Die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrssektors und die steigende Zahl von E-Fahrzeugen auf den Straßen stellen das Stromnetz vor Herausforderungen. Wie kann das teure Batteriespeicherpotenzial der Elektrofahrzeuge während ihrer Ruhezeiten aktiv und netzdienlich genutzt werden? Mit dieser Frage haben sich Forscher des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO befasst.
Die Studie „Power-Transfer-V2H“ analysiert die Anwendung von Vehicle-to-Home (V2H) in gemeinschaftlich genutzten Parkhäusern und zeigt regulatorische Möglichkeiten, wirtschaftliche Hürden und technische Herausforderungen auf. Einer grundsätzlich positiven Einstellung zur V2H-Nutzung stehen demnach Bedenken hinsichtlich Batteriedegradation und Reichweitenangst gegenüber.
Jeder Pkw verbringt die meiste Zeit des Tages im Ruhezustand, erfüllt also außer dem Ladevorgang keine Funktion. Wie kann das teure Batteriespeicherpotenzial der Elektrofahrzeuge in den Ruhezeiten aktiv und netzdienlich genutzt werden? Hier kommt die bidirektionale Lademöglichkeit Vehicle-to-Home ins Spiel, die insbesondere für Mehrfamilienhäuser mit gemeinsamem Netzanschluss und Tiefgarage relevant sein könnte. Fahrzeuge mit externer Lademöglichkeit könnten durch die Rückspeisung höhere Ladeleistungen anderer Fahrzeuge im Quartier ausgleichen. Überschüssige Energie aus Photovoltaik (PV) zur Mittagszeit kann so für den späteren Bedarf am Abend genutzt werden.
„Die Umsetzung dieses Energietransfers erscheint technisch machbar und praktikabel, da der Energiebedarf für typische Fahrten unter den verfügbaren Batteriekapazitäten liegt, die Pendler üblicherweise benötigen. Im Vergleich zu V2G-Anwendungen, bei denen Strom aus den Batterien von Elektroautos in das öffentliche Stromnetz zurückgespeist wird, kann hier eine größere Energiemenge übertragen werden, ohne in das öffentliche Stromnetz eingespeist zu werden“, so die Studienautoren.
Rechtliche Rahmenbedingungen unproblematisch, wirtschaftliche Hürden
„Unsere Analysen zeigen, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen derzeit kein Hindernis für den Einsatz von V2H darstellen. Wirtschaftliche Hürden sind jedoch noch zu überwinden, insbesondere im Bereich der Tarifmodelle für die Energieversorgung und die Kommunikationsinfrastruktur. Ein Hindernis, das wir für eine breite Einführung identifiziert haben, ist die Ungleichbehandlung von bidirektionalen Elektrofahrzeugen im Vergleich zu stationären Batteriespeichern bei der Strombesteuerung“, sagt Andre Leippi, Wissenschaftler am Fraunhofer IAO und Co-Autor der Studie.
Obwohl es Ankündigungen zu bidirektionalen Fahrzeugen und Ladeinfrastruktur gibt, ist die tatsächliche Produktion von serienreifen Modellen noch sehr begrenzt. Optimierungsbedarf sehen die in der Studie befragten Experten bei den aktuellen Anreizen und Rahmenbedingungen für die Einführung von V2X-Systemen (Vehicle-to-Everything). Der wirtschaftliche Aspekt richte sich vor allem an die Netzbetreiber. Um einen höheren Nutzen zu erzielen, seien insbesondere Veränderungen in den Betreiberstrukturen des Strommarktes notwendig. Der Zugang zu flexiblen Tarifen und Preisstrukturen müsse grundsätzlich ermöglicht werden.
V2H in Kombination mit Photovoltaik nutzen
Die Analyse zeigt, dass positive Aussagen zu V2X positiv mit höherem Einkommen korrelieren: „Das Einkommen erweist sich als entscheidender Faktor für die Aufgeschlossenheit gegenüber Elektromobilität und damit verbundenen innovativen Konzepten“, erklären die Studienautoren.
