Deutsche und europäische Autohersteller haben bis auf weiteres nicht vor, eigene groß angelegte Batteriezellen-Fertigungen aufzuziehen. Auch Zulieferer wie Bosch oder Continental meiden die für eine wettbewerbsfähige Zellfertigung erforderlichen Milliarden-Investitionen. Experten halten dies für einen großen Fehler.
Der Markt für Elektroauto-Batteriezellen wir derzeit von Unternehmen aus Asien dominiert. “Es gibt ein Risiko der Abhängigkeit und der Verschiebung der Machtbalancen in der Automobilindustrie. Das ist kritisch zu sehen“, sagte Branchenexperte Wolfgang Bernhart von der Unternehmensberatung Roland Berger der Deutschen Presse-Agentur.
Der Bedarf an Akkuzellen werde mit dem Hochlauf der Elektromobilität in den kommenden Jahren deutlich steigen. „Zeitgleich nehmen die Preise für die Rohstoffe stark zu“, so Bernhard. Abhilfe könnte dem Berater zufolge eine europäische Lösung bringen, die von mehreren Unternehmen finanziert wird. „Bei entsprechenden Volumina könnte das Sinn machen, um sich vor möglichen Preiserhöhungen zu schützen.“
Auch deutsche Politiker wollen, dass Europa bei Batteriezellen nicht den Anschluss verliert. Die Bundesregierung kann sich laut Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vorstellen, ein solches Projekt zu fördern – man sei „bereit, im Rahmen des Beihilferechts Geld in die Hand zu nehmen“, erklärte der Wirtschaftsminister kürzlich. Auch die EU will die Produktion von Batteriezellen in Europa vorantreiben.
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte der Deutschen Presse-Agentur gesagt: „Die Fertigung von Batteriezellen ist entscheidend, um im globalen Wettlauf um die Technologieführerschaft in der Autoindustrie nicht ins Hintertreffen zu geraten.“ Unternehmen aus Ostasien könnten bereits heute Preise und Liefermengen bestimmen, unterstrich Hofmann. Aus Sicht der Industriegewerkschaft sei es „höchste Zeit“ für eine Zellproduktion in Europa.
Uwe meint
Von staatlichen „“Zerschlagungsphantasien“ halte ich in einer demokratischen Grundordnung nichts.
Durch die hohe Innovationsgeschwindigkeit in allen Bereichen der Industrie (alle Branchen sind betroffen von „Digitalisierung“, „Additiven Fertigungsverfahren“, höherer Automation, Roboter-Bau…-die sich schon selbst bauen können) werden die Produktlebenszyklen radikal verkürzt.
Im Automobilbau setzen sich unabhängig vom Antriebssystem völlig neue Materialien und Fertigungsverfahren sehr rasch durch.
Bei gleichzeitig hoher Differenz in der Entwicklung der Effizienz und der Fertigungstechnologie zu Gunsten der E-Antriebe verschwinden die Verbrenner sukzessive, aber mit höherer Geschwindigkeit als das heute medial durchdrungen ist.
Dadurch zerschlagen sich manche Strukturen und Konzerne freiwillig und von selbst, weil sie ökonomisch nicht mehr überleben können.
Zur Zeit kann ich nur erkennen, dass VW einen raschen Erkenntnisprozess durchläuft und auch durch Druck der Mitarbeiter/Gewerkschaft im Veränderungsprozess steckt.
BMW hat eigentlich historisch gesehen durch die Nähe der Eigentümerfamilie zur Batteriezellenfertigung Vorteile gehabt und war zeitlich mit dem i3 schon recht weit, ist dann aber in einen Tiefschlaf gefallen, der dazu führte, dass die Entwickler und Führungskräfte das E-Mobilitätsschiff verlassen haben: In großer Zahl und in die ganze Welt (Tesla, China, PSA). Mit neuen Modellen sieht es da eher schlecht aus. Nun soll es der Mini als Konzern-E-Marke retten.
Beim Rest der etablierten in Deutschland sieht es eher sehr, sehr trüb aus.
Dafür entstehen jede Menge völlig neue Firmen in der E-Auto-Fertigung.
So verschieben sich nicht nur die weltweiten Machtbalancen sondern auch die innerhalb unserer Volkswirtschaft und der Autoindustrie.
alupo meint
Auch wenn man nicht mit Sicherheit weiss welcher aktuelle Akkuhersteller wie weit „mit einem Forschungsdurchbruch“ bei seiner Zellchemie vorangekommen ist, halte ich eine europäische Zellfertigung für strategisch sinnvoll bzw. eigentlich für notwendig um zu überleben.
An einen Totalverlust der Milliardeninvestition aufgrund eines Durchbruchs in Asien glaube ich nicht. Und selbst wenn, dann haben die europäischen Forscher doch hoffentlich auch eine Antwort parat.
