Renault-Chef Luca de Meo ist mit Blick auf das für 2035 geplante faktische Verkaufsverbot für Autos mit Verbrennungsmotoren in der EU skeptisch. „Wir brauchen etwas mehr Flexibilität“, forderte er im Gespräch mit dem Handelsblatt und drei weiteren europäischen Zeitungen. Man sei nicht auf Kurs, bis Mitte des nächsten Jahrzehnts 100 Prozent bei vollelektrischen Fahrzeugen zu erreichen.
Der Präsident des Verbandes der Europäischen Automobilhersteller (ACEA) sprach sich in dem Interview auch für Technologieoffenheit bei der Verkehrswende aus. „Wenn man Roulette spielt, sollte man nicht alles auf eine Farbe setzen“, sagte er. Elektroautos seien „nur eine der Lösungen“. Es wäre angebracht, Hybridautos voranzutreiben, wie es auch die Chinesen machten.
Binnen zwölf Jahren von zehn Prozent Marktanteil für E-Autos auf 100 Prozent zu kommen, sei „wirklich sehr kompliziert“. Das sagten auch andere Unternehmen. In der Mehrheit der EU-Länder liege der E-Auto-Anteil im Markt nicht über sieben Prozent. Von Autoherstellern würden aber schon nächstes Jahr Quoten von über 20 Prozent erwartet, um die Grenzwerte für ihre Flotten einzuhalten. Das Ökosystem müsse hier gemeinsam vorankommen. „Davon rede ich, wenn ich Flexibilität und Agilität einfordere“, so der Renault-Chef.
Die kürzlich wiedergewählte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hatte in ihrem politischen Grundsatzprogramm für die kommenden fünf Jahre Ausnahmen für synthetische Kraftstoffe („E-Fuels“), mit denen Verbrennungsmotoren laufen können, angekündigt. Bei der 2026 anstehenden Überprüfung der Vorschriften zum Verbrenner-Verbot sei „ein technologieneutraler Ansatz erforderlich“. Von der Leyen stellte jedoch zugleich klar, dass das Ziel, dass Autos ab 2035 klimaneutral sein sollen, bestehen bleibe.
Renault verfolgt das Ziel, womöglich schon ab 2030 in Europa nur noch vollelektrische Autos zu verkaufen. „Wir sind noch nicht auf Kurs, bis 2035 die 100 Prozent bei vollelektrischen Autos zu erreichen. Das ist die Wahrheit“, sagte dazu der Konzernchef. „Wenn die Kunden uns nicht folgen, tragen wir alle eine Verantwortung. Wir müssen die Kosten dieser Modelle senken und die Ladeinfrastruktur viel schneller ausbauen. Auch grüner Strom muss günstiger zur Verfügung stehen.“
Bezüglich der mit Volkswagen geplanten Kooperation bei der Entwicklung eines günstigen Einsteiger-Elektroautos erklärte de Meo, dass sich der deutsche Hersteller „im allerletzten Moment“ aus den Gesprächen zurückgezogen habe. „Für mich persönlich wäre es ein starkes Symbol gewesen, wenn sich zwei große europäische Traditionskonzerne bei dieser Revolution zusammengeschlossen hätten“, sagte er. In Europa gelinge nicht, was den Chinesen gelinge: „Sie verstehen es nämlich, die Technologie und Investitionen zwischen ihren Autobauern zu teilen.“
Andreas Kühweg meint
Wenn man Roulette spielt und immer auf beide Farben setzt, kann man aber auch nichts gewinnen. Man verliert zwar auch nichts, aber nur bis die Null kommt. Ist also eine reichlich blöde Analogie.
Wer ins Casino geht, um beim Roulette auf beide Farben zu setzen, hat daheim vor dem Fernseher geringere Kosten und mehr Spannung; selbst wenn nur das Testbild kommt. (Gibt es das überhaupt noch?)
volsor meint
Zitat.“Binnen zwölf Jahren von zehn Prozent Marktanteil für E-Autos auf 100 Prozent zu kommen, sei „wirklich sehr kompliziert“. “
Diese Aussage ist doch Bullshit. Die E-Mobilität hat bereits 2008 in den USA mit Tesla und dann 2011 mit BYD begonnen.
Man hat es Spinnerei abgetan und 10 Jahre gegen die E-Mobilität gewettert , ohne Erfolg.
Und jetzt sitzen sie da und Heulen wie kleine Kinder. Da hält sich mein Mitleid in Grenzen.
