Der Kreditversicherer Euler Hermes warnt in einer Studie, dass der weitere Erfolg für die deutsche Automobilbranche eine große Herausforderung darstellt. Die Aussichten bei den zunehmend boomenden Elektroautos seien zwar weiter gut, dies werde aber die Einbußen in anderen Segmenten nicht ausgleichen können. Gefährdet seien vor allem Autohändler und Autozulieferer.
„Es gibt Licht und Schatten in der deutschen Automobilindustrie“, sagt Ron van het Hof, Chef von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Elektroautos erleben seit dem Herbst durch die Kaufanreize einen regelrechten Boom und Rekord-Marktanteile. Das dürfte allerdings nicht ausreichen, um den Einbruch der restlichen Sparten zu kompensieren. Auch China gibt Anlass zur Hoffnung. Für Automobilzulieferer und Autohändler sieht es aktuell allerdings eher düster aus.“
Trotz der insgesamt deutlich rückläufigen Insolvenzzahlen häuften sich gerade in der Autoindustrie sowie im eng vernetzten Metallsektor in den ersten neun Monaten 2020 große Pleiten. „In den ersten neun Monaten des Jahres haben wir in der Automobilindustrie mit zehn großen Insolvenzen mehr als doppelt so viele Fälle gezählt wie im Vorjahreszeitraum mit vier Groß-Pleiten“, so Van het Hof. „Auch im Metallsektor gab es mit neun großen Insolvenzen drei Mal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Das zeigt sehr deutlich, dass die Branche bereits vor der Covid-19-Pandemie teilweise vor großen Herausforderungen stand. In einigen Bereichen hat sich das nun drastisch verschärft – aber wie überall gibt es Gewinner und Verlierer.“
Vor allem mittelständische Zulieferer gefährdet
Der Motor bei den Automobilzulieferern stottere derzeit merklich. Insgesamt seien die mehr als 1000 Zuliefer-Unternehmen mit einem kumulierten Umsatz von 90 Milliarden Euro und 300.000 Beschäftigten für 75 Prozent der Wertschöpfung des Automobilsektors verantwortlich. „Etwa 18 % der kleinen und mittelständischen Zuliefer-Unternehmen in Deutschland sind nach unserer Einschätzung aktuell gefährdet“, sagt Van het Hof. „Das sind deutlich mehr als bei den Automobilherstellern (etwa 12 %) oder als in anderen Branchen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass 82 % der Unternehmen relativ gut aufgestellt sind. Das ist in der aktuellen Krise eine positive Nachricht.“
Die Tier-2- und Tier-3-Zulieferer – insbesondere diejenigen, die nicht in der Elektromobilität tätig sind – sowie die kleineren Unternehmen, stünden besonders in der Schusslinie, vor allem in Süddeutschland. „Sie sind nach wie vor stark von herkömmlichen Antriebsarten abhängig und verfügen nicht über genügend finanzielle Mittel, um eine Neuausrichtung mit wettbewerbsfähigen Produkten in der neuen Welt der Elektrofahrzeuge zu bewältigen“, erläutert Maxime Lemerle, Leiter der Branchenrisikoanalyse bei Euler Hermes.
„Die Tier-1-Zulieferer sind im Durchschnitt finanziell stärker aufgestellt, um den Wandel vom Verbrennungs- zum Elektroantrieb zu meistern. Allerdings erwarten wir einen höheren Druck seitens der Autohersteller und die Notwendigkeit einer globalen Präsenz. Die Autohersteller selbst sind ebenfalls nicht immun: Unternehmen wären dann gefährdet, wenn sich ihre Abhängigkeit von den asiatischen Batterien verstärken würde, oder allgemeiner gesprochen, wenn sie ihre Geschäftsmodelle nicht an die neuen Trends anpassen“, so Lemerle weiter.
