Volkswagen vollzieht mit seiner Software-Tochter Cariad einen grundlegenden Strategiewechsel. Statt Software hauptsächlich selbst zu entwickeln, setzt der Konzern künftig auf Kooperationen mit externen Technologiepartnern. Cariad soll künftig als Koordinator fungieren, externe Technologien integrieren und dennoch zentrale Bereiche wie autonomes Fahren, Infotainment-Systeme und Cloud-Dienste intern weiterentwickeln.
Konzernchef Oliver Blume stellte die neue Ausrichtung bei einer Veranstaltung der Financial Times in München vor. Demnach ersetzen Kooperationen mit dem chinesischen E-Auto-Start-up Xpeng und dem US-amerikanischen Elektroautobauer Rivian die gescheiterte eigene Softwareentwicklung. Blume betonte die Vorteile der neuen Strategie: Software könne über verschiedene Marken und Modellreihen hinweg genutzt werden, was Kosten senken dürfte.
„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“, sagte Blume bei der Veranstaltung. „Nachdem wir nun eine klare Software-Strategie definiert haben, erreichen wir eine hervorragende Kostenpositionierung“ mit Skaleneffekten, fügte er hinzu.
Die Umstrukturierung gilt als Reaktion auf schwerwiegende Probleme in der Vergangenheit. Verzögerungen bei der Software-Entwicklung führten dazu, dass zentrale Elektro-Modelle wie der Porsche Macan und der Audi Q6 e-tron erst Jahre später auf den Markt kamen. Infolge dieser Rückschläge wurde das ursprüngliche Entwicklungsteam laut der Financial Times weitgehend aufgelöst. Auch Chef-Software-Ingenieur Sanjay Lal, der 2023 von Rivian kam, verließ das Unternehmen gemeinsam mit weiten Teilen seines rund 200-köpfigen Teams.
Heute liegt der Fokus bei Cariad auf der Integration externer Software. Die Partnerschaft mit Rivian ist ein zentrales Element dieser Strategie. Volkswagen investiert über fünf Milliarden US-Dollar in ein Gemeinschaftsunternehmen, das von ursprünglich 900 auf mehr als 1.300 Mitarbeitende angewachsen ist. Cariad bleibt in dieser Struktur für die Pflege bestehender Plattformen sowie für die Einbindung neuer Systeme verantwortlich.
Peter Bosch, Geschäftsführer von Cariad, erklärte gegenüber der Financial Times, dass es dem Unternehmen „immer besser“ gelinge, verschiedene Kompetenzen und Mitarbeiter innerhalb einer weitläufigen Organisation zusammenzubringen, um seine Software-Aktivitäten zu zentralisieren. „Ich bin etwas erleichtert, dass wir dies innerhalb von zwei Jahren geschafft haben, denn es handelt sich um eine ziemlich umfangreiche Umstellung.“
Allerdings macht sich Volkswagen mit der Strategie von den Softwarelösungen seiner Partner abhängig. Hinzu kommt die technische Herausforderung, die ursprünglich für Elektrofahrzeuge entwickelte Rivian-Software auch für Verbrenner- und Hybridmodelle nutzbar zu machen. Diese Anpassung ist notwendig, da der deutsche Autobauer die Einführung mancher Stromer verschoben und gleichzeitig die Laufzeiten bestehender Verbrenner-Modelle verlängert hat.
McGybrush meint
Was ist wohl billiger?
In einem Haus wohnen oder zur Miete.
VW‘s Strategie.
Sie leben 5 Jahre zur Miete, dann bauen sie 5 Jahre ein Haus und nun wird doch wieder zur Miete gewohnt.
Also es ist egal ob eigene Software oder Kooperationen.
Aber alle 5 Jahre das Konzept zu ändern wird wohl langfristig das teuerste sein.
IDFan meint
Was bitte ist daran neu? Zudem ist man nicht von Partnern abhängig, sondern Joint Ventures sicher Zugriff und Ressourcen ohne dass man Kontrolle abgibt. Der Anlass dafür, mit Partnern zu arbeiten, sind Fortschritte in der IT-Technik, die es erlauben Steuergeräte als Instanz auf generischer Hardware abzubilden. Dadurch spart man viel Geld und ist echtzeitfähig.
Dieser große Move steht Unternehmen wie Tesla noch bevor. Sie haben ein Konglomerat aus alt und neu und wenn neu, dann domänenbasiert und damit auch abgehängt. VW macht den Schnitt jetzt, so dass die nächste Generation Elektroautos bereits auf SSP umgestellt ist.
In der Tat ist die einzige Schwierigkeit, die Verbrenner umzustellen. Eigentlich wollte man das nicht, aber da der Kunde anders entschieden hat und massiv Nachfrage nach Verbrennern vorhanden ist, wird die Sache kompliziert. Trotzdem hat auch BYD das Thema. Man ist also nicht alleine auf der Welt.
F. K. Fast meint
Ich bin schon ein bisschen enttäuscht, dass ein so großer Autobauer wie VW es nicht auf die Reihe bekommt, essentielle Software selbst zu entwickeln. Sie geben also immer mehr die Entwicklung von Kernkompetenzen an Zulieferer in anderen Teilen der Welt ab: Zellen und Software. Bleibt dann ja (übertrieben) fast nur noch Design und ein Bauteilzusammenschrauben übrig.