Ein zentrales Nutzenversprechen von V2H ist die Optimierung der Haushaltsstromkosten. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass V2H-Anwendungen idealerweise in Kombination mit PV betrieben werden sollten, um das volle Potenzial auszuschöpfen.
Trotz der allgemein positiven Einstellung gegenüber V2X-Technologien bestehen wirtschaftliche Bedenken, insbesondere in Bezug auf die Degradation von Elektrofahrzeugbatterien. Eine weitere wichtige Hürde bleibt laut der Untersuchung die „Reichweitenangst“: Sie könnte potenzielle Nutzer davon abhalten, sich für Elektrofahrzeuge zu entscheiden und an V2X-Anwendungen teilzunehmen.
Wirtschaftlichkeitsanalyse von V2H-Anwendungen
Die Simulationsergebnisse der Potenzialanalyse liefern Einblicke in die Wirtschaftlichkeit von V2H-Anwendungen und die Integration von Elektrofahrzeugen als temporäre Batteriespeicher in Wohnquartieren. Dazu die Forscher: „Entscheidend für die Wirtschaftlichkeit von V2H ist die Preisdifferenz zwischen dem Laden zu Hause und am Arbeitsplatz, wobei eine Preisschwelle von 5 – 10 ct/kWh identifiziert wurde, ab der V2H unter der Annahme einer Investition in die notwendige bidirektionale Ladeinfrastruktur wirtschaftlich ist. Größere Elektrofahrzeugmodelle weisen aufgrund ihrer höheren Batteriekapazität und Reichweite eine höhere Wirtschaftlichkeit auf als kleinere Modelle.“
Darüber hinaus zeigten die Ergebnisse, dass der Betrieb eines Batteriespeichers unter den angenommenen Bedingungen nicht wirtschaftlich ist, da Elektrofahrzeuge Batteriespeicher effektiv ersetzen können. „Die Integration von PV-Systemen in V2H-Umgebungen zeigt Synergiepotenziale, wobei eine effiziente Auslegung der PV-Systeme die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der V2H-Systeme maßgeblich beeinflusst“, heißt es.
Langfristig Infrastruktur- & Energiekosten senken
Im Ausblick auf zukünftige Entwicklungen rückt die Netzintegration des bidirektionalen Ladens in den Fokus. Insbesondere hinsichtlich seines Potenzials zur Stabilisierung des Stromnetzes aus Sicht der Netzbetreiber. Die Flexibilität des bidirektionalen Ladens könnte laut der Analyse dazu beitragen, Systemdienstleistungen effizienter zu erbringen und langfristig Infrastruktur- und Energiekosten zu senken.
Eine zentrale Herausforderung wird der Studie zufolge die Integration von bidirektionalem Laden in lokale Lastprognosen sein, um den steigenden Bedarf durch die zunehmende Verbreitung von Elektrofahrzeugen zu antizipieren. Entscheidend für eine erfolgreiche Umsetzung/Implementierung sei neben den rechtlichen Rahmenbedingungen die Gestaltung von ökologischen und ökonomischen Geschäftsmodellen, um die Akzeptanz und Rentabilität von bidirektionalem Laden zu fördern.
Guenther meint
Solange der Austausch von defekten Zellen nicht mit „plug and play“ funktioniert und – wenn überhaupt technisch möglich – die Kosten mehr als 50% des Neuwagens ausmachen, kauf ich mir einen zusätzlichen Heimspeicher. Den tausche ich bei einem Defekt mit Hilfe meines Hauselektrikers kostengünstig innerhalb von einer Stunde. Und das ganze mit Akkus der aktuellen Generation.
Gefordert sind die Autohersteller: Bringt austauschbare Zellen in die Autos und ich bin der erste Kunde!
Jeff Healey meint
Ein weiteres, sehr wichtiges Thema, dass von der Industrie hartnäckig ignoriert wird.
