu allem abverlangt, um wieder irgendeinen „Head-Liner“ für die Verbrenner-Anzeigen-Kunden zu kreieren.