Die ab nächstem Jahr für Automobilhersteller in der EU drohenden Strafen für überschrittene CO₂-Flottengrenzwerte sollten nach Ansicht der „Autoländer“ Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen gestoppt werden.
„Die drohende immense Überschreitungsabgabe würde zu fehlender Liquidität bei den Automobilherstellern für weitere erforderliche Investitionen in die Transformation führen. Wettbewerbsnachteile insbesondere gegenüber chinesischen Herstellern würden zunehmen“, heißt es laut Medienberichten in einem gemeinsamen Schreiben der Ministerpräsidenten der drei Bundesländer an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU).
Der dreiseitige Brief wurde von Winfried Kretschmann (Grüne, Baden-Württemberg), Markus Söder (CSU, Bayern) sowie Stephan Weil (SPD, Niedersachsen) unterzeichnet.
Nach derzeitiger EU-Gesetzeslage drohen Geldbußen für Autohersteller, wenn sie die sogenannten Flottengrenzwerte für den CO2-Ausstoß überschreiten. Die Grenzwerte werden 2025 deutlich strenger. Für zu viel ausgestoßenes CO2 müssen Autobauer Strafe zahlen. Der europäische Automobilverband ACEA hat erklärt, dass der Branche Zahlungen von bis zu 15 Milliarden Euro drohen.
„Die Abgabe wegen Emissionsüberschreitung (Strafzahlungen) wurde zu einem Zeitpunkt einer vollkommen anderen internationalen Wettbewerbssituation verankert“, heißt es in dem Schreiben. Unternehmen sollten nur für Zielverfehlungen Kompensationszahlungen leisten müssen, wenn sie diese auch zu verantworten hätten. Laut der parteiübergreifenden Initiative hat die Autoindustrie zahlreiche Anstrengungen unternommen und bislang über 200 Milliarden Euro investiert, um die vereinbarten Flottengrenzwerte zu erreichen.
Allerdings sei es bislang nicht gelungen, die Verbraucher in einem ausreichenden Maße zum Umstieg auf lokal emissionsfreie Elektroautos zu bewegen, schreiben die Ministerpräsidenten. Die Kundschaft zögere beim Kauf von Stromern auch, weil die von der EU geplante Ladeinfrastruktur nicht ausreiche. Zudem ist der für deutsche Autohersteller wichtigste Absatzmarkt China in den vergangenen Monaten eingebrochen.
Die drei Länderchefs fordern, Strafzahlungen auszusetzen und die geplante Überprüfung der CO₂-Grenzwerte auf das Jahr 2025 – für schwere Nutzfahrzeuge auf das Jahr 2026 – vorzuziehen. Zudem brauche es eine Überprüfung der EU-Verordnung für den Aufbau einer einheitlichen Ladeinfrastruktur. „Etwaige Sanktionierungen von Unternehmen sollten erst nach Abschluss dieses Prozesses erfolgen“, so die Ministerpräsidenten.
Es sollte vermieden werden, „dass finanzielle Sanktionen den Bemühungen der Automobilindustrie entgegenwirken, die sich bereits intensiv mit der Entwicklung nachhaltiger Fahrzeuge und dem Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur auseinandersetzt“, hieß es weiter. Es sei entscheidend, dass die EU und die Industrie gemeinsam konstruktive Lösungen erarbeiten, die Anreize schaffen und den Dialog fördern, um Vertrauen aufzubauen und die Verbraucher von den Vorteilen der E-Mobilität zu überzeugen.
Greenpeace: EU-Grenzwerte „dringend nötig“
Die Umweltorganisation Greenpeace hat die Forderung der deutschen Autoländer nach einem Stopp für drohende CO₂-Strafen von der EU für Autohersteller scharf kritisiert. „Mit ihrer Forderung nach weniger Druck riskieren die Ministerpräsidenten, dass die deutschen Hersteller auf dem Zukunftsmarkt der Elektromobilität noch weiter zurückfallen“, sagte Greenpeace-Mobilitätsexpertin Marion Tiemann der Deutschen Presse-Agentur.
