Tesla liefert seit März in seiner ersten deutschen Elektroauto-Fabrik in Brandenburg nahe Berlin gefertigte Fahrzeuge aus. Für Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) ist die Ansiedlung des US-Konzerns nur ein Beispiel für die Reindustrialisierung des Ostens. Dazu äußerte er sich ausführlich in einem Interview mit der Bundestags-Publikation Das Parlament.
Tesla habe mehrere Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Ost-Deutschland, sagte Steinbach. Zum einen sei das Werk mittlerweile der größte Industriearbeitgeber in Brandenburg, und es sei geplant, dass Tesla auch zum größten Ausbildungsbetrieb werden wird. Die Wirkung, die damit erzielt werde, sei für die regionale Wirtschaft „immens“, potentielle Investoren weltweit hätten Brandenburg mittlerweile auf der Landkarte.
Der Aufwuchs der Mitarbeiterzahlen ist bei Tesla in Brandenburg laut dem Minister trotz Fachkräftemangels im Plan. „Das ist bemerkenswert, weil es zum einen darstellt, dass das Unternehmen Fachkräfte gewinnt, die bei weitem nicht alleine aus Brandenburg kommen, sondern sich international rekrutieren. Das macht deutlich, welche Auswirkungen die Ansiedlung eines großen, internationalen Konzerns auf die Region hat.“ Bei Tesla arbeite ein Mix aus Fachkräften aus vielen verschiedenen Ländern. Eine solche Struktur sei die Zukunft und bedeute, „dass wir ein Fachkräfteeinwanderungsland sein müssen“.
In der Bauphase hat Tesla immer wieder die deutsche Bürokratie kritisiert. Steinbach hat die Idee ins Spiel gebracht, für Genehmigungsprozesse künftig einen Manager einzusetzen. „Es wird eine Wiederholung der Geschwindigkeit wie bei Tesla für Großprojekte nur geben, wenn die Investoren genauso bereit sind, wie es bei Tesla der Fall war, auf eigenes Risiko zu arbeiten. Nur das ermöglicht die kurze Plan- und Bauphase“, so der Politiker. „Interessant finde ich, dass diese Art gerade beim Aufbau der LNG-Terminals an der Nordsee kopiert wird. Da wurde die Gesetzgebung so angepasst, dass der Bau schnell möglich ist. Zudem erfordert die Komplexität solcher Großbauten, dass von staatlicher Seite darauf reagiert wird, in Brandenburg erfolgte das in Form einer Task-Force, die Ansprechpartner für Tesla war. Viele Aufgaben habe ich parallel selbst wahrgenommen, Sachsen-Anhalt hat das Modell im Fall von Intel nun übernommen.“
„Das alles spricht für sich selbst“
Für ihn falle die Bilanz der deutschen Tesla-Fabrik bisher „komplett positiv aus“. Der Betrieb laufe, die Geschwindigkeit, mit der zurzeit produziert wird, sei für ihn als Ingenieur beeindruckend. Seit Ende Mai laufe der Betrieb bereits im Zwei-Schicht-Betrieb, bis Ende des Jahres solle es dann drei Schichten geben. „Das alles spricht für sich selbst.“
Im Zuge der Tesla-Ansiedlung gab es bereits andere im Bereich der Automobilbatterien. So haben etwa BASF und Air Liquide ihre Bereiche ausgebaut, Microvast seine Batteriefabrik eröffnet und Mercedes-Benz will seinen Elektro-Sprinter in Ludwigsfelde bauen. Zudem hat sich die Deutsche Bahn mit einem Wartungs- und Instandhaltungswerk in Cottbus angesiedelt, mit 1.100 neuen Arbeitsplätzen.
Der jüngste Ansiedlungserfolg im Osten ist laut Steinbach vor allem gelungen, weil die Region viel grüne Energie bereitstellen könne. Das verlangten die Unternehmen, sie seien sehr daran interessiert, möglichst klimaneutral zu produzieren. Das werde auch bei der Börsen-Bewertung immer wichtiger. Der Osten Deutschlands habe aktuell einen erheblichen Ausbau-Vorsprung bei erneuerbarer Energie gegenüber den westlichen, vor allem den südwestlichen Bundesländern. Brandenburg habe im bundesweiten Vergleich die höchste installierte elektrische Leistung aus erneuerbaren Energien pro Einwohner.
Neue Ansiedlungen benötigen Wasser und Fläche, hier hat der Tesla-Standort mit anhaltender Kritik von Anwohnern und Umweltschützern zu kämpfen. „Ich möchte betonen: In Brandenburg haben wir keinen Zielkonflikt zwischen Ansiedlungen und Wasserverfügbarkeit“, sagte Steinbach dazu. „Möglicherweise müssen wir Ressourcen, die für die Produktion nötig sind, aus etwas weiter entfernten Regionen hertransportieren. Was die Flächen betrifft, sieht es anders aus. Wir haben zwar ein Potential von insgesamt 7500 Hektar, jedoch können aktuell lediglich noch 1000 Hektar angeboten werden, weil der Rest für Ansiedlungen noch nicht erschlossen ist. Das ist für die Kommunen und die zuständigen Ämter die nächste große Herausforderung. Die Fertigstellung eines Bebauungsplans dauert zwei bis drei Jahre. Deshalb ist es wichtig, mögliche Flächen frühzeitig zu ertüchtigen.“
Gunnar meint
Bin gespannt auf den Zeitpunkt, wenn Tesla die Jahreskapazität von 150.000 Fahrzeugen in Grünheide überschreiten wird. Das sollte ja Ende diesen Jahres der Fall sein. In Q1 2023 soll die Jahreskapazität schon 250.000 Stück betragen.