Hohe Risiken sehen die Studienautoren auch bei den Autohändlern: Sie hätten schon vor der Krise nur eine sehr geringe Marge zwischen 0 und 1 Prozent gehabt. Mit der Schließung von Autohändlern, Ausstellungsräumen, Automessen und Fabriken sei die Lage noch prekärer geworden und auch nach dem Ende des ersten Lockdowns hätten sich die Umsätze im Vergleich zum Vorkrisenniveau nur teilweise verbessert. „Autohändler leiden immer noch unter hohen Lagerbeständen von Diesel- Fahrzeugen und stehen zudem in Konkurrenz zu den Autoherstellern selbst mit neuen Online-Marketingkonzepten“, sagt Lemerle. „Sie haben aufgrund der insgesamt geringen Margen und dem steigenden Wettbewerb teilweise kaum noch ‚Knautschzone‘.“
Lichtblick China
Für die Automobilhersteller und -zulieferer ist neben dem Heimatmarkt vor allem die Entwicklung der Exportmärkte von entscheidender Bedeutung: Der Exportanteil der deutschen Autoindustrie lag zwischen 2015 und 2019 bei durchschnittlich 64,5 Prozent. „In Europa und den USA erwarten wir weiterhin einen hart geführten (Preis-)Wettbewerb, da beide im laufenden Jahr schrumpfen und auch mit dem erwarteten Wachstum im kommenden Jahr das Vorkrisenniveau deutlich verfehlen dürften“, so Lemerle. „Günstiger sind die Aussichten in China. Zum einen sind Mobilitätseinschränkungen dort früher aufgehoben worden und zum anderen gibt viele Erstkäufer, die im Zuge der Pandemie von öffentlichen Verkehrsmitteln oder gemeinsam genutzter Mobilität auf ein eigenes Auto umgestiegen sind.“
Der chinesische Markt verzeichnete laut Euler Hermes von April bis November 2020 acht aufeinander folgende Monate der Erholung und dürfte das Jahr mit einem Rückgang von 2 Prozent abschließen, bevor er 2021 um 12 Prozent auf 28,3 Millionen verkaufte Einheiten ansteigen dürfte. „Die deutschen Autobauer sind gut positioniert, um von diesem Erholungstrend zu profitieren“, glaubt Lemerle „Denn dieser spielt sich auch im Premiumsegment ab, und die meisten deutschen Hersteller haben einen relativ hohen Anteil ihres Absatzes in China. Das ist ein echter Lichtblick für die Branche.“
Krisenjahr 2020
Die ersten neun Monate 2020 der Automobilbranche waren ausgelöst durch den Coronavirus von einem massiven Einbruch bei Umsätzen und Margen gekennzeichnet, trotz einer Verbesserung im dritten Quartal. Die Autohersteller büßten rund 18 Prozent der Umsätze ein, Zulieferer 20 Prozent, die Reifenindustrie 18 Prozent und die Autovermietung sogar 43 Prozent, berichtet Euler Hermes. Das habe das operative Ergebnis in allen Sparten teils äußerst negativ beeinflusst.
Die Unternehmen würden zu Mitteln wie dem Abbau von Lagerbeständen greifen, der sich kurzfristig positiv auswirke, ebenso wie die schnellere Einführung neuer Modelle nach Wiederaufnahme der Produktion. Der Verkauf schadstoffarmer Fahrzeuge führe jedoch bisher zu niedrigeren Margen im Vergleich zu Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren.
„All dies zwingt die Unternehmen zu Personalabbau und Stellenkürzungen, zur Anpassung ihrer Portfolios und Produktionskapazitäten, sowohl bei Produkte und Marken als auch bei Absatzmärkten“, sagt Van het Hof. „Hinzu kommt das ‚Finetuning‘ ihrer Investitionspläne. Das ist ein Spagat: Ziel ist es einerseits, ihre Liquidität zu schützen und bei den Ausgaben zu bremsen und andererseits, sich mit gezielten Investitionen eine gute Ausgangsposition zu sichern und Gas zu geben für den langsamen und holprigen Weg zurück in die Erfolgsspur.“
Carsten Mühe meint
Wann standen Händler, Zulieferer, bzw. die gesamte Autobranche mal nicht unter Druck? Gefühlt jede Dekade konnte man diese Überschriften lesen. Im Artikel überwiegen klar die positiven Nachrichten, man muss daher kein Optimist sein um zu erkennen dass die Branche gut für die Zukunft aufgestellt ist. Ich sehe das entspannt, gerade auch weil ich in der Autobranche tätig bin.
Railfriend meint
Recht haben die Verkaufsberater mit ihrer Kritik an E-Autos z.B. im Winterbetrieb.
