Die Einführung eines Durchleitungsmodells in Deutschland würde laut dem Ökostrom-Anbieter LichtBlick zusätzliche Einnahmen in Millionenhöhe generieren. Damit wäre der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland unabhängiger von bundesweiten Fördergeldern und deren Wegfall, wie nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds (KTF).
„So schockierend die Nachricht zur Reduktion des Klima- und Transformationsfonds im Dezember war, bietet das nun Anlass, die Finanzierung des Ladensäulenausbaus mit dem Durchleitungsmodell auf ein neues, zukunftsfähiges Marktdesign umzustellen“, sagt Markus Adam, Chefjurist von LichtBlick. Damit könnten die im neuen Haushalt vorgesehenen Kosten zur Lade- und Infrastruktur deutlich gesenkt und an anderer Stelle für Verbraucher sinnvoll eingesetzt werden, wie zum Beispiel zur Subvention der Netzentgelte.
Das Durchleitungsmodell beziehungsweise der diskriminierungsfreie Zugang zur Ladeinfrastruktur für Drittanbieter werde bereits in allen relevanten Netzinfrastrukturen in der EU angewendet – sei es Strom, Gas, Telekommunikation oder auch das Schienennetz der Bahn, so Lichtblick. Bei einer Umsetzung im Ladesäulenmarkt würden die Ladesäulenbetreiber ein Nutzungsentgelt erhalten, das kostendeckend ist und eine angemessene Rendite beinhaltet. Das schaffe Anreize für den Ausbau weiterer Ladepunkte, der dringend für das Gelingen der Energiewende benötigt werde.
Fairer Wettbewerb mit transparenten Preisen
Auch für Verbraucher bietet das Durchleitungsmodell laut dem Ökostrom-Anbieter Vorteile. Die sich verfestigenden Monopolstrukturen könnten den Ausbau bremsen und führten zu überhöhten Preisen. Durchleitung hingegen rege den Ausbau an und ermögliche einen fairen Wettbewerb an der Ladesäule. E-Auto-Fahrer könnten den gewünschten Strom mit der gewünschten Qualität laden, da jeder Versorger seinen Strom an jede öffentliche Ladesäule liefern könnte. Das würde sich entsprechend dämpfend auf die Ladepreise auswirken, denn die seit Jahren bestehenden Monopolstrukturen führten zu überhöhten Ladepreisen für die Verbraucher.
„Diesen Zusammenhang zwischen Marktmacht und höheren Preisen bestätigt auch die Monopolkommission in ihrem 9. Sektorgutachten“, erklärt LichtBlick. „In einer empirischen Untersuchung hat sie die Preismodelle aller Ladepunkte untersucht, für die im Rahmen von Bundesförderprogrammen Daten vorliegen. Ab Mitte 2021 fällt der Preisanstieg in Gebieten mit hoher Marktkonzentration um rund 20 Cent höher aus als in Gebieten mit weniger Marktkonzentration.“
„Lkw-Ladeinfrastruktur nur mit Durchleitung zukunftsfähig“
Auch für den Aufbau der Lkw-Ladeinfrastruktur ist laut LichtBlick das Durchleitungsmodell zentral. Schwere Nutzfahrzeuge, die lange Strecken fahren, brauchten mehr Ladekapazität als ein elektrischer Pkw. Zukünftig solle das „Megawatt Charging System“ (MCS) der globale Standard werden. Hier seien die Errichtungskosten, neben dem benötigten Platz, die größte Herausforderung. Denn die Kosten pro Ladepunkt sänken erst, wenn sie oft genutzt werden. Es werde daher kaum Anbieter geben, die in unmittelbarer Nähe weitere Ladepunkte errichten. Aufgrund dieser infrastrukturellen und logistischen Herausforderungen werde sich im aktuellen Marktdesign in den nächsten Jahren ein natürliches Monopol einiger weniger Anbieter herausbilden.
„Die Einführung des Durchleitungsmodells ist daher gerade für den Hochlauf der Lkw-Ladeinfrastruktur von enormer Bedeutung, damit sich trotz eines natürlichen Monopols faire Wettbewerbsbedingungen und damit angemessene Preise an der Ladesäule einstellen“, so Adam.
Dirk meint
„da jeder Versorger seinen Strom an jede öffentliche Ladesäule liefern könnte“
Das sollte dann doch auch für den Strom meiner Solaranlage gelten, oder? Schliesslich bin ich offiziell Stromproduzent, registriert und muss den Gewinn versteuern, so wie grössere Produzenten.
Was spricht dagegen? Ich meine, ausser dass die grossen Produzenten dann aufschreien?
Wenn das stimmt, könnten alle Solaranlagenbesitzer für nur den Durchleitungsaufschlag an allen Ladesäulen laden…allerdings nur, wenn deren Solaranlage auch Strom einspeist. Das ist vielleicht der Haken…
Wirtschaftlich ist das aber m.E. ein Nachteil für die, die die teuren Ladesäulen aufbauen, denn deren Gewinn ist ist dann geringer. Wieso sollte da zu einer Zunahme der Säulen führen?
