Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius hat mit dem Handelsblatt über die Herausforderungen für den Autobauer gesprochen. Als neuer Präsident des europäischen Herstellerverbands ACEA ist er in diesem Jahr auch der Ober-Lobbyist der Branche für die Region.
„Unsere Industrie steht unter Druck. Die Welt ist unberechenbarer geworden. Vieles ist ungewiss“, sagte der Manager. Es gebe mehr Protektionismus als früher. Die Wettbewerbsintensität sei stark gestiegen, besonders in China. „Und wir müssen länger als gedacht in Elektroautos und Hightech-Verbrenner parallel investieren.“ All das habe den Mitteleinsatz erhöht, man müsse daher nun die „Trainingseinheiten steigern“.
Die Autohersteller verdienen noch Milliarden, sorgen sich aber trotzdem vor der Zukunft. Das zeigen die jüngsten Geschäftsergebnisse, Mercedes, BMW und Volkswagen haben für 2024 deutliche Gewinneinbrüche gemeldet. Källenius: „Der Erfolg von gestern ist keine Ewigkeitsgarantie … Wir müssen heute die Weichen für die nächsten drei bis sechs Jahre stellen. Denn die werden uns alles abverlangen. Wir befinden uns in einer Jahrhunderttransformation, da werden die Karten neu gemischt.“
Der Wettbewerb in China sei „knallhart, der härteste der Welt“. Weil die Volksrepublik der größte Automarkt der Welt ist, beeinflusse das die ganze Industrie. Darauf reagiere man mit einer Produktoffensive in der Region. Zeitgleich will das Unternehmen massiv sparen, beim Personal, in der Produktion und im Vertrieb.
„Wir investieren auf Höchstniveau und müssen gleichzeitig effizienter werden als je zuvor, alle Prozesse maximal optimieren“, erklärte der Mercedes-Boss. „Das wirkt ein bisschen schizophren, ist aber notwendig, um mehr Wasser unter den Kiel zu bekommen. Sonst könnten selbst wir irgendwann Probleme bekommen, in diesem volatilen Marktumfeld zu bestehen.“
„Faire internationale Handelsordnung“
Neben den Herausforderungen in China droht der deutschen Autoindustrie im zweiten großen Einzelmarkt USA mit dem neuen Nationalismus unter Trump weiteres Ungemach. Europa in Summe lebe wirtschaftlich gesehen über alle Industrien hinweg zu mehr als 50 Prozent vom Export, so Källenius. „Das heißt, Europa hat das größte Interesse überhaupt, sicherzustellen, dass die Weltmärkte offen bleiben und es eine faire internationale Handelsordnung gibt.“
Heute fallen für jeden Pkw aus den USA beim Import in Europa Gebühren von zehn Prozent an, umgekehrt sind es 2,5 Prozent. „Lasst uns doch diese Zölle beidseitig auf null absenken. Das wäre Reziprozität und würde Wachstum schaffen, statt es zu ersticken“, so der Mercedes-Chef.
Die EU-Kommission hat einen Auto-Aktionsplan, um der für die Europäische Union so wichtigen Industrie bei der Ausrichtung auf die künftigen Marktgegebenheiten zu helfen. „Wir begrüßen es sehr, dass Frau von der Leyen das Thema Automobilindustrie bereits Ende letzten Jahres zur Chefsache erklärt hat und einen strategischen Dialog mit der Industrie ins Leben gerufen hat. Wir sehen dabei erste gute Schritte“, so Källenius.
„Inventur“ für EU-Vorgaben
Auf die Frage, ob für ihn als Präsident des ACEA das wichtigste Ziel sei, das von der EU geplante „Verbrennerverbot“ im Jahr 2035 zu verhindern, erwiderte der Manager: „Erst mal müssen wir eine Inventur machen. Was war das Ziel der EU-Kommission vor fünf Jahren, und wo stehen wir heute?“ 2024 sei die Elektroquote bei rund 13 Prozent im EU-Neuwagenmarkt gewesen – und damit erheblich unter dem Niveau, das man einst angenommen habe. Sowohl bei der Nachfrage als auch der Infrastruktur, den Ladesäulen und der Stärkung des Stromnetzes sei man noch weit weg von einem Szenario, bei dem nahezu hundert Prozent des Marktes elektrisch ist. Bei Nutzfahrzeugen sei man noch weiter weg.
„Wir brauchen eine Diskussion, wie wir mit Anreizen, Empfehlungen und Marktkräften die Transformation clever steuern können“, forderte der ACEA-Chef. „Wir brauchen ebenfalls eine technologieoffene und kundenorientierte Ausrichtung. Wir bekennen uns zur Dekarbonisierung.“ Die Vorgaben der Politik müssten aber erreichbar sein.
RainerLEV meint
Kaufmann halt (Master of Finance). Ich will ihm nichts Böses, aber das Gefühl für Produkt und Technik fehlt ihm weitestgehend. Was meint ihr?
Dan meint
Es gibt viele gute Gründe, warum Ingenieure für Fahrzeugtechnik oder Motorenbau in kaum noch einem Automobilkonzern der Welt das Sagen haben.
Mary Schmitt meint
Da wird brav das Kaufmannslied gesungen.