Mit dem sich abzeichnenden Elektroauto-Boom steigt auch der Bedarf an Lademöglichkeiten. Die Bundesregierung setzt auf die Mobilisierung privatwirtschaftlicher Investitionen, um den Hochlauf der notwendigen Ladeinfrastruktur voranzubringen. Geplant ist, verschiedene Maßnahmen im Masterplan Ladeinfrastruktur II zu bündeln, der gerade mit den beteiligten Ressorts abgestimmt wird. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW bemängelt die derzeitigen Pläne.
Kritisch sei die hier vertretene Grundannahme, im Jahr 2030 würden eine Million öffentliche Ladepunkte benötigt. Damit werde ein Ziel ausgerufen, das weit über den tatsächlichen Bedarf hinaus geht und das weitreichende Folgen für den gesamten Masterplan nach sich zieht, so der BDEW. Es drohe eine Übersteuerung durch staatliche Förderprogramme statt privatwirtschaftliche Investitionen.
„Es ist wichtig, dass wir uns auf realistische Ziele für den Ladesäulenbedarf verständigen“, erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung. „Bundesminister Wissing sagt zu Recht, dass erst einmal der Bedarf an Ladeinfrastruktur ermittelt werden muss. Sicher ist, dass die ‚eine Million‘ weit jenseits des realistischen Ladesäulenbedarfs liegt und eine falsche Erwartungshaltung bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern schürt. Die Zahl sorgt für große Verunsicherung und wird damit zu einer Einstiegshürde. Potenzielle E-Mobilistinnen und E-Mobilisten brauchen für ihre Kaufentscheidung eine realistische Vorstellung davon, wie viele Ladepunkte bundesweit tatsächlich benötigt werden. Unrealistische Ziele dagegen bremsen den Umstieg auf das Elektroauto.“
Zudem würden überhöhte Ziele bedeuten, dass der Staat zusätzliches Geld in den Ladeinfrastrukturaufbau stecken muss, obwohl dies eigentlich gar nicht erforderlich sei. Die Steuergelder könnten an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden. „Nicht mehr Subventionen beschleunigen den Ausbau der Ladeinfrastruktur, sondern vor allem die Mobilisierung von Flächen der öffentlichen Hand und beschleunigte Genehmigungsverfahren“, so der Energieverband. Ein durch Subventionen angeregtes Überangebot an Ladesäulen führe dazu, dass der Wettbewerb unter den Betreibern zum Erliegen kommt. Damit werde der Mechanismus ausgehebelt, der dafür sorgt, dass Kunden ein für ihre Bedürfnisse passendes Produkt zu einem fairen Preis erhalten.
Die Politik setze sich zudem beim Ladeinfrastrukturausbau unnötig unter Druck, findet der BDEW. „Klar ist, dass wir 15 Millionen vollelektrische Pkw aus Klimaschutzgründen in 2030 brauchen werden. Eine Million Ladepunkte zur Flankierung dieses Pkw-Ziels werden wir aber sicher nicht brauchen“, so Andreae. Ein fester Zielwert für den Bedarf an öffentlichen Ladepunkten bis 2030 lässt sich laut dem BDEW nicht bestimmen. Wie viele Ladepunkte benötigt werden, hänge davon ab, wie schnell die Fahrzeuge laden können, wie viel zu Hause oder beim Arbeitgeber geladen wird und wie viele vollelektrische Fahrzeuge zugelassen werden.
Nach Einschätzung des BDEW ist ein Bedarf zwischen 100.000 und 250.000 öffentlichen Ladepunkte im Jahr 2030 realistisch. Denn es sei davon auszugehen, dass auch zukünftig der Großteil der Ladevorgänge privat oder beim Arbeitgeber erfolgen und der Anteil der Schnellladepunkte im öffentlichen Bereich zunehmen werden.
henry86 meint
Zitat: „Die Steuergelder könnten an anderer Stelle sinnvoller eingesetzt werden.“
Jup, für den Tankrabatt zum Beispiel. Bringt viel mehr Abhängigkeit von Russland.
Mal ernsthaft, schon jetzt bekommt man kaum noch freie Ladepunkte, und die wollen das Verhältnis Elektroautos pro Ladesäulen weiter erhöhen?