Die meisten Menschen müssen heute rechnen, rechnen, und nochmal rechnen, um ihren Lebensstandard zu erhalten. Die Mobilität ist nach dem Wohnen der zweithöchste Kostenfaktor. Also schauen die meisten Leute bei einer so teuren Anschaffung sehr, sehr genau hin. Die Industrie sollte im eigenen Interesse dringend normieren, vereinfachen, vereinheitlichen, transparent machen (Austausch-Kosten).
Solariseur meint
Kann ich schon seit vielen Jahren mit Benzinkanister und Schlauch.
Am Dienstag Abend billig Tanken (gibt sogar ne App dafür!), mit Schlauch in Kanister umfüllen, und zu Ostern wieder in den Tank kippen, wenn am teuersten an der Tanke.
Macht nur eben (fast) niemand.
Nun soll ich 10k in Schlauch und Stromkanister investieren.
Sinnlos.
Duesendaniel meint
Ja, und das jetzt bitte in die Neuzeit übertragen: Stinkt nicht mehr, läuft von alleine und hilft auch noch dem Klima.
Solariseur meint
Prima. Dann kann EON oder VW uns gerne solche Kisten herbauen.
Machen sie aber nicht. Weil es sich nicht rechnet.
gradz meint
@Solariseur mach ich seit 15 Jahren so. Ich nutze meine zwei 10 Liter Aral Kanister dann wenn ich sowie tanken bin. Dadurch wird es günstiger und ich muss so nur noch 6 mal im Jahr tanken mit dem Ibiza :) Zeitverbrauch im Jahr: 30min!
Noch besser wäre ein Eauto das man nicht auf Langstrecke fährt.
Solariseur meint
Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.
Stefan meint
Für den direkten Weg von der Solaranlage zum Speicher sind DC bidirektional sinnvoll.
Dann muss man aber der Besitzer der Solaranlage sein und bekommt entsprechend keine Vergütung für die Speicherung.
Ein Stromanbieter bzw. Netzbetreiber kann nur mit AC arbeiten, Einspeisung und Entnahme, weil die Ortsnetze alle AC sind.
Eine Vergütung für die Speicherung von Strom bekommt also nur mit AC bidirektional.
Netzdienliche Speicher sollten mit dem Ortsnetz verbunden sein, zumindest für die Abgabe von Strom an die Verbraucher.
Andreas meint
Die bidirektionale Wallbox kann nicht nur DC, sondern auch AC, sonst sieht es während einer Sonnenflaute zappenduster aus und auch die beworbene Funktion mit der Einspeisung würde nicht funktionieren.
„Mit dem Fahrzeug, der My BMW App, unserem BMW Backend, einer BMW DC Wallbox Professional und einer PV Anlage können Kundinnen und Kunden den Energiefluss optimal steuern, so dass Laden zu Hause phasenweise netzunabhängig werden kann. Und natürlich können sie auch Ladekosten senken, indem sie den Strom, den ihr BMW gespeichert hat, wieder in das Netz einspeisen.“
Jeff Healey meint
Vehicle-to-Home (V2H) ist als Thema wichtig und richtig.
V2G ist meines Erachtens jedoch auf Grund der zu größten Teilen NICHT in Privatbesitz befindlichen PKW-Parkflächen ein noch wichtigerer Faktor für die weite Verbreitung und den netzdienlichen Einsatz der E-Mobilität in Deutschland. In der Hinsicht müssten parallel und zügig die entsprechenden regulatorischen Maßnahmen durchgeführt werden um Planungsklarheit zu schaffen.
Jeff Healey meint
Präzisierung:
V2G sollte keine Einbahnstraße sein, daher sollte es eigentlich immer G2V/V2G heißen (Grid to Vehicle/Vehicle to Grid).
gtd meint
Studien über Studien :)
Bitte einfach mal AC-BiDi Wallboxen anbieten.
