Die Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess. Neue Marktverhältnisse durch stärkeres Wachstum in anderen Weltregionen, die Transformation zur Elektromobilität, die Digitalisierung sowie wirtschaftspolitische Unsicherheiten prägen die aktuelle Situation. Diese Entwicklungen haben deutliche Folgen für den Industriestandort Deutschland und die Beschäftigten in der Automobilindustrie.
Die Effekte auf die Beschäftigung hat der Automobilverband VDA in einer Studie durch das Forschungsinstitut Prognos untersuchen lassen. Die Auswertung mit dem Titel „Beschäftigungsperspektiven in der Automobilindustrie“ zeigt, welche Veränderungen der Beschäftigung in den letzten Jahren bereits vollzogen sind und welche absehbaren Veränderungen noch auf die Automobilindustrie und ihre Beschäftigten zukommen. Dazu wurde die Entwicklung von 700 Berufen in der Automobilindustrie ausgewertet.
Durch die Elektrifizierung des Antriebsstrangs wird für die Herstellung von Fahrzeugen eine insgesamt niedrigere Beschäftigung benötigt als in der Vergangenheit. Zudem kommt es zu deutlichen Verschiebungen innerhalb der Beschäftigung. Dies sieht man in den Daten deutlich. Überproportionale Jobverluste gab es bei den bisherigen Top-Jobs der Branche: Von den 10 größten Berufsgruppen in der Automobilindustrie zählen 7 zu denen mit den größten Jobverlusten seit 2019. Besonders Berufe in Maschinenbau- und Betriebstechnik sowie in der Metallbearbeitung haben an Relevanz verloren.
Zuwächse gab es dagegen bei Berufen in der Kraftfahrzeugtechnik, die vor allem bei den Herstellern angesiedelt sind, zudem bei Berufen in der technischen Forschung und Entwicklung sowie in der Informatik, der Elektrotechnik und der Softwareentwicklung. So ist zum Beispiel die Beschäftigung in IT-Berufen in der Automobilindustrie seit 2019 um etwa ein Viertel gestiegen und seit 2013 sogar um 85 Prozent.
Renteneintritte in den kommenden Jahren lösen das Problem nicht
Die Studie zeigt: Die Transformation ist längst nicht abgeschlossen, sondern in vollem Gange. Das gilt sowohl mit Blick auf die Beschäftigungsentwicklung allgemein als auch die Entwicklung in einzelnen Berufsgruppen.
Die Betrachtung der einzelnen Berufsgruppen verdeutlicht die unterschiedlichen Effekte der demographischen Entwicklung. Wie in der Gesamtwirtschaft geht auch in der Automobilindustrie etwa ein Viertel der Beschäftigten in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Während dies in einigen Berufsgruppen dazu führen kann, anstehende Veränderungen zu unterstützen, drohen in anderen Berufsfeldern erhebliche Engpässe, vor allem in der Elektrotechnik, Energietechnik und der IT.
Die Studie zeigt vier mögliche Kombinationen aus steigender oder abnehmender Bedeutung der Berufe und dem jeweiligen Angebot an Arbeitskräften, welches in Zukunft zur Verfügung steht. Die zentralen Erkenntnisse sind:
- Steigende Relevanz, sinkendes Angebot: Problematisch aus Sicht der Fachkräftesicherung sind Berufe, bei denen die Bedeutung steigt (oder konstant bleibt), aber das Angebot an Arbeitskräften sinkt. Das sind Berufe in den Bereichen Maschinenbau und Betriebstechnik, Kunststoff- und Kautschukherstellung, Kunststoff- und Kautschukverarbeitung, IT-Netzwerktechnik, IT-Koordination, IT- Administration und IT-Organisation. Hier dürfte sich der Fachkräftemangel in Zukunft noch weiter verschärfen. In einigen Berufen mit steigender Relevanz bestehen bereits heute teilweise Engpässe. Dazu zählen vor allem Berufe im Bereich Mechatronik oder Informatik. Es zeigt sich außerdem, dass das Wachstum in anderen Bereichen, in denen eine Steigerung zu erwarten gewesen wäre, ausbleibt. Das gilt zum Beispiel für Berufe in der Kunststoff- und Kautschukherstellung. Die steigende Relevanz dieses Bereichs ist bislang in der Beschäftigung in Deutschland nicht sichtbar. Es darf angenommen werden, dass dies mit den hohen Energiepreisen in Deutschland zusammenhängt, die Kunststoffverarbeitung zählt zu den energieintensiven Wirtschaftszweigen.