„Der Veränderungsdruck durch die EU-Grenzwerte mag für manche Hersteller ungelegen kommen, aber er ist für das Klima und auch für die Autobauer dringend nötig“, so Tiemann. Das zeigten die Marktanteilsverluste von VW, BMW und Mercedes auf dem weltgrößten Automarkt in China, wo Elektromobilität bereits viel weiter ist. „Die drei Länderchefs wollen den Autobauern jetzt mehr Zeit für den Verkauf klimaschädlicher Verbrenner einräumen. Das ist angesichts immer häufigerer Dürren, Hitzewellen und Überflutungen extrem gefährlich.“
„Damit gute Wirtschafts- mit erfolgreicher Klimapolitik zusammengeht, sollte der Anreiz zu einem schnelleren Umbau und zu mehr und bezahlbaren E-Autos aufrechterhalten werden“, sagte Tiemann. „Die Flottengrenzwerte tun genau das.“
Jensen meint
Den Worten der Dame von Greenpeace ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Hersteller hatten reichlich Zeit, sich auf die neuen Werte einzustellen, es hat Ihnen auch niemand verboten, diese ohnehin immer noch viel zu hohen Flottengrenzwerte bereits früher zu erreichen. Richtig Sinn würde es dann machen, wenn die Grenzwerte für jedes einzelne Fahrzeug und nicht für einen Flottendurchschnitt gelten würden. Die genannten Milliarden-Investitionen sind natürlich auch deswegen erhöht, weil man eben sehr verspätetet angefangen hat, hinterherzulaufen. Natürlich ist das jetzt eine lauter werdende Debatte, auch ein wenig dem deutschen Wahlkampf geschuldet, aber ich bin sehr optimistisch, dass die EU bei der eingeschlagenen Linie bleibt. Nebenbei dürfte bei einer wie auch immer gearteten Aufweichung der Vereinbarungen eine Klagewelle der Hersteller ins Haus stehen, die keine Probleme mit Flottengrenzwerten haben bzw. ohnehin keine Auspufffahrzeuge verkaufen.
Elvenpath meint
Grenzwert sind sinnlos, wenn es keine Strafen für das Überschreiten gibt.
Die Strafen kann man ja dann bezahlen, indem man mal keine Gewinne an die Aktionäre ausschüttet.
Powermax meint
Du hast das System nicht verstanden.
Die Aktionäre sind die Kunden alles dreht sich um die Gewinne dieser.
Der Autokäufer ist nur Geldeinzahler mehr nicht.
F. K. Fast meint
Warum nicht sportlich sehen: der Bessere möge gewinnen.
Mäx meint
Kurz zusammengefasst wer Schuld ist:
Die blöden Verbraucher in Europa die die BEV nicht kaufen wollen
Die blöden Chinesen die unsere Autos nicht kaufen wollen
Die blöde EU die zu wenig Ladesäulen plant
Kurz zusammengefasst wer auf jeden Fall keine Schuld ist:
Wir die Autobauer natürlich
Was soll eine Verschiebung bringen? Da ist wie bei Junkies, bitte bitte bitte nur noch einen letzten Schuss.
„Zudem ist der für deutsche Autohersteller wichtigste Absatzmarkt China in den vergangenen Monaten eingebrochen.“
> Der chinesische Markt ist nicht eingebrochen. Die Absätze 2024 YTD (November) sind grob genau auf dem Niveau des Vorjahres bzw. leicht höher (niedriger einstelliger Prozentsatz)
Nur die Absätze der ausländischen Firmen sind eben rapide gesunken und im gleichen Maße die der einheimischen gestiegen. Das ist die neue Realität.
Jeff Healey meint
„Allerdings sei es bislang nicht gelungen, die Verbraucher in einem ausreichenden Maße zum Umstieg auf lokal emissionsfreie Elektroautos zu bewegen, schreiben die Ministerpräsidenten.“
Die Verbraucher sind eben nicht bereit Eure überteuren Fahrzeuge abzunehmen.
Nicht jeder fährt mit einem Firmenwagen.
Bis heute gibt es keine günstigen E-Fahrzeuge aus deutscher Produktion im Bereich zwischen 15-25 tausend Euro.
Und dann wundert man sich noch?
Die Hausaufgaben liegen bei der Industrie, nicht beim Bund.
CJuser meint
Die Frage sollte eher sein, wieso die Hersteller die Strafen scheinbar nicht auf die Preise umlegen. Dann sähe die Parität zu BEVs auch ganz anders aus. Und was ausländische Fahrzeuge angeht, schlicht die Zollgebühren je Fahrzeug nach dem Ausstoß aufschlagen. Dann sieht ein Dodge RAM vielleicht auch endlich (!) alt an der Kasse aus.
