Automobilzulieferer stehen vor großen Veränderungen: Die Elektrifizierung der Antriebe beschleunigt sich, die Material- und Energiekosten steigen rasant und die geopolitischen Spannungen sowie ihre Folgen für die Lieferketten halten an. Parallel dazu gilt es, den Anforderungen der Digitalisierung und Dekarbonisierung gerecht zu werden. In einer Analyse zeigt die Unternehmensberatung Bain & Company auf, wie die Zulieferer diese Herausforderungen meistern können.
„Das Fundament der Automobilzulieferbranche ist gefährdet“, sagt Bain-Partner Klaus Stricker. „Nur wenn die Unternehmen ihre Geschäftsmodelle umgehend an die neuen Realitäten anpassen, werden sie auf Dauer am Markt bestehen.“ Wie groß der Druck ist, habe sich bereits im Jahresverlauf 2021 gezeigt: Die durchschnittliche EBIT-Marge der Automobilzulieferer sei innerhalb von vier Quartalen um mehr als 3 Prozentpunkte auf unter 6 Prozent gefallen und damit unter das Niveau führender Autobauer – in der Regel sei sie 1 bis 2 Prozentpunkte höher als die der Hersteller.
„Die Zulieferer leiden gleichzeitig unter Lieferengpässen, den steigenden Kosten für Vorprodukte sowie der Inflation“, erklärt Stricker den Margenrückgang. „Während die Automobilhersteller sich in der aktuellen Situation auf höherwertige Produkte konzentrieren und geringere Endkundenrabatte geben, sind die Zulieferer dem oft unverändert hohen Preisdruck der Autobauer ausgesetzt.“
Geschäftsmodell fit machen
Die rückläufigen Margen treffen die Branche zu einer Zeit, in der Elektrifizierung und Digitalisierung massive zusätzliche Aufwendungen erfordern. Jüngsten Bain-Prognosen zufolge werden im Jahr 2030 in Europa rund 55 Prozent der Neuwagen mit E-Antrieb fahren, bis 2035 dürften es über 90 Prozent sein. Dann würden auch in China und den USA die meisten neuen Pkw emissionsfrei auf den Straßen rollen. „Europa und China geben den Takt bei der Elektrifizierung vor“, erklärt Markus Bürgin von Bain. „Zulieferern bleiben jetzt nur noch wenige Jahre, um ihr Geschäftsmodell fit für die Ära der Elektromobilität zu machen.“ Entsprechend groß sei die Anspannung in der Branche.
Gleichzeitig müsse den Unternehmen die Umstellung von hard- auf softwarebasierte Geschäftsfelder gelingen. Laut Bain-Analysen werden in der Zuliefererbranche elektrische Komponenten, Software und digitale Services bereits in den nächsten Jahren zu den wichtigsten Umsatztreibern gehören. Hinzu komme, dass ihr Anteil am Profit dank höherer Margen überproportional steigen werde. Bain schätzt, dass 2035 bereits mehr als ein Drittel der Gewinne auf neue Geschäftsfelder wie softwarebasierte Services, Elektrik/Elektronik-Komponenten und Mobility-as-a-Service entfällt. Ob die Automobilzulieferer hiervon in vollem Umfang profitieren, sei längst noch nicht ausgemacht. Große Technologiekonzerne arbeiteten seit Längerem an Softwarelösungen für die Elektronikarchitektur des Autos und drängten auf den Markt.
„Wenn die traditionellen Zulieferer nicht unverzüglich handeln, laufen sie Gefahr, an Stellenwert zu verlieren. An ihrer Stelle können Technologieanbieter zu Tier-1-Lieferanten werden“, so Bürgin.
Liquidität sichern
Bain rät den Automobilzulieferern, die Sicherung der Liquidität in den Fokus zu rücken. Mit einem breit gefächerten Maßnahmenbündel über Einkauf, Produktion, Verwaltung und Lieferkette hinweg könnten sie in ihre EBIT-Marge um mehrere Prozentpunkte steigern. Das sei essenziell, um ihre Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen. Vorreitern in der Branche gelinge es, bis zu 70 Prozent ihrer vorleistungs- und inflationsbedingten Mehrkosten an die Autobauer weiterzugeben.
