BMW bringt in seinem Programm „Startup Garage“ mit dem Münchener Unternehmen DeepDrive einen „revolutionären Elektromotor“ mit Doppelrotor in den Straßentest. Das Konzept verspreche leistungsstarke Antriebe mit hoher Effizienz und Reichweite, erklärt der Autohersteller. Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt mit vielversprechenden Prüfstandergebnissen plane man mit DeepDrive jetzt einen ersten Praxistest.
Die beiden Unternehmen testen im nächsten Schritt die Fahreigenschaften verschiedener Varianten des Antriebs in Modellen der BMW Group auf der Straße. Das Konzept von DeepDrive ermöglicht den Angaben nach „enorm kompakte Antriebe“ mit niedrigem Verbrauch und hoher Drehmomentdichte, indem es quasi zwei Elektromotoren in einem zusammenfügt.
Herkömmliche E-Motoren bestehen aus einem Stator, der entweder einen innenliegenden oder einen außen liegenden Rotor bewegt. Beim Doppelrotor-Konzept von DeepDrive treibt der Stator sowohl einen innen- als auch einen außenliegenden Rotor gleichzeitig an. Die kompakte Bauweise und das niedrige Gewicht erlauben sogenannte In-Wheel-Drive-Train-Antriebe, bei denen direkt in jeder Radnabe ein eigener Elektromotor sitzt. Die Technologie kann aber auch im klassischen Zentralantrieb genutzt werden, bei dem ein zentraler Motorenblock das Fahrzeug antreibt.
„Die Musterteile von DeepDrive haben die angekündigten Eigenschaften meistens übertroffen“, sagt Karol Virsik, Head of Research Vehicle Concepts and Technologies bei der BMW Group. „Das ist in so einer frühen Phase mit einer komplett neuen Technologie schon ungewöhnlich.“
Auf dem Prüfstand gelang der Proof of Concept, also der Nachweis, dass das Konzept grundsätzlich realisierbar ist. „Nach den Top-Resultaten unter Laborbedingungen folgt jetzt der Praxischeck auf der Straße“, so BMW. „Die Radantriebe versprechen geringeren Energieverbrauch, Platzbedarf, Gewicht und Kosten.“ Damit sei das Konzept grundsätzlich für den Einsatz in sehr unterschiedlichen Modellen attraktiv und potenziell sehr gut skalierbar. „DeepDrive hat eine spannende Vision für den Elektroantrieb der Zukunft entwickelt“, so Virsik. „In der Startup Garage können wir mit ihnen zusammen experimentieren, wie die Antriebe der übernächsten Generation aussehen könnten.“
DeepDrive arbeitet inzwischen auch mit anderen Herstellern und großen Zulieferern wie Continental zusammen. „Die Zusammenarbeit mit BMW war für uns ein ganz frühes Sprungbrett“, sagt Felix Pörnbacher, Mitgründer und Co-CEO von DeepDrive. „Das hat uns geholfen, uns in der komplexen Konzernwelt zurechtzufinden und die hohen Standards der Automobilindustrie zu erfüllen und zu übertreffen. Jetzt ist es unser nächstes Ziel, dass wir es in ein Serienmodell schaffen.“
Halber Akku meint
Es wäre sicher noch viel zu früh, um zu wissen, dass sich diese Technik durchsetzen wird. Aber das ist mit jeder Entwicklung in diesem Stadium so. Sollte es BMW gelingen, hier einen markanten Fortschritt auf den Markt zu bringen, hätten wir endlich wieder einen Hersteller in Deutschland, der vorangeht und aktuellen Entwicklungen nicht hinterherläuft. Zu BMW würde das gut passen. Vor Jahrzehnten mal legendär bei den M20 Vier- und M30 Sechszylindern, hätte BMW als Marke die um einen Motor ein Auto baut, nun die Chance bei Elektroantrieben den 70er Jahre Slogan „Freude am Fahren“ ins 21. Jahrhundert zu transportieren und auch Chancen auf höheren Absatz weltweit. Der der Marke leider auch anhaftenden Prollkundschaft mit ihren meist sinnlos herumfahrenden auf hässlich getunten Knallauspuffkisten müsste man dann eben in einer Therapie noch beibringen, dass das beste Stück dann nicht mehr „Brumm, Brumm“ sondern nur noch „Summ Summ“ macht…
Jörg2 meint
Ich habe mal gelernt, man(n) will keine ungefederten Massen im Fahrzeug. Das mutwillige Reinkonstruieren von Masse in die Räder steht dem entgegen.
Mein (sehr persönliche) Meinung:
Schön, dass in alle Richtungen entwickelt wird. Auch gegen die Lehrmeinung.
