Tesla hat angekündigt, seine erste europäische Elektroauto- und Batterie-Fabrik in Deutschland nahe Berlin zu errichten. In anderen Regionen der Bundesrepublik, die sich Chancen auf das Tesla-Werk ausgerechnet hatten, sind nun viele enttäuscht – das gilt offenbar nicht für den Verkehrsminister von Baden-Württemberg.
„Besonders scharf waren wir jetzt auch nicht darauf“, sagte Winfried Hermann (Grüne) Ende November während einer Diskussionsveranstaltung mit dem Vorstandsvorsitzenden der Daimler AG, Ola Källenius. „Ökonomisch gesprochen ist es eher problematisch, dass es so einseitig im Ballungsraum Stuttgart am Automobil hängt. Und daher brauchen wir nicht noch mehr Automobilindustrie.“.
Tesla-Chef Elon Musk hatte Mitte November überraschend mitgeteilt, dass der US-Elektroautobauer 24 Kilometer südlich von Berlin eine Fabrik bauen wird. Die Produktionsstätte wird die erste von Tesla in Europa und zweite überhaupt außerhalb des Heimatmarktes. Viele hatten eher auf ein Werk näher an der traditionellen deutschen Automobilindustrie im Süden oder in Niedersachsen getippt. Bis zuletzt bemühten sich diverse Regionen und Bundesländer inklusive Baden-Württemberg um die Ansiedlung.
Es habe „höchstens ein oder zwei Plätze“ gegeben, wo ein Bau von der Größe her überhaupt möglich gewesen wäre, sagte Hermann jetzt. „Wo kann man in Baden-Württemberg ein Automobilwerk hinbauen? Da können Sie lang fahren, bis Sie Platz finden.“ Brandenburg habe „üppige Flächen“, Hermann gönne es dem Bundesland, dass dort mehr Arbeitsplätze entstehen.
Staatsministerium reagiert auf Kritik
Die Spitzenkandidatin der CDU für die Landtagswahl 2021, Susanne Eisenmann, hatte die Äußerungen von Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann zur Ansiedelung von Tesla in Brandenburg und der Automobilindustrie im Südwesten scharf kritisiert. „Ich finde die Aussage von Verkehrsminister Hermann überheblich. Sie zeigt, wie innovations- und wirtschaftsfeindlich und auch wie wenig zukunftsorientiert die Grünen sind“, sagte Eisenmann der Heilbronner Stimme.
Hermanns Haltung sei unvereinbar mit den Interessen des Landes. „Wir müssen immer ein Interesse daran haben, dass sich Unternehmen aus der Automobil- und Zuliefererbranche ansiedeln. Das ist schließlich unsere Kernindustrie“, so Eisenmann weiter. Sie sagte, sie hätte eine Ansiedlung von Tesla befürwortet. Auch SPD und FDP kritisierten Hermanns Anmerkungen zum Standort der deutschen Tesla-Fabrik.
Äußerungen aus dem Staatsministerium von Ministerpräsident Winfried Kretschmann relativierten den Standpunkt des Verkehrsministers später: Hermann habe sich missverständlich ausgedrückt, hieß es. „Natürlich hätten wir das Tesla-Werk gerne in Baden-Württemberg gehabt“, sagte ein Regierungssprecher laut Welt.de.
Tatsächlich hätten das Wirtschaftsministerium und Staatsministerium schon frühzeitig Kontakt mit Tesla aufgenommen. Das Land habe „auch gut im Rennen“ gelegen, der große Flächenbedarf für die Tesla-Fabrik habe sich jedoch als Hindernis herausgestellt – Brandenburg habe mehr Platz zur Verfügung. Auch die finanzielle Förderung könne für eine Ansiedlung in einem wirtschaftsschwachen Land wie Brandenburg realisiert werden. Einem wirtschaftsstarken Land wie Baden-Württemberg seien da über das EU-Beihilferecht die Hände gebunden.
Skodafahrer meint
In Brandenburg fallen keine Arbeitsplätze in Autofabriken klassischer Verbrennerhersteller weg. Weil es dort keine gibt. Deshalb ist es für Brandenburg viel leichter ein Produktionswerk eines Elektroautoherstellers zu unterstützen als in einem klassischen Auto Bundesland wie Baden-Württemberg.