Um längerfristig zu profitablem Wachstum zurückkehren zu können, müssen die Automobilzulieferer laut Bain ihre Strategie weiterentwickeln, verschiedene Szenarien durchspielen und daraus Konsequenzen für ihr Portfolio ziehen. Mit der Dekarbonisierung beginne eine neue Ära für die Branche. Bain-Partner Stricker unterstreicht die zentrale Bedeutung einer Nachhaltigkeitsstrategie: „Die Zukunft der Automobilzulieferer hängt davon ab, ob und wie schnell sie es schaffen, emissionsneutral zu wirtschaften.“
Kurzfristig habe jedes Unternehmen alles daranzusetzen, seine Liquidität zu sichern und die eigenen Kosten zu senken, so Stricker. Er fügt hinzu: „Ähnlich wie für die Hersteller gilt es auch für die Automobilzulieferer, sich unter hohem Zeitdruck neu zu erfinden. Einigen ist dies bereits gut gelungen. Doch viele haben noch einen weiten Weg vor sich.“
Herbs meint
Wenn man immer wieder liest, dass eAutos die Automobil Zulieferer gefährden, frage ich mich immer ob es eigentlich nur Zulieferung von Motorkomponenten, Abgasanlagen und Tanks gibt und der Rest des Autos auf dem Gelände des Montagewerks auf Plantagen wächst.
MichaelEV meint
Viele haben vermutlich Anteile an Verbrenner-Geschäft und wenn alles auf Kante genäht ist, wird es schnell eng.
Schlimmer wiegt aktuell aber wohl eher, dass bekanntlich viel weniger Fahrzeuge verkauft werden. Die Autohersteller können teure Fahrzeuge priorisieren und verdienen gut. Die Zulieferer bekommen aber nicht mehr pro Stück, verkaufen deutlich weniger, haben höhere variable Kosten (vor allem Energie) und trotz viel geringerem Umsatz ähnliche hohe fixe Kosten. Das ist eine ziemlich explosive Mischung…
Randy meint
Ja, wenn es denn stimmen würde, aber entgegen deiner Einschätzung sind laut Wirtschaftswoche und anderer Fachorgane die Umsätze der Zulieferer gestiegen um gut 13% Auch die Profitabilität stieg um 6,3%
Der weltgrößte Zulieferer Bosch, auch ZF und Conti , alle unter den Top 4, konnten ihre Umsätze massiv steigern. Quelle ist die Wirtschaftswoche Juni 2022
Frank meint
Da soe ein Elektroauto viel weniger Teile braucht als ein Verbrenner wird es in Zukunft definitiv viel weniger Arbeitplätze in der Zulieferindustrie geben. Das ist aber keine Katastrophe, sondern eine Chance für unsere Gesellschaft. Das Hauptproblem jetzt möglicht schnell die Energiewende hinzubekommen ist: es fehlen Menschen, die die notwendigen Dinge produzieren und aufbauen.
Den Beschäftigten der Zulieferbetriebe wünsche ich kluge, vorrausschauende Chefs, die nicht nur denken: ich muss den kommenden Übergang zum BEV bei den Politikern durch Lobbyarbeit bremsen: z.B. durch E-Fuel-Gefasel kann ich Verbraucher verunsichern (die kurz davor waren sich doch Richtung BEV zu entscheiden, weil es alle tun), wenn ich ein paar FDP-Politiker lobbiere.
Ganz klar: Technologieoffenheit bremst, Klarheit beschleunigt.
David meint
Soso, die gesamte Zukunft des Fahrzeugbaus gefährdet also die Zulieferbetriebe. Außerdem: Was heißt Co.? Das ist damit ist doch vermutlich das autonome Fahren gemeint. Denn das ist auf jeden Fall ein echter GameChanger im gewerblichen Bereich, weil er die Personalkosten aus den Transportkosten holt. Und das ist der größte Kostenposten. Andererseits kann man sich damit auch teurere Technik leisten, wenn die dann effizienter und zuverlässiger ist. Ich habe eher den Eindruck, dass die Zulieferer die Zeichen der Zeit noch nicht konsequent genug erkannt haben.
MAik Müller meint
Man hat seit 2010 ausreichend Zeit gehabt für die Umstellung.
BEV meint
bringt halt nichts, wenn man weiterhin nicht die richtigen Kompetenzen aufbaut
Man von einem einem „das haben wir schon immer so gemacht“ Maschinenbauer einfach keine innovativen out-of-the-box Software und Elektronik Lösungen erwarten.
Der Spirit im Silicon Valley ist anders und die Arbeitsmoral in China sowieso. Hier will man die Welt verändern, bei uns sitzt fast jetzt auf seinem A… und will nichts mehr ändern. Und die, die es wollen, werden ausgebremst und sind dann Frustriert.