- Sinkende Relevanz, sinkendes Angebot: In anderen Berufen sinkt sowohl die Bedeutung des Berufs als auch das Angebot, was bedeutet, dass ein Teil des Personalabbaus möglicherweise durch Verrentungen erfolgen kann. Dies betrifft vor allem die Berufe wie Metallbau und Schweißtechnik oder Metallbearbeitung.
- Steigende Relevanz, steigendes Angebot: In einigen Berufen, deren Bedeutung steigt (oder konstant bleibt), wird auch ein Anstieg des Angebots von Arbeitskräften erwartet. Aufgrund der günstigen Altersstruktur der in diesen Berufsgruppen beschäftigten Personen erreichen bis zum Jahr 2035 nur wenige das Renteneintrittsalter, gleichzeitig treten neue Nachwuchskräfte in den Arbeitsmarkt ein. Dies betrifft Berufe in der Informatik-, Informations- und Kommunikationstechnologie sowie Mechatronik-, Energie- und Elektroberufe.
- Sinkende Relevanz, steigendes Angebot: In weiteren Berufen wird durch eine sinkende Bedeutung der Berufe und ein gleichzeitig steigendes Angebot ein Überangebot an Arbeitskräften entstehen. Abgesehen von der Technischen Forschung und Entwicklung sind davon insbesondere Berufe betroffen, die eher indirekt die Produktion betreffen und stattdessen die betriebswirtschaftliche Steuerung und Verwaltung der Unternehmen umfassen.
Im Ergebnis zeigt sich ein vielschichtiges Bild mit variierenden Entwicklungen je betrachtetem Beruf. Somit sind die bestehenden Herausforderungen komplex: „Es geht nicht nur darum, dass Beschäftigung in der Automobilindustrie verloren geht, sondern auch darum, für relevanter werdende Beschäftigungsfelder Fachkräfte zu gewinnen. Dies geschieht unter andrem auch Umschulungs- und Weiterbildungsangebote in den Unternehmen selbst. Diese helfen gleichzeitig, Beschäftigungseffekte zu dämpfen“, so die Studienautoren.
Die Studie zeigt ebenso, dass seit dem Jahr 2013 die Beschäftigung im Personalwesen um 36 Prozent gestiegen ist. Das deute zum einen daraufhin, dass die Unternehmen Themen wie Fachkräftesicherung und Fachkräftegewinnung oder Vereinbarkeit von Familie und Beruf begegnen, sei nicht zuletzt aber auch der Entwicklung geschuldet, dass gesetzliche Vorschriften und regulatorische Anforderungen auch in diesem Bereich deutlich gestiegen seien, heißt es.
Transformation könnte 190.000 Jobs bis 2035 kosten
Die Studie (PDF) zeigt also, dass in der Branche große Anpassungen innerhalb der Belegschaften stattfinden: Die Schwerpunkte verschieben sich. Es ist auch deutlich zu sehen, dass viel Neues entsteht: Dem Rückgang der Beschäftigung seit 2019 von 75.000 Beschäftigten steht ein Zuwachs von 29.000 in anderen Bereichen gegenüber.
Den größten Rückgang gab es mit einem Minus von 8.900 Personen (-16 %) bei Berufen in der Metallbearbeitung, die zum ganz überwiegenden Teil in der Zuliefererindustrie angesiedelt sind. Das größte Plus gab es mit 10.700 Personen oder +14 Prozent in Berufen der Kraftfahrzeugtechnik, die sich vor allem bei den Herstellern befinden.
Gleichwohl gilt, dass der Saldo der Beschäftigung negativ ist und sich wohl weiter negativ entwickeln wird: Setzt sich der zwischen den Jahren 2019 und 2023 eingesetzte Trend fort, so läge die Beschäftigung in der Automobilindustrie in Deutschland im Jahr 2035 um 186.000 Personen niedriger als im Jahr 2019, in dem nur wenige rein batterieelektrische Fahrzeuge gefertigt wurden. Hauptursache sind hier Transformationseffekte durch die Umstellung auf alternative Antriebe. 46.000 Arbeitsplätze – also etwa ein Viertel davon – sind in den Jahren 2019 bis 2023 bereits weggefallen, rund 140.000 weitere werden voraussichtlich bis zum Jahr 2035 entfallen. Mit Blick auf das tatsächliche Ausmaß besteht allerdings hohe Unsicherheit, denn zum einen kann der in einigen Bereichen bestehende oder sich bereits abzeichnende Fachkräftemangel das Wachstum von in Zukunft relevanter werdenden Bereichen dämpfen, zum anderen können die politischen Rahmenbedingungen den Trend gleichsam verstärken wie dämpfen.
VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Die Transformation unserer Industrie ist eine Mammutaufgabe. Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie und ihre Beschäftigten leisten größte Anstrengungen, damit sie gelingt. Daran gibt es keinen Zweifel. Rund 280 Milliarden Euro investieren die deutschen Autohersteller und Automobilzulieferer weltweit zwischen 2024 und 2028 allein in den Bereich Forschung und Entwicklung, weitere rund 130 Milliarden Euro in den Umbau der Werke. Die Investitionen unterstreichen den Willen der deutschen Automobilindustrie die Transformation zu einer Erfolgsgeschichte zu machen. Wir wollen den Wandel.“
Die VDA-Chefin weiter. „Klar – das zeigt auch unsere Studie einmal mehr – ist: Der Wandel hin zur Elektromobilität wird zu Beschäftigungsverlusten führen. Die geringere Beschäftigung ist zuallererst nicht Ausdruck einer Krise, sondern ein Teil der Transformation. Entscheidend ist aber, dass die politischen Rahmenbedingungen diesen Wandel unterstützen und begleiten. Die politischen Rahmenbedingungen entscheiden darüber, ob die Zukunftsinvestitionen am Standort Deutschland stattfinden, ob das Neue, das ansteht, hierzulande mit neuen Arbeitsplätzen entsteht oder woanders. Die Rahmenbedingungen können die Beschäftigungseffekte also verstärken oder dämpfen.“
Gerry meint
Nur der Wandel ist beständig. Weiß jeder, und damit ist es entscheidend wie die Veränderung gestaltet wird.
VW hat versucht den Wandel aufzuhalten und kommt jetzt unter die Räder (sorry für das Wortspiel).
Mit den 30 Mia. (30.000.0000.000 Euro !) die VW seit 2015 für den Diesel-Betrug bezahlt hat, hätte man locker 10 attraktive Elektromodelle entwickeln können und VW wäre vorne mit dabei.
Wirklich schade, ich hoffe sie können retten was noch zu retten ist. Vielleicht klappt es ja.
Eichhörnchen meint
Den „tiefgreifenden Veränderungsprozess“ sieht man schön an der VW Aktie, uihuihuih, da geht es Richtung Süden.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Am Pol ist dann bei eisigem Klima Schluß.
Yoshi meint
Die Erde ist eine Kugel, d..h. nach dem Pol geht es wieder bergauf.
Bei dem was die Chinesen anbieten (also was tatsächlich in Europa kaufbar ist) werden deren Kisten hierzulande Ladenhüter bleiben. Kauft in China ja auch nur, wer keinen Verbrenner in seiner Stadt zulassen kann und massiv mit Geld beschmissen wird.
Ich bin absolut kein Freund von VW, aber ich sitze auch nicht abends vorm Rechner und freue mich diebisch über Entlassung. Ein Hobby könnte da z.B. helfen.
elektromat meint
Brösel mal bitte auf wie die Chinesen mit Geld beschmissen werden das würde mich interessieren.
2019 gab es für den Kauf von einem E-Auto wenn man gleichzeitig einen alten Diesel abfrackd noch ca. 12.000 Euro, wetten das toppen die Chinesen nicht.
In Deutschland interessiert die Hersteller halt nur Premium weil damit das meiste Geld verdient werden kann. Nur dumm das in China inzwischen Premium nicht mehr mit dem Verbrenner sondern mit Elektro verbunden wird. Da kann VW nicht mithalten und damit fällt dort einiges an Gewinn und Verkaufszahlen weg. Die Probleme sind nicht der EU oder US Markt. Das Problem die Geldquelle Markt China fällt weg der die Probleme der Autobauer in Deutschland kaschiert hat. 70% der Verkäufe in Deutschland gehen an Flottenkunden, danz ehrlich die interessiert nicht ein Auto aus China da gehts um Flottenrabatte. Außerhalb Deutschland siehts da anders aus, deswegen will auch nur Deutschland keine Importzölle weil sie erstens selber jede Menge Fahrzeuge importieren, an den Chinesen beteiligt sind und bei Zöllen in China die Haupteinkommensquellen in Gefahr sind.