Mal sehen, ob dann die Wasserdiskussion wieder aufgemacht wird. Angeblich ist ja nur Wasser für 150.000 Fahrzeuge pro Jahr vorhanden.
David meint
Jetzt muss man sagen, dass das wirklich richtungsweisend gewesen ist. Das Land Brandenburg hat sich tatsächlich überzeugend aufgestellt, um die Teilgenehmigungsverfahren angepasst an die Baufortschritte proaktiv bis zeitnah begleiten zu können. Leider muss der Investor immer noch einseitig ins Risiko gehen, aber das scheint nach letzten Anpassungen zumindest etwas überschaubarer. Deutschland schafft sich also nicht ab und die Bundesländer im Osten scheinen etwas flexibler zu sein.
andi_nün meint
„“Leider muss der Investor immer noch einseitig ins Risiko gehen““
Ich wünsche mir etwas Risko von Unternehmen.
Bei solchen Neubauten geht man mittlerweile extremst konservativ vor, daher dauert auch vieles schon fast um Jahre länger.
Tesla nagt nicht am Hungertuch, die können schon Risiken gehen.
Gibt ja gute Berichte von den Projektleitern der beauftragten Baufirmen, die teilweise überrascht waren, welche Risiken Tesla willig war einzugehen.
„Deutschland schafft sich also nicht ab und die Bundesländer im Osten scheinen etwas flexibler zu sein.“
Ein guter Satz.
Moritz meint
Es ist extrem gut, dass die Investoren einseitig ins Risiko gehen!
Würde die Behörde bei einer Ablehnung (aus gutem Grund) plötzlich selbst in die Haftung genommen, wäre das ein riesiges Problem! Beispielsweise wenn mangelhafter Brand- oder Gewässerschutz durchgewunken würde wegen Blick auf klamme Kassen seitens der Behörden… Ganz unschön für alle Seiten.
Auch kenne ich genug Investoren und deren Praktiken, da ich selbst aus der Baubranche komme und schon genau bei solch entscheidenden Punkten als Projektsteuerer mit am Verhandlungstisch saß.
Wenn in der logischen Konsequenz bei nachträglichen Anpassungen für einen positiven Bescheid die Behörde finanziell mit im Boot ist, ist das für den Investor/Projektentwickler auch direkt ein mit einkalkulierter Teil der Finanzierung! Direkt aus der Staatskasse. Daher: unbedingt so lassen!
Andi EE meint
@Moritz
So so, du kommst aus der Baubranche, aber vermutlich aus der Ausführenden. Du hast wahrscheinlich Freude, wenn du 2x bauen darfst. 😂 Ein Investor kann doch unmöglich an so einem schwachsinnigen Reglement Freude haben, dass das ganze Risiko auf ihn abwälzt, wenn er vorwärts machen möchte.
Meine Güte, hast du auch mal was geplant und auf all die lahmen Ämter und das elende juristische Herauszögern von deinen lieben Nachbarn warten müssen. Da vergehen Jahre, unglaublich was du da rauslässt.
Moritz meint
Ich hab schon die Leistungsphasen 1-9 von einem Planungsbüro aus als Projektsteuerer begleitet, ich kenne das also ziemlich gut. Hauptsächlich Logistik- und Produktionsgebäude, Logistik auch schon mit Goldbeck, die auch das Werk für Tesla gebaut haben.
Macht mit den Ämtern sicherlich keinen Spaß! Wir haben gerade auch zahlreiche Projekte wegen ausstehenden Baugenehmigungen in der Schwebe bei denen wir nicht wissen wann es weiter geht, können daher schwer Personal planen etc… Wir leiden also selbst darunter und anders wäre es uns lieber.
Unter dem Strich wäre es aber grob fahrlässig das Risiko auf die Staatskasse (also dein und mein Geld) zu schieben! Dann dann wird das zum Selbstbedienungsladen. Cool wenn der Investor z.B. noch eine Erdbaufirma hat und erstmal richtig Fakten schafft… Die Möglichkeiten sind grenzenlos!
Wie das bei Tesla lief ist das schon ziemlich gut! So ein Damoklesschwert nötigt auch alle eine anständige Arbeit abzuliefern weil niemand am Rückbau schuld sein will. Ich würde sehr gerne mal so bauen!
Andi EE meint
@Moritz
Niemand will, dass man neben dem gesetzlichen Rahmen geurteilt wird. Es geht um diese Latenzzeit wo du entweder mit extrem hohem Risiko selber baust, oder halt dein Projekt um diesen … Zeit, verzögert wird. Je grösser diese Verzögerung ist, desto beschissener ist es für den Investor. Weil das Risiko immer weiter steigt / die investierte Summe so gross wird, dass bei einem Rückbau gewaltige finanzielle Schäden entstehen oder die Fabrik dann nur noch mit Einschränkungen zu betreiben ist.
Theoretisch kann ja jeder klagen, es könnte VW klagen, damit Tesla nicht bauen kann. Wer hinter diesen Verbänden oder Einzelpersonen steckt, die da geklagt haben, kannst du nicht wissen. Es muss doch im Interesse des Landes sein, dass Investoren in einem vernünftigen Zeitrahmen ihre Projekte prüfen lassen können. Standorte stehen im Wettbewerb, ich würde mal sagen, gute Werbung war das nicht.
Allstar meint
Es könnte auch Tesla klagen, damit VW nicht bauen kann.
Gleiches Recht für alle :-))