Deutsche Autokonzerne warnen davor, dass zu strenge Klimaziele eine erfolgreiche Zukunft der Branche und Tausende Arbeitsplätze hierzulande gefährden. Die EU will die CO2-Vorgaben für das nächste Jahrzehnt trotzdem deutlich verschärfen. Eine neue Studie beleuchtet, was eine Krise der Autoindustrie für die deutsche Wirtschaft bedeuten würde.
Der aktuelle Deutschland-Report des Schweizer Beratungs- und Prognose-Instituts Prognos beschäftigt sich mit zentralen Störfaktoren für die Entwicklung der Wirtschaft in Deutschland und weltweit. Neben Verwerfungen im globalen Handel und Folgen der Erderwärmung gehören dazu auch ein möglicher Niedergang der Autoindustrie in Deutschland.
„Das Szenario analysiert die Konsequenzen, die entstehen, wenn Verantwortliche in der Autoindustrie die absehbaren Strukturveränderungen verpassen und dadurch im Wettbewerb ins Hintertreffen geraten“, so Studienleiter Oliver Ehrentraut im Gespräch mit dem Spiegel. Die Analyse ist also vergleichbar mit Stresstests von Banken und Versicherungen, mit denen diese sich für Krisen rüsten.
Nach dem Prognos-Szenario würden die hiesigen Autohersteller bis 2045 rund 40 Prozent ihrer Umsätze verlieren, ungefähr 260.000 Arbeitsplätze gingen verloren. Von dieser Entwicklung würden auch die anderen Industriezweige in Mitleidenschaft gezogen – aber wohl weniger stark, als von vielen befürchtet. Die Wertschöpfung außerhalb der Autobranche würde um 15 Milliarden Euro sinken, also gerade einmal 2,2 Prozent im Vergleich zu einem Szenario ohne Autopleiten. Die Zahl der Arbeitsplätze würde sich in diesen Bereichen um 70.000 verringern (-1,3 Prozent).
Auch mit den Autobauern eng verbundene Bereiche wie der Autohandel und Werkstätten wären den Berechnungen von Prognos nach nur ähnlich stark betroffen wie der Rest der Industrie – nicht zuletzt, da vermehrt ausländische Anbieter den Markt bedienen würden. In der Summe würde die Volkswirtschaft den Schweizer Ökonomen zufolge rund 4,6 Prozent ihrer Wertschöpfung und rund 740.000 Arbeitsplätze verlieren.
Dass es gar nicht erst zu einer existenziellen Krise kommt, hat die deutsche Autoindustrie selbst in der Hand: Das von Prognos erstellte Szenario ließe sich verhindern, wenn die veränderten Rahmenbedingungen rechtzeitig in die strategischen Planungen der Unternehmen einbezogen werden. Neben der steigenden Bedeutung von alternativen Antrieben gehören dazu laut den Forschern der Wandel der Mobilität hin zu geteilten Fahrzeugen sowie die zunehmende Digitalisierung des Transportsektors.
Thrawn meint
Ich sagte das bereits schon hier im Forum und sehe meine Meinung bisher nicht widerlegt:
Unsere Autobranche ist eine enorm arrogante Wichtigtuerbranche, die meint, sich nicht an Gesetze halten zu müssen und den Staat gerne einmal mit Arbeitsplätzen erpresst, beim Steuerzahlen aber eher sparsam ist. Nun plärrt man nach Mama Staat, wenn’s mal nicht so läuft.
Schon manch ein Wichtigtuer, der meinte, ohne ihn würde die Welt untergehen, musste aber lernen, dass es kaum eine merkte, als er dann tatsächlich nicht mehr da war.
Ende diesen Jahres schließt die letzte Steinkohlezeche in Deutschland. In den Sechzigern des letzten Jahrhunderts gab es im Steinkohlebergbau in Westdeutschland ca. 2,5 Mio Beschäftigte. Auch das war so eine Wichtigtuerbranche. 30-40 Jahre später waren die weg vom Fenster. Natürlich hatte das lokale Auswirkungen und es gab Härtefälle, die will ich gar nicht schönreden, aber gesamtwirtschaftlich war es nicht relevant. Gott sei dank hat damit auch die Mrd. Subvention ein Ende.
Sollte es also unsere arroganten Autobauer die nächsten Jahre vergeigen, würde sich wohl auch gesamtwirtschaftlich nicht viel ändern. Von wegen, „das Ende des Wohlstands“. Bullshit! Außer, daran dass signifikant mehr asiatische Autos auf den Straßen rumstehen würde es keiner bemerken. Statt nun den gleichen Fehler wie bei der Steinkohle zu machen und unsere Dinos mit Steuersubventionen zu mästen, sollten wir vielleicht den Markt die Sache selbst regeln lassen.
