Die angekündigten Produktionskapazitäten für die Batteriezellproduktion in Europa summieren sich laut einer Analyse 2030 auf mehr als zwei Terawattstunden pro Jahr. Das übersteigt dem Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI zufolge die voraussichtliche Nachfrage. Zudem hätten die vergangenen Jahre gezeigt, dass eine Umsetzung aller angekündigten Projektvorhaben äußerst unwahrscheinlich ist.
Europa steht nicht zuletzt wegen seiner ausgeprägten Automobilindustrie vor einer Expansion der Batterieproduktionskapazitäten. Momentan beträgt der europäische Anteil an der globalen Produktionskapazität lediglich rund zehn Prozent, während der Anteil an der globalen Batterienachfrage bei rund 25 Prozent liegt. Deswegen ist der Markt aktuell stark von ausländischen Zellen abhängig, insbesondere von solchen aus China.
Wegen der strategischen Bedeutung von Batterien, beispielsweise für Elektroautos, sind viele Unternehmen interessiert an einer Europäischen Zellherstellung. Das hat dafür gesorgt, dass bis 2030 mehr als zwei TWh an jährlichen Produktionskapazitäten angekündigt wurden.
Nach anfänglicher Euphorie sagen viele Batteriehersteller ihre Pläne ab
Mit Blick auf die europäische Nachfrage, welche bis 2030 zwischen 800 und 1300 GWh liegen könnte, würden die zwei TWh Produktionskapazität laut dem Fraunhofer ISI große Überkapazitäten bedeuten. Denn insbesondere der Markthochlauf der Elektromobilität erfolge langsamer als erwartet. Darüber hinaus ließen die größer werdenden Überkapazitäten in Asien die Akkupreise weiter fallen. Außerdem hätten Startschwierigkeiten erster europäischer Produktionsvorhaben die Stimmung gedämpft und dazu beigetragen, dass viele geplante Projekte bereits wieder abgekündigt wurden.
Die Herausforderungen für die europäische Produktion sind den Experten zufolge vielfältig. Hohe Energiepreise und Investitionskosten sowie fehlendes Produktions-Know-how stellten zusätzliche Hürden dar. Analysen zeigten jedoch, dass sich Europa unter anderem durch politische Impulse wie die neue Batterieverordnung (inklusive Offenlegung des CO2-Fußabdrucks sowie Vorgaben für das Batterierecycling) als attraktive Produktionsregion positionieren kann.
Verzögerte & gescheiterte Projekte in Europa
Die verzögerten oder komplett gescheiterten Batterieproduktionsprojekte in Europa belaufen sich der Auswertung zufolge aktuell auf insgesamt mehr als 700 GWh. Allein die entsprechenden Projekte in Deutschland summierten sich auf rund 240 GWh. Allen voran stehe Northvolt, dessen Zukunft unklar ist. Das schwedische Start-up geriet wegen Hochlauf- beziehungsweise Qualitätsschwierigkeiten sowie des Abspringens wichtiger Investoren und Aufträge in Schieflage. Durch zu breit gestreute Aktivitäten konnte der geplante Aufbau und Hochlauf von mehreren Bauprojekten nicht wie geplant stattfinden.
Aufgrund der finanziellen Notlage von Northvolt kann nicht davon ausgegangen werden, dass die 60 GWh in Heide wie geplant fertiggestellt werden. Auch die geplante Gigafactory von ACC, an dem die Autokonzerne Stellantis und Mercedes beteiligt sind, in Kaiserslautern (32 GWh) liegt derzeit auf Eis. Hintergrund sind die Marktsituation, strategische Entscheidungen hin zu alternativen Zellchemien und Herausforderungen im Scale-Up mit noch hohen Scrap-Raten. Anders als Northvolt hat ACC früher reagiert und konzentriert sich nun auf die Fertigung in Frankreich.
Auch bei CATL in Erfurt läuft es anders als ursprünglich geplant. Dort ist eine von dem chinesischen Batterieriesen geplante Erweiterung der laufenden Gigafactory von insgesamt 60 GWh in der Schwebe. Die Großfabrik von Cellforce in Schwarzheide will der Mutterkonzern Porsche nicht mehr eigenständig umsetzen. Hierfür verantwortlich ist insbesondere das schwache Marktwachstum. Zwei Vorhaben von SVolt sind ebenfalls unter anderem aus diesem Grund sowie wegen strategischer Unternehmensentscheidungen gescheitert. Farasis ist mit seinem Projekt in Bitterfeld ebenfalls aus strategischen Gründen gescheitert. Blackstone in Döbeln scheiterte wohl aufgrund der nicht erreichten Produktionsperformance in Kombination mit Finanzierungsproblemen.