Gernot meint
Jahrelang schieben Manager bei den deutschen Autokonzernen die Entwicklung neuer BEV-Modelle nach hinten.
Jahrelang weigern sich die Manager bei den deutschen Autokonzernen, in Batterien zu investieren und haben deshalb teils eklatante Kostennachteile bei Batterien gegenüber dem chinesischen Wettbewerb.
Jahrelang versagen Manager bei den deutschen Autokonzernen dabei, funktionierende Strukturen für die Softwareentwicklung zu bauen, obwohl auch Autos heute zunehmend softwaredefinierte Produkte sind.
Jahrelang haben die Manager bei den deutschen Autokonzernen kein Interesse, kleine BEV aufzulegen. Logik: Warum einen Kleinwagen mit 500 Euro Marge auflegen, wenn wir bei Autos für 50.000 Euro doch 5.000 Euro (Brutto)Marge einstreichen. Es ist nicht plausibel, dass sowas wie der Wuling mini EV, der in China 4.000 Euro kostet, hierzulande auch für 10.000 Euro angeblich nicht baubar ist. Man will das nicht.
Seit Jahren ist den Managern bekannt, welche Konsequenzen das Verfehlen der CO₂-Flottengrenzwerte hat. Wenn sie nun mit diesen Konsequenzen ihrer eigenen Managemententscheidungen konfrontiert werden, jammern sie herum. Die EU muss hart bleiben. Natürlich ist das Geld dann wirklich weg und „fehlt“ den Herstellern. Aber es ist gesichert davon auszugehen, dass das Geld ohnehin nicht 1:1 in Investitionen fließen würde, sondern nur als Dividende an die Aktionäre ausgeschüttet wird. Und die haben offensichtlich auch Lernbedarf.
Ladeinfrastruktur ist auch vorgeschoben. Auf den größten EU- Märkten wie Deutschland und Frankreich haben wir eher eine Überversorgung. Ca. 50% aller PKWs stehen in Deutschland vor Eigenheimen, die kein Problem haben, ein Kabel ans Auto zu bekommen. Aber die Industrie hat bislang nur wenig angeboten, um z.B. die Millionen an Kleinwagen als Zweitwagen in den Eigenheimsiedlungen durch BEV- Kleinwagen zu ersetzen. VW hat da seit Jahren nichts im Angebot, Audi auch nicht. Opel hat für den elektrischen Corsa bis vor kurzem 35.000 Euro als Mindestpreis aufgerufen.
Gernot meint
Um den letzten Punkt vielleicht noch verständlicher zu machen: Wenn der Corsa-Benziner (oder auch der VW Polo) einen Einstiegspreis von 20.000 Euro hat und der Elektro-Corsa 35.000 Euro kostet, dann ist das gleich große Elektroauto 75 Prozent teurer. Es gibt längst viele Konstellationen, in denen Elektroautos in einer TCO-Rechnung trotz höherem Kaufpreis billiger als Verbrenner sind und somit nicht nur ökologisch sondern auch ökonomisch betrachtet rational sinnvoll sind. Aber solche Kleinwagen als Zweitwagen werden statistisch 6.000-8.000 km im Jahr gefahren. Bei so wenig Fahrleistung holt man derart hohe Mehrkosten beim Kauf durch günstigeren Verbrauch nie mehr rein.
Powerwall Thorsten meint
Sehr viele Bürger dieser „Autoländer“ befürworten diese Strafzahlungen aber.
Das ist der Unterschied zwischen von gewählten Exekutiv- und Legislativorganen gefassten Beschlüssen und Gesetzen und schäbigen Lobbygruppen.
Carpe diem – hätten die OEMs mal übersetzen sollen.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Eine Pisa-Studie bei deutschen Automobil-Managern würde die Ursache für das Desaster aufdecken. 700.000 Arbeitsplätze in der Hand von Amateuren.
David meint
Ich weiß nicht, was du machst oder gemacht hast. Will ich auch nicht wissen. Aber deine „wertvollen“ Einlassungen beweisen stets aufs Neue, man hat Dir einen Job zugewiesen, bei dem kein großer Schaden für die Wirtschaft entstehen kann.
