Das Klimaschutzziel der Bundesregierung für den Verkehr ist 2030 „bei Ausreizung aller technischen Hebel“ und mit Mehrinvestitionen zwischen 243 und 256 Milliarden Euro „theoretisch erreichbar“. Zu diesem Ergebnis kommt eine im Auftrag des Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) erstellte Analyse.
„Bei der Erreichung des Klimaziels im Verkehrssektor stoßen Wirtschaft und Gesellschaft an die Grenzen der praktischen Umsetzbarkeit. Nötig ist eine Strategie, die dieses enorm ehrgeizige Ziel auf politisch, sozial und ökonomisch vertretbare Weise angeht“, so Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des BDI. Es gebe „nicht die eine Wunderwaffe, mit der wir das Klimaziel erreichen können. Wir wollen individuelle Mobilität erhalten, dafür braucht es technologieoffene Lösungen“.
Mehr E-Mobilität & CO2-neutrale Kraftstoffe nötig
Als wesentliche Treiber für die angestrebte 40 Prozent Verminderung von Treibhausgasen bis 2030 gegenüber 1990 identifiziert die Analyse den Wandel hin zur E-Mobilität sowie die Erhöhung der Verfügbarkeit CO2-neutraler Kraftstoffe. Beide Bereiche könnten zusammen rund drei Viertel der erforderlichen Treibhausgase-Reduktionen ausmachen. Dafür müssten rund sieben bis zehn Millionen E-Fahrzeuge bis 2030 in Deutschland zugelassen und der Einsatz CO2-neutraler Kraftstoffe gegenüber dem Referenzjahr 2015 um das Vier- bis Fünffache erhöht werden. Ein weiteres Viertel Treibhausgase ließe sich durch Verkehrsverlagerung auf andere Verkehrsträger und Effizienzsteigerungen einsparen. Durch die Maßnahmen sei „mit erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen“ zu rechnen.
„Es wäre ein Fehler, nicht auf alle Technologien zu setzen, bei denen deutsche Unternehmen Weltspitze sind“, sagt Lösch. Dazu gehörten auch Verbrennungsmotoren. Der Analyse zufolge könnte der Einsatz synthetischer und Bio-Kraftstoffe für bis zu ein Drittel der erforderlichen CO2-Reduktionen bis 2030 sorgen. „CO2-neutrale Kraftstoffe müssen weltweit ein wichtiger Teil der Lösung sein“, fordert Lösch.
Um die nötige Elektrifizierung der Pkw zu erreichen, müsse der Anteil der Elektroantriebe an den Neuzulassungen zwischen 2025 und 2030 stark von rund 30 Prozent auf über 75 Prozent ansteigen. „Ein schnellerer Hochlauf dieser Antriebe bereits vor 2025 wäre mit enormen volkswirtschaftlichen Mehrkosten verbunden“, betont der BDI. „Denn produktionsbedingt ist erst ab 2025 damit zu rechnen, dass rein batterieelektrische Fahrzeuge bei moderaten Mehrpreisen den Mobilitätsansprüchen größerer Kundengruppen genügen.“
Auch bei den anderen alternativen Antrieben für Pkw, leichten und schweren Nutzfahrzeugen erhöhen sich laut der Analyse die Kosten für Anschaffung und Aufbau von Tank- und Ladeinfrastruktur. So müsste beispielsweise der Ausbau der Infrastruktur für Oberleitungs-Lkw im Vergleich zu den Ergebnissen einer Studie aus 2018 um bis zu fünf Jahre vorgezogen werden. Bis 2030 wären statt 500 rund 2500 Kilometer Autobahn zu elektrifizieren. Rund 120.000 bis 140.000 schwere Nutzfahrzeuge müssten bis dahin mit Oberleitung, Brennstoffzelle, Batterie-Antrieb und Plug-in-Hybrid-Systemen ausgestattet sein.
Analyse fließt in Arbeit von Regierungsberatern ein
Die vor wenigen Tagen vom BDI in Berlin vorgestellte Analyse ist eine Sonderauswertung für den Verkehrssektor der im Januar 2018 veröffentlichten Studie „Klimapfade für Deutschland“, die volkswirtschaftlich kosteneffiziente Wege zur Erreichung der deutschen Emissions-Minderungsziele bis zum Jahr 2050 aufzeigen soll. Die Ergebnisse fließen in eine von der Bundesregierung eingesetzte Beraterkommission der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität ein.
„Eine Klima-Planwirtschaft, die schlicht Jahresziele definiert, ist der falsche Weg“, warnt Lösch. „Das Ziel, bis 2030 gut 40 Prozent des CO2-Ausstoßes einzusparen, erfordert einen sehr großen Lenkungsimpuls und ist möglicherweise jenseits dessen, was die Verbraucher bereit sind zu zahlen.“ Gesucht werde ein intelligenter Mix aus Fordern und Fördern.