David meint
Niemand hatte in einer Frühphase Interesse an AC Boxen. Überhaupt hatte niemand Interesse an der ganzen Technologie. Bis der VW Konzern sich der Sache angenommen hat und die haben nun mal Gleichstrom als Standard genommen. Jetzt kommt plötzlich alle aus den Löchern, die es anders wollen.
Wobei DC technisch sehr sinnvoll ist. Denn sowohl Solaranlagen als auch Speicher laufen auf Gleichstrom. So würde das mit den geringsten Übertragungverlusten laufen und die entständen relevant eigentlich erst beim Verbrauch, dann erst würde gewandelt.
Meist wird gegen DC eingewendet der Preis. Nur kennt man den ja auch gar nicht, weil es noch keine Massenfertigung gibt.
Rene meint
Das ist doch noch keine Lösung – meines Wissens nach ist das noch an E3/DC gebunden – also hier bleibt noch 99% Luft nach oben
Solariseur meint
Ach Daviiid, da muss sich der VW Laden schon was anderes einfallen lassen, um die Leute über den Tiiisch zu ziehen. Den Müüülll braucht in richtigen Leben kein Mensch.
Daniel meint
Ist also nur für Leute mit eigener PV sinnvoll. Sprich, für 99% der Menschen Unsinn.
MichaelEV meint
Beides ist frei erfunden, sowohl „nur für Leute mit eigener PV sinnvoll“ als auch „für 99% der Menschen Unsinn“.
Es ist aber nur als Gesamtpaket sinnvoll, von dem die Seite Ladehardware der wesentliche Teil ist. Was VW aktuell anbietet ist bisher max. von einer sinnigen Lösung entfernt.
Matthias meint
„Eine weitere wichtige Hürde bleibt laut der Untersuchung die „Reichweitenangst“ “
Also ehrlich gesagt gönne ich diesen Leuten diese Angst. Genießt die Angst solange ihr könnt.
Schon unfassbar mit welchem irrationalen Mist die Menschheit auch noch im 21. Jahrhundert leben muss. Ständig erfindet jemand eine neue Empfindlichkeit und Unverträglichkeit und himmelschreiende Ungerechtigkeit hinzu, von Regeln und Vorschriften und Zertifizierungen und „Complicances“ und Quoten und Hürden ganz zu schweigen.
Die PKW-Hersteller sollen endlich V2x über CCS freischalten (müssen) anstatt zu kneifen und doppeltes Spiel zu spielen (Hallo Elon!). Dann wird sich ein Markt entwickeln, und die Studien studieren sich von selbst.
Georg meint
Das sehe ich genauso. CCS freischalten, denn fast jeder Hochvolt PV – Hybrid-Inverter hat eine DC-Range für die Batterie von ca. 200V-700V. Also müsste ich nur einen CCS-Stecker mit Kabel kaufen (derzeitiger Strassenpreis zwischen 300€-700€) und die von mir freigegebene Batteriekapazität des e-Autos wäre als Hausspeicher verfügbar.
Matthias meint
Ein CCS-Kabel für den Hausgebrauch muss nicht viel mehr kosten als die eh schon teuren Typ2-Kabel die zwei Kommunikationsleitungen enthalten. Es sollen ja keine 200 kW mit Wasserkühlung übertragen werden sondern eher maximal 20, und real sind es meist wohl 2 kW. Im Prinzip reicht es von einem dreiphasigen Typ2-Kabel je zwei Adern für Plus und Minus zu verwenden, so wie Tesla bei DC Mid für die SuC in Europa. Einphasige Kabel sind noch simpler.
LarsDK meint
Und die passenden E-Autos.
Jeff Healey meint
Technisch gesehen eigentlich ganz einfach: LFP oder zukünftig Natrium Akku mit entsprechenden Garantien rein, und sorgenfrei Strom hin und her schieben. Das funktioniert ja auch heute schon mit LFP Heimspeicher.