Ulrich Mader meint
Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.
Christian Zander meint
Nun hat sich unser Verkehrsminister ungeschickt geäußert. Das kommt eben auch bei Politikern mal vor. Tatsächlich hat man sich ja bemüht. Aber entsprechende Flächen sind in BaWü eben tatsächlich rar.
Gut wäre es trotzdem gewesen, weil der absehbare Abbau von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie sicher auch dazu führt, dass sich der/die eine oder andere Arbeitnehmer*in neu orientieren muss. Da wäre Know-How im Automobilumfeld sicher eine gute Ausgangsbasis auch für einen Job bei Tesla gewesen.
Aber, lange Fahrtzeiten blieben dann ggf. trotzdem (wir haben hier keine so großen Flächen).
Dass eine Industriansiedlung mit Fördergeldern gefördert wird und werden muss, finde ich da eher problematisch. Und dass BaWü logischerweise eine solche Förderung nicht erhält, ist auch klar. Rund um Sund in tuttgart haben wir die höchsten Mieten deutschlandweit. Sogar noch vor München laut neuester Auswertungen.
Auch Grundstücke bekommt man hier nicht für einen Apfel und ein Ei. In Banrdenburg sieht das ganz anders aus. Für Tesla ist daher Brandenburg aus vielerlei Sicht eine sehr gute Wahl.
piet meint
Ein Gelegenheit für nach BaWü/Bayern abgewanderte Brandenburger und Berliner zurück in die Heimat zukommen.
Und für euch Stuttgarter sinken die Mieten und Grundstückspreise.
WinWin :)
piet meint
… und Subventionen gibt es überall, keine Sorge.
randomhuman meint
Klingt nach einer vernünftigen Aussage von Herr Hermann. Verstehe gar nicht warum alle anderen immer mit so einer Ellenbogenhaltung argumentieren. Bei der FDP wundert mich das nicht, aber SPD. Ein bisschen mehr Solidarität bitte. Brandenburg kann wirklich gut davon profitieren. Die haben das verdient.
Ebi meint
+1 BaWü braucht mehr Diversität, deshalb ist die Kritik an Hermanns Aussage reiner Populismus. Hier hängen halt viele Arbeitsplätze an der Automobilbranche und der Aufschrei ist groß, sobald sich einer kritisch äußert, aber die wirklichen Schnarchnasen sitzen im Daimler-Management, dort hat man den Einstieg zur E-Mobilität verpennt und dort werden Arbeitsplätze vernichtet.
Peter W meint
Darf denn eigentlich kein Politiker einfach mal seine Meinung sagen? Ja, es klingt überheblich, aber er hat doch recht. In BaWü gibt es trotz grüner Regierung immer noch so gut wie keine Windkraftanlagen, das wäre eindeutig wichtiger als noch eine Autofabrik. Ich sehe auch keine PV-Anlagen auf „grün verwalteten“ Gebäuden. Kretschmann fährt lieben mit seinem gescheiten Diesel spazieren.
LiPo meint
@PeterW
ca. 1000 Windenergieanlagen in BW bezeichnen sie als “ so gut wie keine“?
Klar würde mehr gehen, aber die geografischen Gegebenheiten für die Windenergie sind in BW weitaus schwieriger als im Norden.
Futureman meint
Ob eine neue Windkraftanlage mit den niedrigen Vergütungssätzen lohnenswert ist, sollte aber ein Investor entscheiden dürfen. Vielleicht gibt es ja Bürger, denen eine geringe Rendite reicht, um in erneuerbare Energien zu investieren. Windkraft auf See machen nur Investoren mit hohen zweistelligen Renditen (nichts für Bürgeranlagen)
Effendie meint
Politiker leben in ihrer eigenen Welt.. Nur so kann ich solche Aussagen treffen. Wieder ein Punkt mehr wie Grüne Politiker denken und nicht in die Regierung gehören. Wir haben ihnen noch mehr zu verdanken.. zb Ökosteuer, ich würde diese akzeptieren wenn es für Förderung von grüner Energie verwendet wird. Aber leider passiert es nicht. Oder die massive Ausweitung von Leiharbeiter..
Swissli meint
Deutschland sollte sich glücklich schätzen, dass Tesla überhaupt ein Werk in Deutschland baut.