Jörg2 meint
Der BDI will immer mehr.
Ich bin für Verzicht:
auf das 3to-SUV
auf die Fahrt zum Bäcker um die Ecke mit dem Teil
auf die Fahrt zum Flughafen um dann in den Urlaub sonstwohin zu fliegen mit dem Teil
auf Erdbeeren im Dezember
auf Rindfleisch aus Südamerika auf dem Grill
auf Wegwerfklamotten von PRIMARKT
…. (endlos)
Das ginge alles nicht? Ausrede!
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
+1
Meine Frau hat vor kurzem Sushi aus dem Lidl mitgebracht; wir waren entsetzt, wieviel Abfall wir nach 10 Minuten übrig hatten. Kaufen wir nicht wieder, wie auch keinen SUV.
Heureka meint
Absolut richtig!
Wobei, ein Tempolimit geht ja auch nicht. Von wegen freie Fahrt für freie Bürger oder auch, weil die CO2-Emissionsmiderung dadurch zu gering ausfällt (ja, der Klimawandel kann dadurch nicht aufgehalten werden ;-) ) und auch die Unfalltoten zu vernachlässigen sind etc, so der Regierungssprecher von der Verbrenner-Lobbypartei CDU (Christliche Diesel Union).
Ich warte nur noch darauf, dass unsere Politik-Hanseln mit ihren Verbrenner-Freunden (womöglich in der Tagesschau) anfangen zu singen, vielleicht „Ich mach mir die Welt, widde widde wie sie mir gefällt“. Das wäre dann wenigstens mal ehrlich.
Alter_eg.o meint
Die BDI-Mitglieder fürchten, dass ihre Ölprofit-Kühe geschlachtet werden. Dies gilt es, mit allen Mitteln der Verunklarung in die Länge zu ziehen.
Der Effizienz-Vergleich Verbrenner vs. E-Antriebe wird das aber schon regeln. Alle anderen Entwicklungen mögen für Sonderaufgaben funktionieren, Milliarden-Investitionen lohnen sich aber kaum.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Ein Blick zurück in die Jahre um 1900, Zitat Wikipedia:
„Die kompakten Elektromotoren verdrängten in Fabrikanlagen zunehmend die sonst üblichen Dampfmaschinen, Gasmotoren, Wasserkraftanlagen und Transmissionen.“
Heute steht (endlich) die Modernisierung der Mobilität mit E-Motoren an. Da die Welt ein Dorf geworden ist, werden wir Deutsche uns nicht beliebig Zeit mit dieser Transformation lassen können.
Und wer schon auf der A5 bei Frankfurt parallel zu dem „Elektro-Highway für LKW“ unterwegs war, fragt sich, wieviel Geld und Zeit und Umwelt wollen denn die Deutschen noch für diese Transformation verschwenden.
Utx meint
Technologieoffen ist ein tolles Wort. Doch weder Dampfmaschinen oder Holzvergaser, noch Pferdezucht werden hier angesprochen, obwohl diese für eine zukünftige Mobilität auch nicht weniger geeignet sind, wie Verbrenner mit E-Fuels oder Wasserstoff-Brennstoffzellen.
Stocki meint
Das mit den E-Fuels und Brennstoffzellen sind nur die Rückzugsgefechte einer untergehenden Ära. Wenn man sich selbst für den Nabel der Welt hält, mag man glauben, dass sich sowas noch durchsetzt. Weltweit gesehen ist der Drops aber längst gelutscht. E-Mobilität, gespeist durch ökologisch hergestellten Strom, gespeichert in immer effizenteren und billigeren Akkumulatoren gehört die Zukunft. Alleine in China wurden 2018 über 1,2Mio E-Fahrzeuge abgesetzt. Leider sind da auch PHEV mitgerechnet, aber der Drops wird auch bald gelutscht sein. Alleine Tesla stellt schon über 1000 Autos her PRO TAG. Alle deutschen Hersteller sollten lieber darauf achten, dass sie noch ein Stück vom Kuchen abbekommen.
eMobilitätsberater meint
@Stocki. Die Regierung in Südkorea hat vor einigen Wochen einen Zeitplan bezüglich Wasserstoff und Brennstoffzellen beschlossen. Ich denke auch das der Batterie EV sich im Moment der beste Weg ist. Es gibt aber wohl auch andere Meinungen. Da geht es Pkw, Lkw, Busse und Häuser. Man will in Korea Erdöl und Kohle durch Wasserstoff ersetzen. Das passt zur Hyundai KIA Fahrzeug Politik.
alupo meint
Das Problem ist aber, dass Erdöl und Kohle schon die für uns nutzbare Energie beinhalten.