Zumal zukünftig vermehrt Elektroautos von Stadtbewohnern gekauft werden, die keine eigene Lademöglichkeit haben.
prief meint
Wo wohnen Sie denn? Ich wohne in Wien und haben NOCH kein e-Auto, aber eine Ladestation ca. 200m vom Haus (3 weitere in ca. 500m Umkreis). Die Ladestation bei mir ist angeblich (lt. einer Mitteilung der Wienstrom vor 2 Monaten) eine der meistfrequentierten in der Stadt. Wenn ich (oft) vorbeigehe stelle ich ein Auslastung von ca. 30% fest. Von kaum freien Ladepunkten kann also nicht die Rede sein. Wie es bei Schnelladern an der Autobahn aussieht kann ich allerdings nicht beurteilen.
Tom meint
Kann ich nicht nachvollziehen!
Ich bin zwar nocht der Mega-Langsteckernfahrer, jedoch war ich schon zur besten Ferienreisezeit unterwegs und hatte noch nie Probleme, oft war ich an einer Raststätte mit mehreren Schnellladern der einzigste…
In meinem Wohnort das selbe, 11KW ladestationen sind zwar überschaubar, da ich jedoch täglich an 2 vorbei Fahr kann ich auch hier sagen das diese überwiegend Frei sind…
Tommi meint
Erst mal findet man heute oft freie Ladepunkte. Das haben hier schon andere gesagt.
Bei mehr Ladepunkten darf die Auslastung durchaus höher sein, ohne dass es Probleme gibt.
Bei 50% Auslastung und 2 Ladepunkten ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide belegt sind 25%. Bei 10 Ladepunkten nur noch 0,1%. Selbst wenn die Auslastung 90% ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass alle belegt sind nur 35%.
Also je mehr Elektrofahrzeuge und Ladepunkte es gibt, desto weniger Ladepunkte braucht man pro Fahrzeug.
Meiner_Einer meint
„Mal ernsthaft, schon jetzt bekommt man kaum noch freie Ladepunkte“ – das ist einfach nicht wahr. Ich konnte bisher auch auf Langstrecke immer dort laden, wo ich laden wollte und auch immer ohne Wartezeit.
Ich fahre auch gerne mal auf der AB an den Lademöglichkeiten vorbei, einfach um zu sehen was frei ist und ich finde immer einen freien HPC. Was leider immer wieder vorkommt ist, dass Ladepunkte von nicht ladenden Fahrzeugen vollgestellt sind. Hierbei rege ich mich über BEV die eine Säule blockieren, aber nicht laden noch mehr auf, als über einen ignoranten Verbrenner!
elbflorenz meint
Es ist richtig, daß der BDEW von der Politik realistische Zielvorgaben einfordert. Und der Verband hat mit dem „in Frage stellen“ der 1 Mio Ladepunkte in 2030 natürlich Recht. Zumal die 1 Mio völlig undefiniert sind. (wo, wieviel AC und DC)
Ich denke, der Verband – und auch andere Verbände – sollten auch von der Politik fordern, die Zielvorgabe von 15 Mio reine BEV in 2030 zu beerdigen. Und einen neuen, realistisch erreichbaren Zielkorridor für 2030 zu formulieren. Meiner Meinung nach kann dieser zwischen 9 – 12 Mio liegen. Maximal.
Fakt ist – nach derzeitiger Datenlage sind die 15 Mio nicht erreichbar.
Ende 2022 fehlen dann immer noch rund 14 Mio BEV’s für das Ziel 15 Mio.
Das heißt, in den nächsten 8 Jahren müssten durchschnittlich 1,75 Mio BEV’s p.a. neu zugelassen werden.
Aber 1,75 Mio p.a. ist bis 2026 absolut unrealistisch. Rein aus Kapazitätsgründen. Selbst in 2027 noch schwer möglich.
Und um diese zwischen 2023-2027 fehlenden Bev-Neuzulassungen aufzuholen, müssten ab 2028 faktisch fast nur noch BEV’s zugelassen werden (ca. 2,7 bis 3 Mio p.a.)
Wird alles nicht passieren.
Redlin, Stefan meint
Ich glaube Deine Rechnung zu ab dem Jahr 2028 wird genau so passieren. Wer 2028 noch einen Verbrenner kauft, kann den niemals mehr gebraucht abstoßen. Den will dann keiner mehr. Er könnte ihn nur bis zum Wagentod fahren, dass dürfte jedoch im Unterhalt schier unbezahlbar werden.
Torsten meint
Entfernt, da themenfern. Die Redaktion.