Dass der Neue Europäische Normfahrzyklus NEFZ unrealistische Verbrauchswerte ergibt, ist schon länger kein Geheimnis mehr. Die Faustregel war, dass der tatsächliche Verbrauch um etwa 20 Prozent höher liegt, als im NEFZ-Testlauf ermittelt. Problematisch ist das Ganze, da die Hersteller mit den niedrigen NEFZ-Werten Werbung machen, um ihre Fahrzeuge an den Mann zu bringen. Einige Verbraucher fühlen sich deswegen nach dem Kauf getäuscht. Es kam sogar schon zu einem Gerichtsurteil, bei dem zugunsten eines enttäuschten Autokäufers entschieden wurde.
Nun haben Klimaschutzforscher des International Council on Clean Transportation (ICCT) in einer umfangreichen Studie genau errechnet, wie weit Werbung und Wirklichkeit tatsächlich auseinander liegen. Das ICCT untersuchte für die Studie eine halbe Million Autos, mit ernüchterndem Ergebnis: Vor allem bei deutschen Herstellern liegen die realen Verbrauchswerte viel zu hoch.
Deutsche Hersteller weichen am stärksten ab
Die in Washington und Berlin forschenden Wissenschaftler fanden heraus, dass Neuwagen von BMW durchschnittlich 30 Prozent mehr verbrauchen als angegeben. Bei Audi lag die Kluft bei 28 Prozent, die Abweichung bei Mercedes beträgt 26 Prozent. Wohlgemerkt: diese Werte sind Durchschnittswerte für den jeweiligen Gesamtkonzern, bei einigen Modellen liegen die Abweichungen noch viel höher. Modelle von Toyota, Renault und Peugeot Citroën verbrauchen 15 bis 16 Prozent mehr Sprit als behauptet.
Für die umfangreiche Studie wertete das ICCT mehrere Jahre lang für Deutschland vor allem Daten von zwei Hauptquellen aus: Die Fuhrparkmanager von LeasePlan Germany stellten jährlich Verbrauchswerte von etwa 15.000 Fahrzeugen zur Verfügung. Nutzer des Internetportals Spritmonitor versorgten die Forscher mit Daten von rund 5000 weiteren Autos. Auch der ADAC lieferte umfangreiches Datenmaterial.
Die internationale Untersuchung erfolgte auch in vielen anderen Ländern und untersuchte Verbrauchsangaben von honestjohn (Großbritannien), von TCS (Schweiz) und Travelcard (Niederlande) sowie der Verbraucherorganisationen WhatCar (Großbritannien) und QueChoisir (Frankreich).
„Wir unterstellen den Autoherstellern nicht, illegal zu handeln“
Der Studie zufolge schwindeln die Hersteller – ob bewusst oder nicht sei dahingestellt – von Jahr zu Jahr mehr: Betrug der Verbrauchsunterschied im Jahr 2001 noch zehn Prozent, so lag die Lücke zehn Jahre später im Durchschnitt bei satten 25 Prozent. Ein Auto, das eigentlich nur acht Liter brauchen soll, schluckt in Wahrheit zwei Liter mehr. Das macht bei den aktuellen Spritpreisen etwa drei Euro auf 100 km und somit 15 bis 20 Euro pro Tankfüllung.
„Wir unterstellen den Autoherstellern nicht, illegal zu handeln“, sagt Peter Mock, einer der Autoren der Analyse, der Zeit Online. Der Fehler liege beim Neuen Europäischen Fahrzyklus – der Methode, mit der seit 1996 europaweit der Spritverbrauch gemessen wird. Autokäufer haben jedoch einige Möglichkeiten, genauere Verbrauchsangaben in Erfahrung zu bringen: „Wir empfehlen, in unseren EcoTest zu schauen“, erklärt Sonja Schmidt vom ADAC Technik Zentrum Landsberg gegenüber Zeit Online. Der EcoTest wird zum Beispiel immer mit eingeschalteter Klimaanlage und Licht durchgeführt und bietet schon allein deshalb viel realistischere Werte.
Neue Methode WLTP soll fairer sein
Der Messzyklus des ADAC berücksichtigt bereits den geplanten weltweiten Standard WLTP (Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure), der faire Werte bringen soll und über den derzeit verhandelt wird. Beim WLTP erfolgt unter anderem eine stärkere Beschleunigung, auch höhere Geschwindigkeiten werden gefahren. Außerdem werden die Zeiten, in denen das Fahrzeug stillsteht und der Motor nicht läuft, verkürzt. Das Europäische Parlament will den WLTP-Standard bis 2017 einführen. In der Studie des ICCT heißt es, dass die EU-Minister im Laufe dieses Jahres eine endgültige Entscheidung treffen möchten.