Effendie meint
volle Zustimmung
Sledge Hammer meint
@Swissli
+1
volle Zustimmung.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
@Swissli: +1.
Durch diese Mitteilung von Elon Musk ist vielen in Deutschland überhaupt mal klar geworden, wie nah die Elektromobilität in unsere Wirtschaftswelt gerückt, und wie weit entfernt plötzlich unsere wichtige Kernindustrie vom automobilen Kern der Zukunft ist. Tesla ist das Auge eines Technologie-Hurrikans und dieses treibt langsam aber stetig mitten ins Automobil-Kernland – und so manches mit OSB-Platten notdürftig vernageltes Unternehmen wird diesen Sturm nicht überleben.
Sledge Hammer meint
+1
sehe ich genau so.
Swissli meint
So pessimistisch bin ich für die dt. Autoindustrie nicht:
VW vorbildlich, Opel hat den Anschluss an die E-Mobilität via Peugeot gefunden (hoffentlich wird auch weiterhin in D Opel produziert), Mercedes hat mit dem EQC einen anständigen Anfang gemacht (wenn auch nur Multiplattform), sowie erste E-LKW. Grösstes Sorgenkind ist für mich BMW. Zu sehr auf Hybride fokussiert – auch heute noch, trotz Führungswechsel! Mal abwarten wann und wie die angekündigten BEVs (iX3 usw.) von BMW am Markt ankommen.
Die Chancen für die dt. Autoindustrie sind noch intakt. Hochseefrachter sind zwar träge, aber gehen so schnell nicht unter.
Ebi meint
Die Einschätzung teile ich nicht, bei Daimler stehen die Zeichen auf Sturm (Abbau von mind. 10.000 Jobs in den nächsten 3 Jahren angekündigt), da sehe ich BMW noch besser aufgestellt, aber natürlich mit dem ganzen PHEV Kram auch nicht save. Es ist doch mittlerweile so, dass ein Model 3 eher günstiger als ein vergleichbar ausgestatteter Verbrenner (mit gleicher Leistung) von BMW oder Daimler ist. Mit Einführung der Plug-Ins wird sich der Unterschied noch vergrößern – wo ist da die Perspektive ?
senrim meint
Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Es ja nicht so als ob VW und Co. keine begehrenswerten und erptobten E-Modele im Angebot hätten oder es lange Wartezeiten gäben würde. Außerdem kann niemand sagen dass die notwendigen Resourcen, Produktionsstätten und das Know-How nicht gesichert wären. Desweiteren ist die Ladeinfrastruktur vorbildlich gut ausgebaut und auch auf dem neusten Stand was die Ladeleistung angeht. Wenn die es noch hinbekommen Ihre Softwareplatformen (Telematik, Autopilot, Apps) für Tesla und Co. freizugeben sehe ich apsolut keine Probleme.
Swissli meint
Tesla-Werk in D hat sicher etwas aufgeschreckt. Aber im positiven Sinne. Konkurrenz belebt das Geschäft!
Andi meint
Volle Zustimmung.
Porsche 911 meint
Der Herr Musk wird schon seine Gründe haben, aus rein altruistischen Motiven wurde das sicher nicht initiiert…
Swissli meint
Klar, staatliche Wirtschaftsförderungen usw. sind natürlich geflossen wie überall.
Ich vermute, die „Premium“ Autoindustrie und Zulieferer in D hat Musk gelockt. Diesen Cluster gibts nur in D. Und ein Tesla made in Germany ist auch eine Art Ritterschlag :)
Ebi meint
Sicher, aber ein wesentlicher Faktor für Brandenburg war wohl auch die ausreichende Verfügbarkeit von regenerativen Energiequellen, sonst kommen die Petrolheads wieder mit „aber die Herstellung der Batterie ist so schmutzig und es dauert 250 TKM bis das wieder reingefahren ist etc blabla…“.
LIPo meint
Deutschland braucht Tesla nicht, aber Tesla braucht ganz sicher Deutschland!
Ebi meint
Das sehe ich anders. Tesla bringt für viele deutsche Zulieferer Aufträge und sorgt hoffentlich dafür, dass unsere „Blechbiegerindustrie“ mal langsam begreift, was die Stunde geschlagen hat.