Große Abkündigungen gibt es zudem in Schweden aufgrund von vier Vorhaben mit alleiniger oder teilweiser Beteiligung von Northvolt beziehungsweise Volvo. Insgesamt ist in dem Land die Zukunft von 110 GWh an Produktionskapazität fragwürdig, wobei noch nicht das aktuell noch produzierende Werk in Skelefftea berücksichtigt wurde. In Italien sollten die gescheiterten und verzögerten Projekte eine Produktionskapazität von insgesamt 85 GWh haben. Das ACC-Projekt in Termoli (40 GWh) liegt genauso wie das Projekt in Kaiserslautern auf Eis, das Werk in Scarmagno von Italovolt (45 GWh) ist wegen fehlender Finanzierung gescheitert.
Osteuropas abgekündigte Projekte summieren sich auf insgesamt 80 GWh, da die Volkswagen-Tochter PowerCo die Strategie des Hochlaufs beziehungsweise der zunächst priorisierten Produktionsstätten änderte. In Rumänien, Norwegen und dem Vereinigten Königreich sind Projekte bis 30 GWh gescheitert – oft wegen unzureichender Finanzierung beziehungsweise des schwächelnden Markts. In der Slowakei gibt es eine dreijährige Verzögerung bei InoBat und Gotion (60 GWh), in Finnland bleibt das Freyr-Projekt in Vaasa unsicher (40 GWh).
Europäische Batterieproduktion bleibt wohl deutlich hinter Ankündigungen zurück
Die Analyse des Fraunhofer ISI zeigt, dass voraussichtlich nur zwischen 54 und 75 Prozent der angekündigten Kapazitäten in Europa tatsächlich realisiert werden, was in etwa 1,2 bis 1,7 TWh bis 2030 entspricht. Mit den anzunehmenden Verzögerungen der Bauvorhaben sowie einem geringeren Output in den Fabriken aufgrund von Produktionsausschuss und der Auslastung bedeutet dies einen realistischen Produktionsoutput von 0,8 bis 1,1 TWh im Jahr 2030.
Die Mehrheit der Produktionsprojekte (66 %) befindet sich derzeit noch in der Planungsphase, wobei Deutschland, Frankreich, Skandinavien und Osteuropa als Hotspots für die angekündigten Kapazitäten gelten. Trotz Herausforderungen zeigt laut dem Fraunhofer ISI der Trend hin zu einem wachsenden Anteil einer europäischen Zellproduktion im Vergleich zu globalen Produktionszahlen.
„Zusammenfassend ist erkennbar, dass die europäische Abhängigkeit von Zellimporten voraussichtlich sinken wird“, so die Forscher. „Mit einem klaren Fokus auf technologische Souveränität und die Notwendigkeit, sich von Importen aus China unabhängiger zu machen, positioniert sich Europa trotz der aktuellen Schwerfälligkeit als zukunftsträchtiger Standort für die Batteriezellproduktion.“
der Wartende meint
Gibt es denn bisher schon einen nicht-asiatischen Batteriezellen-Hersteller, der in Europa Zellen produziert, die für Elektro-PKWs genutzt werden und auch wettbewerbsfähig sind?
Jeff Healey meint
„Trotz Herausforderungen zeigt laut dem Fraunhofer ISI der Trend hin zu einem wachsenden Anteil einer europäischen Zellproduktion im Vergleich zu globalen Produktionszahlen.“
Ok…?
Es besteht also doch noch Hoffnung (?)
Nur eines scheint mir sicher, die Zellen aus europäischer Produktion werden voraussichtlich nicht mit den niedrigen Preisen der asiatischen, hauptsächlich der chinesischen Industrie mithalten können.
Günstigere E-Autos durch europäische Zellproduktion dürfen wir leider nicht erwarten.
Future meint
Hat Fraunhofer auch die benötigten Zellen für die dringend notwendigen Großspeicher in der Analyse berücksichtigt? VW hat in 2024 ja angekündigt, mit Tochter Elli mehrere Power Center in Deutschland zu planen. Die Kapazität wird zunächst bei 350 Megawatt liegen – das entspricht in etwa der eines Gaskraftwerks. Später soll auch eine Gigawattstunde möglich sein. Diese Speicher sind enorm wichtig für die Energiewende. Allerdings habe ich seit den Ankündigungen nichts mehr von VW dazu gehört.
eBikerin meint
„Die Kapazität wird zunächst bei 350 Megawatt liegen – das entspricht in etwa der eines Gaskraftwerks. “
Nein – es war die Rede dass die Kapazität bei 700 Megawattstunden liegen solle.
Von der Leistung war keine Rede. Ein Gaskraftwerk hat so 350 Megawatt Leistung – also könnte so ein Power-Center (toller Name mal wieder) ein Gaskraftwerk ganze zwei Stunden ersetzen – wenn es denn die selbe Leistung hätte.
Future meint
Macht VW denn nun oder waren das wieder nur so Ankündigungen der PR-Leute? Deutschland braucht dorch dringend Großspeicher – Gigawattstunde ist gut.
Jeff Healey meint
Wie es konkret bei VW aussieht weiß ich nicht. Allgemein sieht es anscheinend nicht schlecht aus:
https://www.ingenieur.de/technik/fachbereiche/energie/rekordverdaechtig-deutschland-plant-riesige-batteriegrossspeicher/