Mäx meint
Gibt es in der Wirtschaft ja oft.
Ein Generalunternehmer (VW) der die ganzen Gewerke (Zellen, Software, Chassis etc.) für seine Kunden zusammenwirft und Gewährleistung/Garantie drauf gibt.
Welcher Ansatz nun besser (mehr vs. weniger Fertigungstiefe) ist kann jeder für sich entscheiden.
Dennoch empfinde ich einen höher integrierten Hersteller als technisch eindrucksvoller als einen „Händler“.
Aber am Ende will alles bezahlt werden und wenn der Generalunternehmer das bessere Paket schnüren kann, warum nicht.
Und dann gibts dazwischen natürlich noch jegliche Grau-Abstufungen.
Damit meine ich übrigens nicht, dass VW aktuell das bessere Paket schnürt.
Es ging mir rein nüchtern um die Betrachtungsweisen Fertigungstiefe vs nicht.
lol meint
je mehr man selbst in der Hand hat umso besser, allerdings braucht man dann auch dazu die Kompetenzen bzw. muss diese aufbauen
wenn man hier schon 1300 Mitarbeiter braucht um die zugekaufte Softwarearchitektur ins Fahrzeug zu integrieren, dann sagt das ja schon einiges aus
da entsteht mit sicherheit keine Blindleistung
IDFan meint
Ja, das alte buy or make. Hier ist es ein Joint Venture. Das beste aus beiden Welten. Kostet Geld, das hat VW aber.
lol meint
na die Software auch langfristig selbst nicht in der Hand zu haben, das ist nicht nur die Frage ob man einzelne Bestandteile dazu kauft oder selbst macht
das ist eine kapitulation, die Grundidee von Cariad ist gescheitert
Jörg2 meint
Meine sehr persönliche Meinung:
VW kommt halt aus der „Mechanik“, Blech verbiegen, Metallverarbeitung… und hat ein darauf jehrzehntelang abgestimmtes, hoch effektives Produktionssystem. Über die Jahrzehnte hat sich herausgebildet, was VW besser (qualitativ und kaufmännisch) selbst macht und was VW einkauft und die Zulieferer knechtet. Die „Führung“ ist eher eine Verwaltung des Status Quo mit Feile für ständige Klein-Klein-Nachjustierungen und Verbesserungen.
Nun ist die Technologieveränderung im Antriebsstrang da, die Verschiebung der margenrelevanten Baugruppen und Produktionsprozesse… und da stößt das ausgefeilte, gut verwaltete AG-System mit Boni und Dividende an seine Grenzen.
Die Versuche, Dinge neu zu machen, die neuen margenträchtigen Prozesse ins Haus zu holen, Kompetenz in neuen Feldern aufzubauen… sind (so mein Eindruck) weitestgehend, und wohl vor allem(?) an internen Bremsern, gescheitert.
Was bleibt ist das Blechverbiegen und die Einkäuferkompetenz.
Ich vermute, dass (Fast-)Nur-BEV-Produzenten mit hoher Softwarekompetenz genau den umgekehrten Weg gehen werden. Ich vermute, wir werden „Softwarebuden“ sehen, deren Endprodukt zwar ein Auto ist, dessen Montage (das Blechverbiegen) aber an Auftragsfertiger gehen wird. (Also ähnlich der Apple-Herangehensweise.) Insofern, ja, da folge ich der Idee von IDFan: auch BEV-Hersteller müssen nicht alles selbst machen. Aber das, was sie nach außen abgeben, wird, so meine Vermutung und im Gegensatz zum IDFan, halt die Blechbiegerei sein, nicht die Kompetenz in Software.
Jörg2 meint
Vor nicht wenigen Jahrzehnten war der Stand der chinesischen Industrie unter „mittelmäßig“. Es gab wenig bis keine eigenen Kompetenzen, um halbwegs weltmarktfähig zu sein. Mit der „Möhre“ Profit lud man die westlichen Spitzenunternehmen ein, per JV, diese Technologielücken zu schließen.
Nun scheint es, so mein Eindruck, umgekehrt zu sein. Die eigenen Technologielücken des westlichen Automobilbaus werden per JV und Partnerschaften geschlossen.
lol meint
zumindest in Europa, hier hat man es verpasst Kompetenzen aufzubauen, braucht man ja nur fragen warum es z.B. keine Smartphones aus Europa gibt, es gibt keine Firmen, die es mit den großen Techkonzernen aus US und China aufnehmen können,
man redet das besonders in Deutschland immer klein und versucht es zu reglementieren, spielt selbst aber überhaupt nicht mit und wie sollen sich da auch große Kompetenzen aufbauen, wenn kein Geld dafür da ist?
die Entscheidung von VW zeigt nur wie krass es mittlerweile schon ist, man muss es zukaufen, weil anders läuft es gar nicht mehr
Holger meint
Herr Blume möchte zukünftig keinen IT-Vorstand mehr! Kann man ja einsparen. Ist das zukünfitg Chefsache und er als Maschinenbauer übernimmt das? Gefühlt macht er das eh schon. Ein anhaltenes Grauen ist das bei denen.
Tinto meint
Das kann nicht stimmen. Porsche hat sogar zwei IT Vorstände. Einen Car IT Vorstand und einen für Finanzen und IT
Beide wurden 2023 und 2025 von Blume ins Amt geholt.