David meint
Diese verrückte Verblendung, die überall durchkommt. Die Elektromobilität hatte in den USA keinesfalls mit Tesla 2008 begonnen. Sie hat 1996 mit dem GM EV1 begonnen. Das war das erste elektrische Serienfahrzeug. Das sollte man wissen, selbst als Tesla-Fan, weil Murks sich in Verschwörungstheorien darauf beruft. 2008 wurde in Deutschland der „Nationale Aktionsplan Elektromobilität“ verabschiedet, die Grundlage aller späteren Förderungen und das erste Ziel war es, bis 2020 1 Million Elektroautos auf deutschen Straßen zu haben. Zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Tesla in Deutschland zu kaufen. Insofern hat auch in Deutschland als Leitmarkt in Europa Tesla in den Anfängen keine Rolle gespielt.
Yoshi meint
Naja, auch BYD scheint kein großes Interesse daran zu haben, auf 100% Bev-Quote zu kommen.
50% der Verkäufe haben einen Auspuff, wobei Hybride eine ähnliche Wachstumsrate wie rein elektrische Antriebe verzeichnen.
BYD wird außerdem massiv direkt subventioniert (über 2 Mrd $ pro Jahr), zusätzlich gibt es eine Abwrackprämie und für BEVs und Hybride entfällt die Mehrwertsteuer. Trotzdem wird auch BYD in 12 Jahren noch nicht bei 100% Bev-Quote sein. Schließlich wird der Sprit nicht jedes Jahr künstlich verteuert und das Verbrenneraus wurde auf 2060 verschoben.
Ich glaube also nicht, dass Renault das Ziel nur deshalb nicht erreicht, weil sie es nicht wollen oder verschlafen haben. Derjenige alteingesessene OEM, der vor 2035 nur noch Elektroautos anbietet, wird das (faktische) Verbrenneraus nicht mehr miterleben.
Elvenpath meint
Wir hatten 120 Jahre lang keinerlei „Technologieoffenheit“, es gab nur den Verbrenner. War irgendwie kein Problem.
Für 2027/2028 ist die Preisparität in Aussicht. Wenn E-Autos vom Kaufpreis günstiger sind, als Verbrenner, werden die Leute massenhaft umschwenken. Wenn man Geld spart, ist man bereit, auch kleinere Umstellungen in der Lebensweise hinzunehmen. Die Entwicklung verläuft nun mal nicht linear.
Ich verstehe allerdings den Spagat, den die Hersteller machen müssen: Auf der einen Seite zicken die Kunden noch rum (uns ja, es ist halt bei einigen auch noch eine Preisfrage im Moment) und werden mit E-Autos nicht richtig warm, auf der anderen Seite sind batterieelektrische Autos die Zukunft, das ist unausweichlich.
Der Vergleich mit Roulette ist unsinnig, denn Roulette ist rechnerisch darauf ausgelegt, dass die Bank gewinnt auf lange Zeit. Langfristig ist es egal, wie man setzt. Man verliert.
Die Aussage „In der Mehrheit der EU-Länder liege der E-Auto-Anteil im Markt nicht über sieben Prozent.“ ist unsinnig, da die Länder sehr ungleich groß sind. In der EU haben BEVs einen Marktanteil irgendwo zwischen 15 und 20 Prozent.
Yoshi meint
Man hätte doch 120 Jahre lang auch alternative Antriebe anbieten können, das war ja nicht verboten. Zu Beginn der Automobilindustrie gab es ja auch schon Mal relativ viele elektrische Modelle, nur konnten die technisch nicht mehr mithalten.
Sollte die Preisparität 2027/2028 erreicht werden und man den gleichen Straßenpreis für ein Bev zahlen wie für einen Verbrenner, stimme ich dir zu. Allerdings bewegt sich alles, was im günstigen Bereich angekündigt ist im Rahmen von Klein-bis Kleinstwagen mit Mini-Akku.
Kommt die Preisparität nicht, wird Anfang/Mitte der 2030er ein riesen Run auf die letzten Verbrenner starten (siehe Gasheizungen), und dann ist der Markt ab 2035 erst Mal tot, bevor dann politisch umgeschwenkt wird. Und das kann ja auch keiner wollen.
Elvenpath meint
Niemand hat früher mantraartig „Technologieoffenheit“ gefordert.
Wenn das heute gefordert wird wird, heißt es übersetzt nichts anderes als: „Ich mag/möchte einfach keine BEVs.“
Yoshi meint
Die musste auch niemand mantraartig fordern, weil sie ja immer gegeben war. Ab 2035 ist sie das faktisch nicht mehr.
EVrules meint
„Wir hatten 120 Jahre lang keinerlei „Technologieoffenheit“, es gab nur den Verbrenner.“
Das stimmt so nicht ganz, mit die ersten PKW waren elektrisch betrieben, weil es simpler in der Umsetzung war. Die Weltkriege befeuerten jedoch die Entwicklung des Verbrennungsmotors, der sich dann zunehmend durchsetzte.