Man lese einmal die Testfahrt in der FAZ. „Kalt erwischt“ EIN KOMMENTAR VON HOLGER APPEL, AKTUALISIERT AM 16.12.2020
TwizyundZoefahrer meint
Man sollte sich halt ab und an über Neuigkeiten informieren. Man weiß doch jetzt schon seit mehreren Jahren wo die Reise hingeht. Alle auf Schulung schicken und das Sortiment umbauen. Komischerweise gab es diese Händler schon vor mehr als 5 Jahren, damals wollte mir z.B. kein Händler im Stuttgarter Speckgürtel ein E Auto verkaufen, so musste ich zum ersten Mal das Internet für einen Autokauf bemühen und wurde bei Vorndran fündig, Abwicklung und Ankauf meines Autos lief damals schon direkt über Mail und war in 15 Minuten abgewickelt, sogar vom Guido persönlich. Einige meiner Bekannten kauften dann auch dort, mit Überführungsabenteuer. Die die Koreaner wollten bestellten in Landsberg. Wer nicht will ….
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Ja, Guido Vorndran, der stille, erfolgreiche und souveräne Held an der BEV-Front. Habe 3 Zoe von ihm.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Die Verlagerung der Produktion der Smarts nach China und der Zukauf der Mercedes-4-Zylinder-Motoren beim chinesischen Hersteller Geely zeigt, dass die Gewinnmaximierung der Autohersteller vollkommen losgelöst ist von der Transformation hin zu einem stärkeren BEV-Markt. Klar bleiben dann hier etliche Zulieferer auf der Strecke. Auch deshalb, weil die Grundstruktur eines BEV mit 1, 2 oder vielleicht 3 Zentralrechner keine teuren Zulieferteile benötigt, von den viele eigene, ertragsstarke Steuereinheiten mitbrachten. Die Zulieferteile werden „dümmer“ und sind auch nicht mehr so universell für mehrere Autohersteller einsetzbar, womit die Stückzahlen in den Keller gehen.
Hans Meier meint
Ich fordere dieselben Miliarden-Staatshilfen und Privilegien vom DE Staat für Autohändler und Zulieferer wie sie auch VWAG geniesst. Merkt ihr was? :) Allerdings, ist mal gut das die Branche wieder gesundschrumpft, die Grossmäuler im VWAG Konzern sind mittlerweile auch weg, es ist sehr ruhig, das ist immer ein gutes Zeichen in dieser Branche, man hat Angst. Hoffen wir, das es so bleibt, DE funktioniert so besser, leider. :)
ExExperte meint
Dafür sind die Großmäuler in den Kommentarbereichen präsenter den je..
Hans Meier meint
Tut mir sehr leid wenn ich dich getroffen habe mit meinem Kommentar :)
ExExperte meint
Ich habe ja keine Namen genannt, aber da du dich sofort angesprochen fühlst…. ;-)
Die kleinen Hater Trolle machen mal wieder ein Forum kaputt, hoffe ihr habt trotzdem schöne Weihnachten..
Hans Meier meint
Dein Name kennt man hier nicht, das ist der Unterschied… :)
Andi EE meint
Respekt für so viel Selbstkritik. ;)
Andreas meint
Entweder man passt sich an oder der Markt passt einen an. Das ist nichts Neues. Der Trend war schon in den 90igern erkennbar, wenn man sich damit beschäftigen will. Wer nur brav das baut und denkt, was immer schon gebaut und gedacht wurde, der ist irgendwann obsolet.
Peter W meint
Ja, das Leben ist kein Ponnyhof … Da passt dann auch der Spruch mit dem toten Pferd.
Raphael meint
BMW wollte in den Neunzigerjahren den E1 als Elektro- und Hybridversion ernsthaft auf den Markt bringen … die Resonanz auf den Messen war aber derart gering, dass sie das Projekt schlussendlich einstampft hatten. Zumindest war dies einer der ersten ernsthaften Versuche, ein modernes konsequent auf einen elektrischen Antrieb angepasstes Fahrzeug zu entwickeln.
Dann waren kurz darauf aber plötzlich wieder leistungsstarke Motoren, Allradantrieb in allen Klassen und SUVs angesagt.
Hans Meier meint
War sicher die gleiche Nummer die BMW 2013 mit dem E-Mini abgezoggen hatte. Die Testpersonen waren allesamt begeistern, aber BMW hat dann das so „interpretiert“, das ihn niemand kaufe würde. Hintendurch hat man dann erfahren, das die Ganze Technik nur zugekauft war und BMW nur so tat als ob. Nebelpetarden&heisse Luft. Jahrzentelange Taktik der DE Industrie.
EMfan meint
“ Nebelpetarden“, soso.. auch aus der Schweiz oder nur die Sockenpuppe von Andi EE? ;-)