Bei einer in Zukunft geänderten Zellchemie schätze ich, dass man weit über 95% des Investments weiternutzen kann. Nicht nur die Produktionshalle, sondern auch die Fertigungsmaschinen etc.. Also verliert man nicht viel wenn man im günstigsten Fall in einigen Jahren vielleicht selbst einen Durchbruch erzielen würde.
Aber vielleicht ist genau das das Problem. Die europäische Forschung liegt wohl schon so viele Jahre zurück dass diese Branche schon jetzt verloren ist. Wir wissen nur nicht wie schlimm die Situation heute schon wirklich ist.
Klar, in so einem Fall ist eine Investition sinnlos, vergleichbar wenn z.B. Albanien vorhätte eine Autoproduktion auf der grünen Wiese aufzubauen. Keine Chance.
Für mich wären in der Vergangenheit vor allem auch die grossen Chemieunternehmen gefordert gewesen. Diese haben zusammen mit Materialwissenschaftlern in diesen Dingen doch viel mehr Kompetenz als die „Blechbieger“. Aber auch sie haben so gut wie nichts getan bzw. nichts hervorgebracht. Also geschlafen.
Hinzu kommt, dass sich die Chinesen die wichtigsten Cobaltvorkommen gesichert haben. Wozu braucht man eine Produktion wenn der Rohstoff fehlt?
Also wird es doch nichts mehr werden und nach der Abwanderung der Elektronikindustrie wird die europäische Autoindustrie ihr folgen. Nur wenige, rückwärtsintegrierte Unternehmen werden überleben können. Dazu zähle ich, wenn es mit dem Model 3 klappt, auch Tesla. Bei den grossen bin ich mir gar nicht sicher. Auch AEG oder Kodak waren einst die unangefochtenen Giganten deren Produkte man heute im Museum besichtigen kann.
Uwe meint
Hallo Alupo,
google mal Fraunhofer und Batteriezelle(n),
gehe ruhig Mal auf dem Zeitstrahl bis zu 10 Jahre zurück, rufe Dir die dazu gehörigen Patente auf und google dann noch Mal wer die Fertigungsrechte dafür hat:
Fast alles, was in Deutschland an mit Steuern finanzierten Erfindungen gemacht wurde, landete in der Fertigung im Ausland.
Warum?
In Deutschland fand sich kein Industrieunternehmen, dass die Chance erkannt hat und die Investitionen machen wollte.
China schickt jedes Jahr Dresdner Stollen an die Fraunhofer Institute in ganz Deutschland.
Fraunhofer hat jetzt wieder sehr viel versprechende Fortschritte erzielt und sogar eine „Fraunhofer-Allianz Batterien“ organisiert, die sich u.a. auch mit Ersatzmaterialien und Fertigungsverfahren beschäftigt, damit in naher Zukunft nicht mehr als Ausrede gebraucht wird: Wir haben noch kein Fertigungsverfahren für diese Entwicklung.“
Fraunhofer ist ein Bundesinstitut, das aus Bundesmitteln finanziert wird und solche Cluster werden mit hohen Fördersummen formuliert, so dass das ohne Regierung nicht möglich ist.
Bin mal gespannt ob Siemens, Bosch, Continental u.a. noch Mal über ihr Engagement in dem Bereich nachdenken, oder ob China noch Mal „Danke“ sagt.
eCar-Fan & TESLA-Fahrer meint
Ich glaube nicht, dass die deutschen Autokonzerne sowie Bosch, Varta u.a., allen voran die Vorstände und deren Vorstandsvorsitzende den Rat eines Herrn Peter Altmaier benötigen, wo und in was sie investieren sollen.
Auch wenn deren „Portokassen“ mit Milliarden-Gewinnen gefüllt sind: Wenn die im Voraus recherchiert, berechnet, Forschungsergebnisse und Märkte analysiert und berücksichtigt haben, sich auf höchster Ebene miteinander abgestimmt und Allianzen geprüft haben, letztlich aber zu dem Ergebnis kommen, dass sich damit kein Geld verdienen lässt. Kein Aussenstehender wird es dann jemals schaffen, ein Unternehmen dadurch in sein Verderben rennen zu lassen. Und sei er noch zu Altklug!
Wir alle hier wissen nicht, wie weit fortgeschritten z.B. die Akku-Technologie der nächsten Entwicklungsstufe bzw. Akku-Generation ist (Festkörper, Lithium-Luft, Titan-Niob-Legierung [Toshiba – neue Generation der SCiB-Akkus 2019] o.a.). Warum also soll man Milliarden in eine Fertigung investieren, die vielleicht „morgen“ schon vor der Ablöse steht. Die Konzernlenker -davon bin ich überzeugt- wissen es aber ganz bestimmt. Und bei allen Chancen, die sich ergeben, kennen sie die Risiken ganz genau! Ganz offensichtlich überwiegen die Risiken für Milliardengräber -zumindest derzeit- erheblich. Da sind sich alle wohl einig!
