In ihrer Studie „Electric Vehicle Charging Shifts into High Gear“ analysiert die Unternehmensberatung Bain & Company die Ladeoptionen für E-Auto-Nutzer und zeigt, wie sich Anbieter in dem Milliardenmarkt der Zukunft positionieren können.
„Die Märkte von morgen werden heute verteilt“, sagt Eric Zayer, Bain-Partner und Co-Autor der Studie. Deshalb hätten Automobilhersteller und -zulieferer sowie Elektrizitätsunternehmen, aber auch Öl- und Gaskonzerne bereits damit begonnen, sich gemeinsam mit Partnern die besten Standorte zu sichern und digitale Plattformen aufzubauen.
„Viele Unternehmen wollen an dem Boom partizipieren, der rund um die Ladeinfrastruktur für E-Autos einsetzen wird“, so Zayer. Nach Bain-Analysen werden die Umsätze in diesem Bereich allein in Europa bis zum Jahr 2030 auf 40 bis 55 Milliarden Euro steigen. Derzeit seien es 7 bis 8 Milliarden Euro. Der Gewinn dürfte sich auf bis zu 5 Milliarden Euro belaufen. Noch höher sollen die Umsätze in den USA ausfallen: Bis zum Ende der Dekade werden dort 53 bis 70 Milliarden Euro erwartet.
Das meiste Geld wird laut Bain zunächst in den Aufbau von Schnellladestationen in verkehrsreichen Regionen fließen. Dabei sollte es allerdings nicht allein um Tankstellen in neuem Gewand gehen. „Viele Fahrerinnen und Fahrer von E-Autos bevorzugen im Alltag das Laden zu Hause oder am Arbeitsplatz und benötigen Schnellladestationen vor allem auf langen Strecken“, erklärt Ingo Stein, Practice Director Automotive und Mobilität bei Bain und Co-Autor der Studie. „Welche Lademöglichkeiten sich wo durchsetzen, wird von der vorherrschenden Wohnsituation und der nationalen Regulierung abhängen, aber auch von den individuellen Präferenzen der Nutzerinnen und Nutzer sowie dem jeweiligen Fahr- und Ladeverhalten.“
Mittelfristig würden diejenigen Lösungen von großer Bedeutung sein, bei denen das Aufladen von Fahrzeugen mit intelligenten Energiedienstleistungen der nächsten Generation verknüpft ist. Auf solche „Smart Energy Services“ dürfte 2030 bereits etwa ein Drittel des weltweiten Gewinns entfallen, prognostizieren die Berater. Im Fokus stünden sogenannte Vehicle-to-Grid- und Vehicle-to-Home-Konzepte. Dabei geht darum, dass Fahrzeuge nicht nur Strom aus dem Netz beziehen, sondern diesen auch speichern und wieder abgeben können. „Die Batterien von Elektrofahrzeugen werden sich zu einem wichtigen Zwischenspeicher entwickeln, um Angebot und Nachfrage bei der stark schwankenden regenerativen Stromerzeugung auszugleichen“, sagt Stein.