Wasserstoff ist nur ein Energieträger, der bei uns in der Natur nicht vorkommt (im Weltall und besonders in der Sonne schon) und der somit erst „aufgeladen“ werden muss. Leider geht das auch in Zukunft nur über einen sehr schlechten Wirkungsgrad und so etwas ist üblicherweise immer teurer. Ansonsten hätten wir heute z.B. noch die mit Öl befeuerte Dampfmaschine. Es gab Gründe (schlechter Wirkungsgrad), davon abzukommen. Die gleichen Gründe gibt es dafür, gar nicht erst mit Wasserstoff anzufangen.
Solange keine deutschen oder europäischen Steuergelder dafür verwendet werden ist es mir fast egal, wenn das Thema nicht zu einer Verunsicherung der Verbraucher führen würde und so den Weiterverkauf von Verbrennern begünstigen würde.
Stocki meint
Wenn es mit der E-Mobilität wider Erwarten doch nicht klappen sollte, fürchte ich, liegt die Zukunft wieder in der Pferdezucht (Kaiser Wilhelm hätte dann doch recht gehabt, als er behauptete, Autos seien nur eine vorrübergehende Erscheinung :)
agdejager meint
CO2 neutrale Brennstoffe sind ein Irrweg. Diese produzieren noch immer CO2 und sind teuer zu produzieren. Meiner Meinung nach wollen die alte Ölproduzenten da wieder eine große Finger drin haben. Das sollte verhindert werden. Ein Wort : Greenwashing
Andreas meint
Ob es wirklich so gut ist, auf mehrerer konkurrierende Technologien zu setzen, die alle ihre eigene Infrastruktur benötigen?
Wenn man berücksichtigt, wie wenig Zeit noch bleibt, um signifikante Veränderungen zu erreichen, erscheint mir dieser Aufruf nach Diversität nicht mehr angebracht.
Man arbeitet schon seit Jahrzehnten an Alternativen zum Benzin/Diesel und es ist am Ende nicht Relevantes dabei herausgekommen.
Ein Einsatz synthetischer und Bio-Kraftstoffe ist leicht gefordert, aber technisch bleibt er sehr komplex und teuer. Bio-Kraftstoffe sind logistisch und ethisch kompliziert. Über synthetische Rohstoffe, die aus dem Labor herausgekommen sind, ist mir nichts bekannt.
Es erscheint mir, dass hier eher jede Industrie mit Geldsegen bedient werden soll und dass wieder kurzfristige Rendite über landfristig Sinnvollem gesetzt wird.
Was ist denn an Strom als Hauptenergie für den Transport letztlich auszusetzen aus der Sicht der Gesellschaft. Von allen Energieformen hat Strom die größte Flexibilität von Quellen. Es muss nicht Geld nach Saudi-Arabien oder Russland fließen und die starke Abhängigkeit von Erdölkartellen wird gegen ein nur schwache Abhängigkeit von vielen großen und kleinen Stromproduzenten getauscht.
Es wäre eher angebracht, sich auf die Stromlösung zu fokussieren, wie man sich im letzten Jahrhundert auf den Nutzung von Erdöl fokussiert hat.
Es wäre auch schön, wenn die Bundesregierung die Möglichkeiten für Ladesäulen bei Mietwohnungen verwaltungstechnisch vereinfacht oder Quartier-Carsharing forciert. Änderungen wie der Wegfall des antiquierten „Ein Haus, ein Anschluss“-Dogmas kosten nur Verwaltungsaufwand.
ZastaCrocket meint
Das sehe ich genauso. Letzendlich wird die Dezentalisierung des Stromnetzes zum einen eine größere Ausfallsicherheit mit sich bringen. Wenn man es schafft möglichst viele Menschen/Bürger/-innen partizipieren zu lassen wäre das auch ein großer Fortschritt für die Gesellschaft. Aktuell versuchen die Energieversorger ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Ich hoffe aber trotzdem, dass die Energiewende hin zu „sauberer“ Energie und weniger Abhängigkeit von Außen nicht mehr aufzuhalten ist.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Ich sehe es auch so: Die Bundesregierung meint überall mitmischen zu müssen, lässt aber ihre eigentlichen Aufgaben, wie z. B. das Schaffen von geeigneten Rahmenbedingungen für Lademöglichkeiten in Miethäusern, unbearbeitet liegen. Diese zentrale Mentalität der Regierung Merkel zeigt in immer mehr Bereichen ihre katastrophalen volkswirtschaftlichen Auswirkungen.
alupo meint
Eine Investition von ca. 250 Milliarden Euro schafft jede Menge neue Arbeitsplätze. So etwas muss geplant, gebaut und betrieben werden.
Ist doch viel besser als das Geld in höhere Deiche und Tornado-Versicherungsprämien sowie zum Journalistenmörder nach Saudi Arabien zu schicken, oder?