ID.alist meint
Ich kann das Gejammere von Luca de Meo nicht verstehen. Er hat aus der Firma die Verbrenner in eine Bad Bank platziert, er ist dabei den schwierigsten Marktbereich, mit einem günstigen E-Twingo, zu besetzen und in den Bereichen wo Renault am Meisten Autos verkauft, hat Renault jetzt schon was anzubieten, und trotzdem glaubt er nicht bis 2035 ein 100% voll-elektrischen Produktpalette anbieten zu können?
Ich glaube das weint jemand, weil in den nächsten Jahren die Boni etwas dünn sein können, weil die Profite nicht besonders hoch sein werden.
Yoshi meint
Der aktuelle E-Twingo kostet ca. 30k. Ich bin gespannt, ob und wie es gelingt den Preis um ein Drittel zu senken.
Und dann muss die Mittelklasse folgen. Einen gut ausgestatten Megane Grandtour mit 140 PS kannst du für 27k kaufen. Wenn der Megane E-Tech in den nächsten Jahren in dem Preisbereich landet – sehr gut. Wenn er weiterhin 10k mehr kostet, wird er auch weiterhin kaum gekauft.
Der gute Mann nimmt einfach die rosarote Brille ab und ist realistisch.
NeutralMatters meint
Der aktuelle e/Twingo baut auf der Smart-Forfour Plattform auf, die kaum skalierbar ist, zudem Smart die Produktion einstellte – d.h. es ist nur noch Renault dabei, bzw. hat auch hier die Linie vor nicht allzulanger Zeit beendet.
Im Gegensatz dazu wird der kommende neue eTwingo auf der AmpR Small Plattform aufbauen (ehemals auch CMF-BEV genannt), die auch der R5/A290, R4 und ebenfalls eine anteilige Teilegleichheit mit der AmpR Medium (MéganE, Scenic) besteht.
Bei Renault/Ampere und in der Alliance mit Nissan und Mitsubishi ist man dabei, mehr zu vereinheitlichen, was sich dann entsprechend positiv bei der Kostensenkung bemerkbar machen sollte – auch wenn ich mir beim R5 mehr erwartete, ist er tatsächlich deutlich günstiger als der e208.
South meint
Das ist tatsächlich gar nicht so unwahrscheinlich wie es sich anhört. Die Chinesen produzieren um ca. 1/3 niedriger. Es ist auf alle Fälle deutlich Luft. Dann muss man natürlich TCO rechnen, aber diese Diskussion hatten wir nun schon zu genüge….
Yoshi meint
Die TCO geht ja on den Kaufpreis nicht mit ein. 20k standen für den neuen Twingo im Raum. Bis dato kann man hier keinen chinesischen Kleinwagen für 20k kaufen, deshalb würde es mich wundern wenn es ein europäischer Hersteller zuerst schafft. Zu begrüßen wäre es, bei Preisgleichheit würden sich wahrscheinlich die meisten für das europäische Produkt entschieden.
South meint
Absolut Korrekt. Wird doch langsam… beim TCO geht der Kaufpreis und viele mehr mit ein. Je nach Konstellation und Modell kann man ungefähr davon ausgehen, dass der Kaufpreis bei einem Verbrenner so knapp die Hälfte ausmacht ;-) .
Das ist auch der Grund warum für viele Kunden nicht unbedingt Preisgleichheit beim Kaufpreis vorliegen muss um den Verbrenner zu schlagen. Und Preisgleich Europa vs. China muss sehr wahrscheinlich auch nicht sein. Bei Gleichheit sollten die europäischen Marken keine Probleme haben. Wie stark die Preise der Autos tatsächlich fallen ist natürlich spekulativ und ein Drittel schon hoch. Aber 20% in 10 Jahren sind realistisch drin….
Elvenpath meint
Wir sind da wieder bei dem Thema, dass die Akkupreise drastisch fallen, aber die die Preisdifferenz zu den Verbrennern nicht geringer wird.
Daniel S meint
„ Wir sind noch nicht auf Kurs, bis 2035 die 100 Prozent bei vollelektrischen Autos zu erreichen. Das ist die Wahrheit“
Deshalb auf Klimaziele verzichten?
Dann sage ich: Ich habe zu wenig Geld. Bitte die Steuern senken.
EVrules meint
Daniel S. – De Meo sagt nicht, dass wir die Ziele aufweichen sollen aber er gibt eine Wasserstandsmeldung ab, wo wir uns gerade befinden und er drückt aus, dass er die Ziele eigentlich erreichen will mit:
„[…] Wir müssen die Kosten dieser Modelle senken und die Ladeinfrastruktur viel schneller ausbauen. Auch grüner Strom muss günstiger zur Verfügung stehen.“
Also, er steht dafür, dass wir die industriellen Randbedingungen richtig stellen, damit BEVs einen klaren Kostenvorteil zeigen.