Jörg2 meint
Dirk
DAS ist ein (vielleicht leider nur theoretisch) spannender Gedanke!
Der Zwangsweise-„Stromerzeuger“ (PV) nutzt per Durchleitung / freier Anbieterwahl seinen persönlichen PV-Strom an x-beliebiger Entnahmestelle.
Analog anderer Systeme am Markt könnte es ja auch einen Zusammenschluss (IT-Dach) vieler solcher Einspeiser zu EINEM größeren Anbieter geben (???).
Dirk meint
Warum sollte das nicht gehen – allerdings ist eben die Frage, OB ich in diesem Moment überhaupt Energie erzeuge.
Bei grösseren Anbietern ist ja eine Versorgungssicherheit 100% gegeben.
Mir würde es ja schon reichen, wenn wir immer den grünen Strom unseres Providers bekämen, dessen Ladekarte geht nämlich leider nur selten.
Jörg2 meint
Dirk
„Bilanziell“ würde ja schon reichen.
MichaelEV meint
Mein Gott, noch eine weitere anti-marktwirtschaftliche Idee. Ich drücke die Daumen, dass sowas niemals erzwungen wird.
„zusätzliche Einnahmen in Millionenhöhe generieren“, „Damit wäre der Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland unabhängiger von bundesweiten Fördergeldern“, „Das schaffe Anreize für den Ausbau weiterer Ladepunkte“
Der ganze Artikel besteht eigentlich nur aus holen Phrasen. Als Resultat steht, das eine weitere Ebene dazukommt und mitverdienen will. Ohne viel Aufwand, weil die Drecksarbeit mit hohen Investitionen und hohem Risiko überlässt man den Ladesäulenbetreibern. Und nimmt diesen Gleichzeitig ein wesentliche Einnahmequelle mit dem Energiehandel, womit gerade deren Anreiz für weitere Investitionen wegfällt.
Wie stolz man auf die existierenden Durchleitungsmodelle verweist, wo das statische Netzentgelt im Strommarkt aus dem aller letzten Loch pfeift und ganz dringend abgelöst gehört. Wie beim Netzentgelt würde eine solche Idee bei Ladesäulen die Kosten für den Kunden explodieren lassen.
Mit der Monopolstellung ist natürlich ein Märchen. Gas-, Strom- oder Schienennetze bilden automatische eine sehr starke Monopolstellung, es kann sich daneben kein paralleles neues Netz etablieren. Bei Ladesäulen ist es vollkommen anders, die Hürde, neue Ladesäulen in Konkurrenz zu bestehenden zu bringen, ist vergleichsweise sehr niedrig. Bei Tankstellen hat es ein Jahrhundert auch problemlos ohne ein Durchleitungsmodell funktioniert.
Nur wenn man den marktwirtschaftlichen Kräften hier freien Lauf lässt, kommt ein gutes, günstiges und hoch verfügbares Ergebnis zustande.
bs meint
Da haut LichtBlick den Nagel auf dem Kopf. Das Durchleitungsmodel hat noch ein Vorteil. Die „Benutzungskosten sind überwiegend zu Fixkosten geworden und somit lässt sich den Durchleitungsgebühr sich auch besser regulieren bzw. festlegen. Dan bekomme ich meinen Preis vom Hausstromlieferant plus den fixe Durchleitungsgebühr. Einfach und wahrscheinlich auch günstiger. Damit kann ich auch variablen Preise bekommen.
Die heutige Roamingkonstellation war ein großer Fehler.
MichaelEV meint
Wenn ich schon „regulieren“ lese, wird mir gleich schlecht. Die Behörden und Strukturen, die für diese Regulation sorgen müssen, machen ganz bestimmt alles viel günstiger. Niemals! Allein weil der Markt als effizienter Organisator wegfällt, wird natürlich alles sehr viel teurer.
Wie soll die fixe Durchleitungsgebühr überhaupt festgelegt werden? Ladeinfrastruktur ist kein homogenes Gut; unterschiedliche Lagen, unterschiedliche Leistungsklassen, unterschiedliches Ausstattungsniveau, sehr unterschiedliche Kostenstrukturen. Wie soll man eine große Heterogenität in einem fixen Preis ausdrücken?
Dirk meint
Die unterschiedlichen jetzigen Preise wurden ja auch aufgrund der unterschiedlichen Kosten kalkuliert, das wird natürlich eine Mischkalkulation und nicht standortgenau.
Das ist im Groben der Einkaufspreis des Stroms plus Infrastrukturkosten – und Ersteres wäre dann völlig frei, man wäre nicht mehr an die Einkaufskonditionen des Ladesäulenbetreibers gebunden.
Das wäre dann z.B. der heimische Lieferant mit hoffentlich (!) grünem Strom.
MichaelEV meint
Die Mischkalkulation ist ja ein Fehler im System, den es nicht zu bewahren gilt, richtig ist ein standortgenauer dynamischer Preis.
Und diese Mischkalkulation gibt es auch nicht durchgehend. Ionity war in der Regel von der Mischkalkulation des Roaming-Anbieters ausgenommen. Aus gutem Grund, da Ionity durch Lage und exklusive Leistung teure Merkmale anbietet und dafür höhere Preise braucht. Wenn solche Merkmale, die vielen Kunden anscheinend nicht unwichtig sind, im Rahmen einer pauschalen Vergütung nicht entsprechend vergütet werden, wird es solche Merkmale zukünftig nicht mehr geben.