Yoshi meint
Siehe Kommentare unter dem anderen Artikel. Bis 4000€ dollar Steuererlass, das sind 3. Mal monatliches Durchschnittsgehalt.
Und wenn wir das auf deutsches Durchschnittsgehalt umrechnen, sind wir – oh Wunder – ziemlich genau bei 12.000€.
Was darüber hinaus die Hersteller an Subventionen erhalten, ist ja. Bekannt.
Kaiser meint
Na und? VW 1995 bei 15€ gekauft, und 2015 bei 250€ verkauft :-) Da staunste, was?
Bald wieder Kaufkurse, noch ein wenig warten …
Ben meint
Meinst du mit bald 2050 wenn die Neustruckturierung von VW abgeschlossen ist und noch als Tochtermarke XPeng existriert ?
Yoshi meint
Warum so negativ, steht dein Job etwa auch auf dem Spiel?
Kopf hoch, vielleicht kannst du dann für eine Firma arbeiten, sie du nicht Abgrundtief hasst. Ist auch besser für die Nerven.
Kaiser meint
Er wird dann seinen Peitscheschwingenden Chinesischen Vorgesetzten erst recht hassen :-)
Future meint
Unser Kaiser, der hat bestimmt auch Apple und Tesla gezeichnet in 2010 – und das nächste Apple ist jetzt bald VW. Noch Fragen Kienzle.
Eichhörnchen meint
Was niemand für möglich gehalten hätte in D, 2025/26 wird der Nokia Moment für die klassischen Autohersteller.
Die VW Krise ist erst der Gipfel vom Eisberg. E-Autos nicht Konkurrenzfähig, Verbrenner Verkäufe gehen gnadenlos in den Keller. Jedem ist klar das verbranntes Diesel/Benzin die Lungen krank machen, die Erde erhitzen und unsere „Freunde“ reich machen. Und hinten drauf kommen die Flüchtlinge aus den, mit den Einnahmen aus fossiler Energie entfachten, Krisen Regionen oder aus Gegenden mit Wasser Mangel und verbrannter Erde.
Kasch meint
Entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich. Danke, die Redaktion.
David meint
Schlecht wäre ja immer eine Disruption. Da reden wir dann von sehr schnellen Änderungen bei reichlich vorhandener alter Struktur. Aber das ist es nicht. Indessen dürfte dem letzten klar, es ist ein langsamer Übergang, einerseits, weil die Verbrenner immer noch sehr gut nachgefragt sind und andererseits, weil die Konkurrenzsituation relativ entspannt ist.
Wenn man sieht, wie sich Tesla für einstellige Renditen feiert, wobei die Hälfte auch noch aus dubiosen Einnahmequellen kommt und man defacto 4 % aus der Fahrzeugproduktion zieht, dürfte klar sein, alle kochen nur mit Wasser. Das klang vor ein paar Jahren noch bedrohlicher, als man von 40 % Rendite träumte. Gleiches gilt in China, es gibt kein Wettbewerber, der dort gute Renditen erzielt. Der Konkurrenzkampf ist mörderisch und kostet bei allen Marktteilnehmern Renditen.
Man darf ja auch nicht vergessen, dass ab jetzt noch zwölf Jahre lang etwa doppelt so viele Arbeitnehmer aus dem Berufsleben ausscheiden, als neu eintreten. Erst 2031 wird die Spitze dieser Bewegung erreicht. In eine große Arbeitslosigkeit wird man also nicht geraten. Richtig ist auch, dass die Qualifikationen sich ändern. Ein üblicher Prozess. Im Zeitalter der Schweißroboter, des Gießens und Klebens nutzen einem in der Produktion Schweißkenntnisse immer weniger. Wie es nach dem Krieg für Stellmacher und Wagner immer weniger Arbeitsangebote gab.
Superlustig auch, wie die angeblich vollautomatische komplexe Industrieproduktion ein reines Fantasieprodukt von Murks bleibt. Er hat die Komplexität der Fehlerquellen bei Maschinen einfach völlig unterschätzt. The Machine that Builds the Machine gibt es nicht. Wie das Giga Casting, Vision Only und die Idee, Fahrzeuge nur durch Software aktuell zu halten – alles gescheitert.
Future meint
VW Marge 2,1 Prozent.
Tesla Marge 10,8 Prozent.
Superlustig Muhahaha.