Ich gehe mittlerweile auch lieber Fahrradfahren in der Natur als mich mit der Arbeit bzw. mit den Leuten auseinanderzusetzen. Die, die weiterhin stinkende Dreckskisten fahren wollen. Wenn ich an Straßen vorbei radle und die stinkenden Blechlawinen sehe …
Auch Elektroautos sind nicht die Lösung, aber mit dem Verkauf von Autos kann man Geld verdienen. Und immer noch besser als weiterhin Öl zu verbrennen.
Andi EE meint
@BEV
Bin bei dir bei dem Meisten was du geschrieben hast. Aber eins darfst du nicht vergessen … die Konzerne oben in der Nahrungskette geben vor, was entwickelt werden muss. Hast du z.B. Tesla als Käufer für deine Produkte, ist es vergleichsweise einfach mit der aktuellsten Technik Schritt zu halten.
Ist dein Konzern zu spät und fragt z.B. halt nach wie vor Komponenten nach, die nicht auf ein OtA / neues OS was die Dinge ansteuern kann und den Standard übernehmen kannst, dann hängst du in der Luft. Du möchtest nach neuesten Standards zuliefern, kannst es aber nicht weil der Konzern viel zu lang für eine konsequente Umstellung braucht. Tesla als Beispiel, macht viele Zulieferer durch seine fortschrittliche Ansteuerung der Komponenten, erst konkurrenzfähig. Gleiches gilt auch für einige chinesische Autobauer.
Oder global kannst du das auch auf Staaten und deren Wirtschaftsbeziehungen ummünzen. Kooperierst du mit Russland, wirst du auf keinen grünen Zweig kommen, weil die einfach überall hinterherhinken. Es gilt, je besser der Kooperationspartner, desto besser ist auch dein Produkt / Volkswirtschaft. Deshalb laufen auch alle ehemaligen Ostblockstaaten den Russen davon. Der Westen bittet doch die nicht zu sich. Diesen Staaten waren jahrzehntelang in dieser Perspektivlosigkeit gefangen und die einzige logische Konsequenz für wirtschaftlichen Aufschwung ist, sich aus der Ehe mit Moskau zu verabschieden und sich der EU / USA / NATO anzuschliessen.
Es ist völlig unsinnig wie oft in DE behauptet wird, dass die NATO sich erweitern will, das sind wirtschaftliche Zwänge / Logik die dich aus dem Bündnis mit Russland zwingen.
Allstar meint
Ja, die vielgepriesene Chinesische Arbeitsmoral. Sollen die doch mit ihrer 996 Arbeitswoche die Welt verändern, ich für meinen Teil habe schon vor knapp 10 Jahren meine eigene kleine Welt verändert und arbeite nur noch 20h die Woche.
Der Gewinn an Lebensqualität ist enorm, ich verbringe ebenfalls mehr Zeit mit Radfahren in der Natur und mit meiner Familie. Ich kann nur jedem raten der es sich leisten kann, vom Leistungsgedanken Abschied zu nehmen.
BEV meint
Ich bin kein Befürworter von langen Arbeitszeiten, in anstrengenden Berufen kann man die Leistung nicht bringen wenn zu lang arbeitet, in kreativen Berufen kann man die Leistung nicht bringen, wenn man länger arbeitet.
Außerdem führt das nur dazu, dass sinnlose Tätigkeiten gemacht werden nur um die Zeit tot zu schlagen. Man kann auch mit weniger Stunden mehr erreichen.
Nur wenn das wofür man arbeitet einfach nicht mehr zu dem passt wofür man steht, dann wird’s schwierig. Eigentlich sollte man dann gehen und was anderes machen, aber es ist halt bequem.
brainDotExe meint
2010 war noch überhaupt nichts absehbar.
Das hat sich frühestens erst so seit 2018 gezeigt.
Daniel S meint
2018 führ ich schon 3 Jahre Renault Zoe.
brainDotExe meint
Und wie viele von den großen Autoherstellern hatten schon einen BEV First Kurs eingelegt?
Richtig, so gut wie keiner.
elbflorenz meint
Das ist Unsinn. 2010 war die „große Zukunft“ noch das Brennstoffzellen-Auto.
In Deutschland, in Europa, in Japan/Südkorea und – wenn auch im kleinen Maßstab – in den USA.
Das es dann doch das BEV wird – und zwar nicht nur als Stadtauto – konnte man erst ab 2015/16 einigermaßen gesichert annehmen.
Ich nehme mich da selbst nicht aus. Habe zwischen 2005 und 2015 auch noch ganz stark an die H2 Technik im Auto geglaubt.
BEV meint
Das ist Unsinn. 2012 kam das Model S auf den Markt, was soll das dann sein, ein Stadtauto garantiert nicht.
Man WOLLTE NICHT, dass es sich durchsetzt.