Gernot meint
Es sind keine Amateure. Es sind äußerst kompetente Profis. Halt nur nicht für den Bau von Autos, sondern für die kurzfristige Bilanzoptimierung und eigene Bonusmaximierung.
Das ist auch kein deutsches Phänomen. Im Großen und Ganzen die gleiche Seuche wie bei Boeing und so vielen anderen. Es galt jahrzehntelang der Spruch „If it’s not Boeing, i’m not going.“ Boeing war der Inbegriff für technologische Exzellenz und Sicherheit. Nach der Fusion mit McDonnell Douglas übernahm bei Boeing ein neues Management und ab da ging es nur noch um Shareholder-Value. Damit wurde der ganze Konzern ruiniert. Bei Boeing hat die mit krimineller Energie gebaute und gegen alle Regeln des Flugzeugbaus verstoßende MCAS-Software dann 2 Maschinen in den Boden gerammt. In der Autobranche hat mit krimineller Energie manipulierte Software zu Abgasskandalen bei vielen Marken geführt. Dieses Programm läuft fast überall. 5% Rendite reichen nicht mehr. Es müssen 10, 20, 30 % sein. Und das ruiniert alle Firmen, frisst deren Substanz, blutet sie aus, zerstört Gesellschaften und Demokratien.
Die Sinistren, die über alle maßen Gierigen haben X, Fox News, Bild, OAN, Welt usw. „Wir“ haben keine gleich wirkmächtigen Plattformen und Medien und deshalb verlieren „wir“. Ein paar Posts von Musk auf X, in denen er allen republikanischen Abgeordneten droht, dass sie nicht wiedergewählt werden, wenn sie für den Haushaltskompromiss stimmen, reicht aus, um wenigen Stunden später den mühsam ausgehandelten Haushaltskompromiss zu versenken und die USA (wahrscheinlich) in den Shutdown zu schicken. Nachdem Musk Trump ins Amt geholfen hat, will er nun wohl Nigel Farage in UK finanzieren. Das ist der Clown, dem UK den fatalen Brexit zu verdanken hat. Wird wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, bis Musk hierzulande die AfD finanziert.
Earth is Burning meint
„Allerdings sei es bislang nicht gelungen, die Verbraucher in einem ausreichenden Maße zum Umstieg auf lokal emissionsfreie Elektroautos zu bewegen.“
Das mag vielleicht damit zusammenhängen, dass Fördergelder in neoliberaler Manie zusammengestrichen wurden und die Autokonzerne nur in dekadente Blechtonnen investiert haben, anstatt Autos zu bauen, die die Menschen mögen und sich auch leisten können.
Ich finde dieses Gejammer unerträglich. Es sind hausgemachte Probleme, und jetzt müssen die Konsequenzen für die jahrelange Stümperei auch getragen werden.
Justin Case meint
Amen.
David meint
Zum Glück weißt du ja als einziger hier, was die Leute wirklich möchten. Und die Autohersteller interessiert das nicht, die möchten ja nichts verkaufen. Jetzt wundert man sich nur, warum die sich alle gegen dich verschworen haben? Da ist ja nicht ein einziger dabei, der ausbricht und ein Fahrzeug nach deiner Fasson auf den Markt bringt. Das wäre doch die Idee für einen neuen Hersteller, mal die Autos zu bauen, die die Leute möchten. Macht aber keiner. Wie erklärst du dir das?
Jeff Healey meint
Amen.
Jörg2 meint
Ich habe schon öfters die Forderung aus Industrie und deren Lobbyverbänden gelesen, es braucht verlässliche Rahmenbedingungen.
Nun gibt es diese seit Jahren in dem Bereich und es scheint auch nicht gewollt zu sein….
Daniel S meint
Die Autoländer können ja auf Ecofuel und H2 zurückgreifen, wofür sie schon Milliardenförderungen ihne Resultat erhalten haben.
ID.alist meint
Irgendwie kann ich mich weder hinter der China-freundliche Position von Greenpeace stellen, noch verstehe ich wie Ministerpräsidenten von den Grünen oder SPD gegen den Fortschritt sind.
Wie auch immer, das ganze ist sehr langweilig geworden. Bitte mich in 2030 wecken, ich kann das ewige Gejammer von beiden Seiten nicht mehr anhören.