Wer auf die falschen Produkte setzt, hat halt Pech gehabt. So wie es bei vielen kleinen und mittelständischen Betrieben auch ist. Denen wird auch nichts geschenkt. Gerecht ist gerecht!
teslatom meint
1+
Dachte, es wird mehr Arbeitsplätze kosten, aber die Knebelverträge mit den Zulieferern lassen wenig Raum für Wachstum. Wohl mal ganz heilsam, so eine Marktbereinigung????
Remo meint
Da höre ich doch Lünings Worte.
Auch wenn ich Ihnen in einigen Punkten zustimme, ist es vollkommen falsch dass der Mittelstand nicht auch gefördert wird, bzw. auch Subventionen erhält.
Das mag nicht auf jede Branche zutreffen und ein nicht näher genannter, vielleicht etwas frustrierter Whiskeyverkäufer mag nicht von Subventionen profitieren, aber glauben Sie nicht, dass dies für den gesamten Mittelstand zutrifft. Oder was glauben Sie denn wo die Milliarden Solarsubventionen hin verschwunden sind, nur um ein sehr bekanntes Beispiel zu nennen.
agdejager meint
Fangt das Gejammere der deutschen Automobilindustrie mal wieder an. Ich kann es nicht mehr hören. Basta.
150kW meint
Das ist eine Studie die NICHT von der deutschen Automobilindustrie kommt. Wo soll die hier also jammern?
TheEdge meint
Da kenne ich noch eine andere Prognose:
https://derletztefuehrerscheinneuling.com/2017/04/21/wie-sich-der-kollaps-der-deutschen-autoindustrie-abspielen-wird/
Swissli meint
Anschauungsunterricht gabs 2008 nach der Finanzkrise.
henry86 meint
Da hat wieder irgendein BWL Fuzzi eine Hochrechnung für 2045 gemacht. Das ist echt unfassbar dämlich.
2025 (!) ist spätestens ein dramatischer Wandel in der Automobilindustrie vollzogen, und zwar einer, der bereits begonnen hat, den aber die wenigsten bisher erkannt haben. Zumindest in den Führungspositionen der dt. Automobilindustrie.
Ab 2025 werden keine Verbrennerautomobile mehr gebaut. Weltweit. Nada.
VW hat angekündigt, 2025 eine Million E Mobile zu bauen.
Ob die das überhaupt schaffen, steht noch nicht fest. Aber heute bauen die 10 Mio. Fahrzeuge. Das wird also ein Einbruch um über 90 % sein. Dieser steht jetzt bereits fest, weil die Leute dort partout nicht aufwachen und die Disruption erkennen wollen.
Achja, kommt das autonome Fahren – und die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass das noch vor 2025 kommt – dann sind die schon viel eher komplett weg vom Fenster.
An den Aktienkursen kann man es heute schon ablesen. Die Deutschen haben Jahr für Jahr Rekordgewinne, und trotzdem fallen die Kurse mehr und mehr. Die Börse bildet hier die Zukunft ab, und die sieht für VW & Co. sehr, sehr düster aus.
150kW meint
„Ab 2025 werden keine Verbrennerautomobile mehr gebaut. Weltweit. Nada. “
Witz des Tages.
Al Bundx meint
Ihr Kommentar.? mal wieder? Genau!
Einsilbiger Einzeiler.
Stocki meint
@150kW beschäftige dich lieber mal mit disruptiven Prozessen. Du wirst verstehen, dass der Übergang Verbrenner -> BEV gerade in vollem Gange ist. 2025, das sind noch 7 Jahre. Glaub mir, wer im Jahre 2025 noch im großen Stil Verbrenner herstellt, wird nicht mehr lange existieren.
150kW meint
Wir reden hier nicht von einem Handy, das sich selbst in der hinterletzten Provinz von Usbekistan noch viele leisten können, sondern von Autos.
Die Voraussage ist schon allen logistisch nicht möglich. Der Abbau von Lithium und Kobalt müsste explodieren, Zell-Fabriken ohne Ende gebaut werden. Leistungselektronik-Halbleiter Fabriken noch und nöcher hochgezogen werden, mit allen Zulieferern und Zulieferer Zulieferern.
Die Voraussage lässt sich also nur halten wenn der Autoabsatz ins bodenlose fällt.
BeatthePete meint
2021 sind Herstellungskosten E Autos niedriger als die vom Verbrenner.
2022 sind 1000km mit 1 Akkuladung möglich ( Oberklasse )
2025 werden 1000 km auch in Mittelklasse möglich sein.