Bisher haben Ladeanbieter ihre Vergütung mit den Roamingpartnern ausgehandelt, diese Preise sind nicht transparent, aber sehr sicher ganz heterogen und bilden das ab, was der Ladeanbieter zum Leben braucht. Mit einer pauschalen Vergütung lässt sich schnell ganz viel Porzellan zerschlagen.
Und den Markt als Verteilungs-Organisator zu entfernen ist blanker Wahnsinn. Die Auslastung vieler Ladestandorte ist am Wochenende am höchsten (viel Reiseverkehr). Der Anreiz durch den Strompreis würde verschiebbare Ladevorgänge im Schnitt auch auf das Wochenende verschieben (geringere Nachfrage nach Strom = geringere Preise). Beide Brocken würden sich am Wochenende kumulieren, wo der Reiseverkehr die Ladeinfrastruktur unaufschiebbar benötigt.
Die Verteilung wird genau in die falsche Richtung verschoben, was in schlechter Verfügbarkeit mündet und dazu führt, dass man deutlich mehr Ladeinfrastruktur bei grauenhafter Auslastung benötigt, die Kosten explodieren. Und weil sich die Ladeinfrastruktur nicht mehr natürlich bildet (weil an sich unwirtschaftlich), braucht man einen Regulator, der das erzwingt.
Mit einer dynamischen Nutzungsgebühr kann man die Nachfrage genau von den Nachfrageschwerpunkten entfernen, die Nutzungsgebühr kann in den sonstigen Leerzeiten gering ausfallen, durch wesentlich höhere Auslastung werden trotz deutlich geringerer Nutzungsgebühr die Fixkosten eingefahren, für den Kunden steht rundherum das um Welten bessere Ergebnis.
„Das wäre dann z.B. der heimische Lieferant mit hoffentlich (!) grünem Strom.“
Und wenn der Strom vom heimischen Lieferanten nicht transportiert werden kann, wird dieser ggf. einfach entsorgt und am Ort des Ladestandorts durch fossilen Strom ersetzt. Das „heimische“ muss sich in Zukunft auf den Ort des Ladestandorts beziehen, nicht auf den Heimatort des Kunden oder Stromlieferanten, der vielleicht am anderen Ende Deutschlands oder Europas liegt.
Thorsten 0711 meint
Und ich verstehe nicht wieso an Ladeparks keine Akkuspeicher installiert werden um überschüssigen Strom zu speichern wenn er für wenig bis nichts oder gar negative Preise zu haben ist.
ferchaue meint
@Thorsten 0711 Strom ist kostenlos :) :)
iTox meint
naja, ein Stromspeicher, der für den Einsatz outdoor geeignet ist, mit ca. 300kWh nutzbarer Kapazität kann schon mal knapp netto 200k€ kosten.
Da steckt schon bisschen mehr hinter
Matthias meint
Stromspeicher, die für den Einsatz outdoor geeignet sind, werden auf Selbstfahrlafetten unter der Bezeichnung „Elektroauto“ angeboten.
Mike meint
@Thorsten 0711: du hast eine Marktlücke entdeckt. Nutze sie!
Steffen meint
Gibt es ja zum Teil schon. Habe hier auch schon Ecomento-Artikel dazu gelesen.
MichaelEV meint
Der Speicher muss sich rechnen, das Delta zwischen Speicherung und Verbrauch muss regelmäßig und auskömmlich da sein. Der Verbrauch findet vor allem tagsüber statt, da wo die Heatmap eher besonders viel „günstig“ anzeigt.
Mit dieser Durchleitungs-Idee werden lokale Speicher sowieso hinfällig. Wenn dieser Speicher nicht vergütet wird, wird es keinen Speicher geben. Auch der Anreiz für lokale EE-Erzeugung verschwindet, die Idee der großen Kupferplatte, auf der beliebige Mengen Strom vom beibiegen Ort A zum Ort des Verbrauchs transportiert werden können, wird weiter pervertiert (während in Wirklichkeit immer mehr Strom entsorgt und an anderer Stelle durch teure fossile Kraftwerke ersetzt wird).
Tom meint
Ja die Idee ist super, die Umsetzung längst überfällig. Aber sicher werden die Firmen, welche seit Jahren an ihrer Monopolstellung arbeiten etwas dagegen haben.
Mir war von Beginn an schleierhaft, warum ich zuhause den Stromanbieter frei wählen und beliebig wechseln darf, im öffentlichen Raum aber jeder Anbieter seine eigenen Säulen (teils nebeneinander) baut und andere aussperren darf (bzw. teils teures Roaming anbietet). Wenn dann Platz, Anschlussleistung oder sonstiges knapp werden schauen alle anderen Anbieter in die Röhre und der Kunde muss beim Monopolisten kaufen.
Peter meint
Ich wollte schon immer im Rewe Produkte vom Aldi kaufen, Frechheit warum das nicht möglich ist.