Aus Sicht von Bain werden fünf verschiedene Lademöglichkeiten beim Ausbau der entsprechenden Infrastruktur eine zentrale Rolle spielen, was wiederum passende Geschäftsmodelle nötig mache:
- Laden unterwegs: „Der Aufbau von Schnellladestationen erfordert hohe Investitionen, die sich auf bis zu 150.000 Euro belaufen können. Damit die Stationen auf breite Akzeptanz stoßen und sich so die Ausgaben rechnen, bedarf es eines zuverlässigen und zügigen Ladevorgangs, gut gewählter Standorte sowie zusätzlicher Services, beispielsweise WiFi oder eine Überdachung.“
- Laden am Zielort: „Auch an hoch frequentierten Standorten wie Supermärkten und Restaurants muss ein störungsfreies Laden mit der jeweils passenden Geschwindigkeit zu wettbewerbsfähigen Preisen gewährleistet sein.“
- Laden daheim: „Eine einfache Installation der Ladelösung zu Hause sowie attraktive Tarife in Verbindung mit einem Stromvertrag und Smart-Home-Angeboten sind wichtige Voraussetzungen, damit sich Eigenheimbesitzerinnen und -besitzer verstärkt für E-Fahrzeuge entscheiden.“
- Laden am Arbeitsplatz: „Dies dürften viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten schon in wenigen Jahren ermöglichen. Um als Anbieter zu punkten, braucht es einfache Betriebsmodelle und günstige Preise.“
- Smart Energy Services: „Energiekonzerne werden auf Anbieter von Smart Energy Services setzen, die ihnen einen verlässlichen Zugang zu einer hohen Zahl parkender Fahrzeuge verschaffen können. Das größte Potenzial gibt es rund um Büros und Fabriken sowie in Wohngebieten.“
„Unabhängig von den aktuell steigenden Stromkosten ist der Trend hin zu batterieelektrischen Fahrzeugen ungebrochen. Wer in das Ökosystem rund um die Ladeinfrastruktur für E-Autos investieren will, muss den Markt genau analysieren, Chancen erkennen und konkrete Handlungsszenarien entwickeln“, so Bain-Partner Zayer. „Zu den Gewinnern werden diejenigen gehören, die frühzeitig erkennen, welche Fahrerinnen und Fahrer künftig welche Ladepunkte nutzen werden und welche Services sie dort erwarten.“
Tobias meint
Ich könnte mir vorstellen, dass auch fossile Tankstellen umrüsten müssten, um nicht unterzugehen. Kennt da jemand Strategien der Konzerne?
Frank von Thun meint
Zunächst: Willkommen im Mittelalter: Frauen können keine Fahrer sein!
Was komplett vergessen wird, ist die Möglichkeit ohne langes suchen die Blase, auch der Frauen, diskret zu lehren. Möchte dazu die Fahrt ungern zweimal unterbrechen.
Andreas meint
Ich vermisse hier einen sechsten Punkt unter Lademöglichkeiten, der bei mir mindestens 90% ausmacht:
Laden am Wohnort
Also, das Laden an der öffentlichen AC Säule am Wohnort, als Ersatz für das Laden daheim, das ja nur für die statistisch deutlich kleinere Menge an Hausbesitzern realistisch ist. Insofern scheint mir diese Studie insgesamt nicht sehr fundiert zu sein.
Kasch meint
AC-Säulen für kostenloses Dauerparken in Ballungszentren wird sicherlich verschwinden. Wer nicht nebenbei, ohne Zeitaufwand wärend des Einkaufs auf dem Supermarktparkplatz auf 80% DC-laden will, kann ja immer noch radeln. Für Viele dürfte sich der Luxus „eigenes Auto“ in Europa ohnehin bald erledigt haben.
Tommi meint
Du gehst von einem Wohlstandsverlust aus. In den letzten 50 Jahre ist der Wohlstand mehr oder weniger kontinuierlich gestiegen. Und zwar weltweit. Aufgrund welcher Fakten gehst Du davon aus, dass das genau jetzt zu Ende geht? Inflation ist da, das ist korrekt. Kriege auch. Leider sind beides keine neuen Phänomene. Aber das hat den Wachstum an Wohlstand vielleicht gebremst, aber nicht aufgehalten. Weltweit sind die Menschen immer reicher geworden. Oft auf einem sehr niedrigen Niveau, aber die andere Richtung ist da eher die Ausnahme.
MichaelEV meint
Es geht um „Geschäftsmodelle“, das wird bei ihrer Nr. 6 nur sehr selten der Fall sein.
Wenn dann wird sich Nr. 6 am ehesten mit dem „Laden daheim“ kombinieren, also eine Form des Wallbox-Sharings.
Jeder findet sich doch automatisch in den anderen Punkten wieder. Ich wette, es wird kaum Bedarf für Nr. 6 geben.
Blackmen meint
…zahlen, zahlen, zahlen und noch viel mehr löhnen, bis das E-Auto gepfändet wird…
Jürgen Baumann meint
Nö, das sind richtige Sparbüchsen. Und alles ohne Schall und Rauch.