6 Jahre bis 2025 um Länderübergreifende Ladenetzwerke aufzubauen. Eindeutig machbar.
Warum dann 2025 noch Verbrenner kaufen/herstellen?
Remo meint
Es ist sicher nicht falsch langfristig zu planen und zu analysieren, also bis 2045 und nicht nur kurzfristig bis 2025.
BeatthePete meint
Hat die Studie Autonomes Fahren berücksichtigt?
Die Studie spricht von Auswirkungen in 2045; ich denke dass ab 2030 – 2040 die Auswirkungen von Autonomen Fahren um ein vielfaches gravierender ausfallen werden als der Schritt Verbrenner zum EAuto.
Das wird brutal!
Obraxis meint
Nein und das habe ich auf Twitter auch schon angemerkt. Für mich ist die Revolution in Mobilität immer EV + TaaS. In Ballungszentren braucht man kein Auto, die Jugend von Heute will auch keins mehr.
Auf die Hersteller kommen noch harte Zeiten.
alupo meint
Naja, die aktuelle Jugend hat noch ihre Eltern ;-). Diese haben meist sowohl einen Führerschein als auch ein Auto, perfekt für innerfamiliäre Taxifahrten…
So einen Fall habe ich auch ;-).
Nichts desto trotz, in Ballungszentren macht ein Auto sicher weniger Sinn als auf dem Land ohne ider mit beschränktem ÖPNV.
Klardenker meint
Die deutschen Autobauer haben den Anschluss bereits verloren, den sonst müssten sie nicht in gewaltige stückzahlen compliance cars investieren.
Remo meint
Sehr qualifizierter Kommentar. An welche Autobauer haben die Deutsche denn bitte sehr den Anschluss verloren?
Sebastian meint
Die großen Konzerne müssen mit aller Gewalt am Leben erhalten werden. Nur da gibt es Aufsichtsratsplätze für aktuelle und ehemalige Politiker. Mittelständler haben keinen Aufsichtsrat. Es lebe die unabhängige (Doppelschwör und Zigeunerehrenwort!) Politik.
Thomas meint
Sollten deutsche Autobauer den Anschluss verlieren, was ich (va. der Mitarbeiter wegen) nicht hoffe, ist diese Studie dazu gut, einer möglichen „Arbeitsplatzkeule“ entgegenzuhalten. Das m. M. nach Schlimmste was passieren könnte, ist einer solchen Autoindustrie jahre/jahrzehntelang per Protektionismus und Subventionismus mithilfe wertvoller Steuergelder künstlich am Leben zu erhalten. Die meisten KMUs arbeiten schon seit längerer Zeit auf diesen Wandel hin.
Solarplexus meint
@Peter W. Danke für das anschauliche Dampflok- Beispiel!!
Sehr überzeugend…
@Thomas: Was sollen denn nun „KMUs“ sein?? Abkürzungen sind selten eine Hilfe…
Christian meint
Kleine und Mittlere Unternehmen. MWn spricht man bis 500 MA von KMU.
Peter W meint
Man darf gespannt sein, wie oft man das den Verantwortlichen noch sagen muss. Derzeit hat der Verbrenner noch absolute Priorität.
Die Hersteller von Dampflokomotiven haben den Wandel vor 100 Jahren auch nicht überlebt. Um es etwas genauer zu sagen: 1830 plus minus 10 Jahre begann die Dampflok ihren Siegeszug. 100 Jahre später also etwa 1930 begann der Niedergang. Bis 1940 wurde mit allen Mitteln die Dampflok mit gigantischen Leistungen (8000 PS) entwickelt. Bis 1960 war die Dampflok erledigt, und die Hersteller Pleite.
Hier sehe ich eine Parallele zur Autoindustrie, die offensichtlich genau den gleichen Fehler macht. Der Verbrennungsmotor ist Leistungsmäßig am Limit angekommen, und wird jetzt vom E-Motor überholt. Die Dampflok brauchte Wassertankstellen, das Verbrennerfahrzeug Sprittankstellen. Die E-Lok brauchte eine Oberleitung, das E-Auto Ladestationen. Um die E-Lok durchzusetzen waren große Investitionen nötig, aber es hat sich gelohnt.
Beim Auto wird genau das Selbe passieren wie bei der Lokomotive. Ob die Autobauer das rechtzeitig erkennen entscheidet über deren Überleben.
Wännä meint
Nicht zu vergessen: es fristen immer noch die Diesel-Loks ihr Nischendasein, könnte den Verbrenner-Autos ähnlich ergehen (abgesperrte Strecken für historische Knall-Peng-Autos) ;-)
Remo meint
Ja, diese Straßen nennen sich dann Autobahn…
teslatom meint
weren gerade durch Elektrozüge ersetzt ????