Kritiker von Elektromobilität bemängeln, dass im Falle eines Elektroauto-Booms nicht genügend Rohstoffe für die Millionen benötigten Batterien zur Verfügung stehen. Christian Hochfeld, Chef der Denkfabrik Agora Verkehrswende, sieht das anders. Viel größere Probleme für die Autobauer stellt seiner Ansicht nach die zunehmende Marktmacht der Zulieferer dar.
Agora habe analysiert, wie hoch die Reserven an wichtigen Rohstoffen wie Lithium, Nickel, Kobalt und Grafit sind. „Und bei allen Materialien kommen wir zu dem Ergebnis, dass es keine physischen Knappheiten geben wird; nicht einmal, wenn 2030 weltweit 40-mal so viele E-Autos in den Markt kommen wie 2015 und 2050 mehr als 100-mal so viele“, sagte Hochfeld im Gespräch mit der Zeit.
Für seine Auswertung hat Agora auch Anwendungen außerhalb der Elektromobilität berücksichtigt – und kam zu dem gleichen Ergebnis: Die weltweiten Vorkommen übersteigen den prognostizierten Bedarf „bei weitem“, so Hochfeld. Zukünftig würde zudem das Recycling alter E-Auto-Akkus eine immer größere Rolle spielen.
Der Agora-Chef merkte an, dass es trotz ausreichend vorhandener Rohstoffe später zu einer Knappheit kommen könnte – „entweder aus politischen Gründen oder einfach deswegen, weil die Zahl der Elektrofahrzeuge zwischenzeitlich schneller wächst, als neue Förderstätten erschlossen werden können“. Hochfeld geht davon aus, dass die Unternehmen in den nächsten Jahren verstärkt nach Ersatzmaterialien suchen werden. „Womöglich wird es nach 2030 deshalb andere Batterien geben als die heute üblichen Lithium-Ionen-Akkus.“
Eine weitere Herausforderung beim Hochlauf der Elektroauto-Produktion erwartet die Hersteller laut Agora bei den Verhandlungen mit Zulieferern. „Bisher sind es die Autohersteller gewohnt, ihren Zulieferern die Preise zu diktieren; das funktioniert jetzt offenbar nicht mehr. Die Marktmacht innerhalb der Wertschöpfungskette verschiebt sich, weg von den Autoherstellern“, so Hochfeld.
EcoCraft meint
Kann mir noch mal einer erklären, warum sich die Marktmacht in Richtung der Zulieferer verschieben wird? Diesen Gedankengang bekomme ich für micht nicht so ganz klar.
Was ändert sich beim eAuto?
Auch bei den Verbrennern, werden ein Großteil der Komponenten nicht mehr selbst gefertig, sondern „just-in-time“ von irgendwelchen Zulieferen bestellt. Bisher klappt es da aber auch, dass die „großen und bösen“ Herstellerfirmen die „kleinen und unschuldigen“ Zuliefer massiv unter Druck setzen können um ihre Produkte zu tiefstpreisen zu erwerben.
Was ändert sich? Gerade weil man ständig hört – der eMotor ist vom Aufbau viel simpler und braucht viel weniger Teile. Nach dieser Logik müssten auch viel mehr Firmen in der Lage sein, diese Teile zu fertigen und zu verkaufen. Also haben die Hersteller wieder die Möglichkeit zu sagen: “ Wenn du mir das Produkt X nicht für den Preis Y verkaufst dann geh ich einfach zu deinem Konkurrent Firma B und kaufe bei ihm nicht nur das Produkt X sondern auch noch die Produkte U und V die schon für mich produzierst und dir brechen wertvolle Einnahmen weg!“
Im Grunde bleibt das Spiel zwischen Einkäufern und Verkäufern doch das selber – auch wenn die Produkte sich ändern.
Über kurz oder lang wird es auch weiterhin eine handvoll großer Unternehmen geben (Namen ändern sich vielleicht) welche die Teile in gewaltigen Größenordnungen bei Zulieferen nachfragen und es wird deutlich mehr Zulieferer geben, die sich die Aufträge dieser Unternehmen sichern wollen und dafür ihre eigene Konkurrenz ausstechen bzw. unterbieten müssen.
Tim Leiser meint
Nun… Wenn die Nachfrage nach Rohstoffen zunächst schneller steigt als die Förderung derselben, können die Zulieferer an den höchstbietenden verkaufen. Wenn sich das aber mal umkehrt, ist es wie von Dir beschrieben
Fritz! meint
Das stimmt bei allen Zulieferteilen, außer beim Akku. Dort wird es wahrscheinlich eine weltweite Knappheit geben, daß die Hersteller von Akkus an den verkaufen können, der den höchsten Preis zahl. Die Anzahl der Akku-Hersteller ist noch begrenzt, deren Kapazität erst recht im Moment. Und der Aufbau einer neuen Gigafactory für mehr Akkus dauert eher 5 als 2 Jahre.
Daniel meint
Vertikale Integration. Warum das z. B. Tesla wohl macht?
Fritz! meint
„Bisher sind es die Autohersteller gewohnt, ihren Zulieferern die Preise zu diktieren; das funktioniert jetzt offenbar nicht mehr. Die Marktmacht innerhalb der Wertschöpfungskette verschiebt sich, weg von den Autoherstellern“
Das wird noch ein schock werden für die Einkäufer der „etablierten Verbrenner-Industrie“, die es gewohnt sind, am längeren Hebel zu sitzen. Jetzt werden sie auf einmal die Bittsteller sein, VW hat es ja schon schmerzhaft gemerkt bei ihrem 1. Desaster-Versuch, Cobalt zu kaufen/sichern.
150kW meint
„VW hat es ja schon schmerzhaft gemerkt bei ihrem 1. Desaster-Versuch, Cobalt zu kaufen/sichern.“
Es war der zweite Versuch. Der erste hat ja geklappt:
https://uk.reuters.com/article/uk-glencore-cobalt-vw-exclusive/exclusive-glencore-makes-large-cobalt-deal-securing-ev-battery-supplies-for-vw-idUKKBN19R20B
Lewellyn meint
Nein, genau dieser Glencore-Deal hat nicht geklappt.
Einfach mal das Datum der Artikel vergleichen.
http://www.deraktionaer.de/aktie/volkswagen-holt-sich-kobalt-klatsche—diese-aktien-profitieren–340630.htm
150kW meint
Im zweiten Artikel wird der erste Deal und CATL nicht erwähnt. Warum sollte es sich also um den Gleichen handeln? Dann müsste auch irgendwo stehen warum der erste Deal wieder aufgelöst wurde. Da steht aber nur was von Verhandlungen.
Lewellyn meint
Ja, das zählt mit zu den Gewohnheiten, welche die Elektromobilität ändert.
Nicht nur die Kunden müssen Gewohnheiten ändern, auch die Hersteller.