Uwe meint
In Deinen Worten steckt das Kernproblem der Ängste in den deutschen Vorständen:
Wenn wir Investieren sinkt die Aktienrendite. Investieren wir in eine Batterie-Technik die in 5 Jahren von einer besseren, effizienteren verdrängt wird, setzt sich das langfristig fort.
Dabei wird verdrängt, dass auch diese Investitionsdruck hat und evt. in dann 3 Jahren von einer besseren bedrängt wird.
Investiere ich gar nicht, muss ich immer dazu kaufen, und meine E-Auto-Modelle an die gerade günstigsten anpassen. Es macht mich abhängig vom Preis der Akkus und von der Technik.
Aber es wird dann auch parallel jeweils neue Modelle mit der neuen Akku-Technik geben, die schneller, weiter und sparsamer fahren, und besserer Umweltbilanzen vorweisen.
Und die dann schon im Markt sind, wie Tesla, eGo-life, StreetScooter, Nissan, Renault u.e.m. produzieren schon Stückzahlen, die ihnen erhebliche Einkaufsvorteile sichern (Tesla baut ja selbst Akkus und hat die Patente für andere freigegeben. jeder könnte sie nutzen, macht es aber nicht – Warum?)
Peter W meint
Unsere Autobauer haben Geld in unvorstellbaren Mengen. Die Milliardengewinne würden ausreichen um jedes Jahr mehrere Gigafactories zu bauen. Aber unsere Politiker haben wahrscheinlich selbst auch Aktienpakete von Daimler und VW, und deshalb muss man diese Gewinner erhalten und neue Investitionen verstaatlichen.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Die Gewerkschaften sind ja in den Vorständen des VDA-Clubs vertreten. Solange super Löhne / Gehälter und rießige Prämien für alle bezahlt werden können, soll sich die Politik aus dem Ganzen raushalten.
Und wenn die Unternehmen aufgrund mangelnder strategischer Kompetenz zu spät merken, dass sie in die falsche Richtung gegangen sind, dann hat die Politik erst Recht nichts in der Wirtschaft zu suchen.
Die Politiker zeigen ja jeden Tag, wie inkompetent sie sind, da braucht es nicht noch einen weiteren Beweis (siehe Landesbanken, Maut etc.).
jpo234 meint
Erinnert mich an die Zeit, als die Politik Siemens mit aller Gewalt zum Halbleiterproduzenten machen wollte…
https://www.siemens.com/history/de/aktuelles/1115_4-mbit-dram.htm
„Zu dieser Zeit befindet sich die europäische Mikroelektronik-Industrie allerdings gut zwei Jahre hinter der japanischen und amerikanischen Konkurrenz. Diese Tatsache soll sich durch das MEGA-Projekt ändern: Innerhalb von fünf Jahren wollen Siemens und Philips mit vereinten Kräften und staatlicher Unterstützung zur Weltspitze aufschließen. Das Ziel bei Siemens: die Produktion von Speicherchips, die vier Millionen Bit speichern, sogenannte 4-Mbit-DRAM (Dynamic Random Access Memory; Schreib-Lese-Speicher). „
TwizyundZoefahrer meint
Bitte nichts fördern, die deutsche Automobilindustrie braucht dringend eine Bereinigung. Die Firmen haben doch alle zuviel Geld. Warum soll man Firmen fördern die durch eigene Dummheit Milliarden Strafen zahlen?
Die Zerschlagung wäre der richtige Weg.
ducktales meint
> irnonie on ironie off <
Der Bitte nichts mehr zu fördern, um Bereinigungen zu erreichen stimme ich zu.
Zudem wurden und werden viele der großen Firmen seit Jahr(zehnt)en im Bereich E-Mobilität gefördert… und was haben sie daraus gemacht?
Rainer Zufall meint
aha, da ist wieder einer. Und ihr sagt immer in diesem Forum würde es keinen geben welcher das fordert. Fordern sie auch die Zerschlagung von Fiat, PSA, Renault und Ford?
TwizyundZoefahrer meint
Jeder Konzern der zu groß wird, sollte zerlegt werden. Schon alleine wegen der Korruption die sich in solchen Betrieben bildet. Zusätzlich sind Großkonzerne schwerfällig und nicht fortschrittlich. Warum wohl kauft Bayer den toten Monsanto mit einem Hauptprodukt das wahrscheinlich bald verboten wird. Das ist rational nicht nachzuverfolgen. Sicher Rainer Zufall.
Ob Lug und Betrug gesellschaftlich erstrebenswert ist, nur weil andere das auch machen, ist fraglich und für mich eben keine Option.