Als Radnabenantrieb wohl aktuell eher Nische.
M. meint
Ja, das mit den ungefederten Massen stimmt grundsätzlich.
Die Frage ist, wie viel man hier hinzufügt. Ich habe das noch nicht vertieft, aber die gewöhnliche Radbremse muss ja auch Platzgründen scheinbar weichen.
Und – ist zwar eine andere Baustelle, aber: immer größere Räder, 20 Zoll, 22 Zoll…255 breit statt 225, die wiegen auch mehr als 17 oder 18er. Die werden auch akzeptiert.
Also mal abwarten, wie sich das hinterher darstellt – wenn (falls) es kommt.
Jörg2 meint
Jo!
Sie werden wissen, was sie tun.
Und wenn „nur“ rauskommt: passt nur für den einen oder anderen Sonderfall, ist ja auch Wissen entstanden.
M. meint
Wird am Ende eh wieder ein Kostenthema werden. 4 Motoren sind teurer als 1 mit etwas Getriebe und zwei Gelenkwellen. Ok, wenn man die Bremsen spart…wenn. Dafür braucht man eigentlich ein redundantes HV-Bordnetz. Und Puffer in der Batterie. Das kostet alles Geld und Platz. Die Bremse muss immer funktionieren.
Das wird sicher nicht das Brot-und Butter-Modell werden. Also nicht der nächste 3er, eher ein Sportwagen.
Mäx meint
Es gab doch zuletzt einen ominösen BMW Elektro Sportwagen als Erlkönig.
Man meinte an dem radnahe Motoren entdeckt zu haben.
Könnte ja gut sein, dass das so ein Modell ist.
Den Motor gibts in 3 Baugrößen mit max. 250kW.
4x 250kW passen ganz gut zu den bis zu 1.000kW die BMW auch mal in den Raum geworfen hat.
M. meint
Ich denke mal, dass sich das Konzept für einen Sportwagen – einen neuen i8 – besser eignet als für einen 3er, für den ist das zu teuer und nicht nötig.
Bei einem i8 könnte man aber im freiwerdenden Platz die Batterien unterbringen, und das Auto damit 15 cm „tieferlegen“.
Und da wären auch (bis zu) 1000 kW irgendwie besser aufgehoben…
David meint
Das sind Allgemeinplätze von vor dem Krieg. Radfahrzeuge gibt es nicht ohne ungefederte Massen. Wären geringe ungefederte Massen so kriegsentscheidend, würde man viel leichtere Bremsanlagen und viel leichtere Felgen und schmalere Reifen fahren. Tut man aber nicht, Felgen und Reifen werden immer größer, Bremsanlagen auch.
Im Prinzip beeinträchtigen hohe ungefederte Massen die Agilität und den Komfort. Agilität kann man heute durch die Fahrwerkseinstellung plus Setup der Servolenkung wieder unbegrenzt hinzufügen. Der Komfort wird durch das Verhältnis zwischen ungefederter und gefederter Masse bestimmt und schwere Elektroautos haben eine sehr große gefederte Masse, das sind also per se günstige Voraussetzungen.
Zudem waren Federung und Dämpfung früher nur passiv und träge, die Federung allenfalls progressiv, heute sind diese Komponenten proaktiv bis aktiv, extrem schnell und adaptiv. Das ist also heute kein unlösbares Thema mehr. Das haben die bei BMW ganz ganz sicher sicher im Griff. Fahrwerk können die. Und Tesla baut keine Radnabenmotoren…
Rocco Fiebig meint
Dafür fallen vermutlich die sauschweren Bremsen weg.
M. meint
Wird anders kaum gehen.
Aber das zieht ja einen Rattenschwanz nach sich, wenn man die Bremsleistung zu 100% mit Rekuperation ersetzen will, und das mit 100% Verfügbarkeit.
ASIL D. Zwei redundante Systeme im HV-Bordnetz. Not bad.
Envision meint
„beträgt die Masse des stärksten Radnabenmotors 35 Kilo. Gewicht wird auch dadurch gespart, dass man die Bremsen an der Hinterachse deutlich verkleinern oder sogar weglassen kann“
Der große mit 200kw bei 35 Kg laut Datenblatt, wenn man den kleineren nimmt, Bremse kleiner/etwas kleinere/leichtere Felge vielleicht 20-25KG Mehrgewicht pro Rad – könnte durchaus funktionieren.
Ein Getriebe zur Untersetzung braucht der Antrieb wohl im Gegensatz die den „normalen“ (Radnaben) oder sonstigen Elektromotoren nicht und ein normaler Antriebsmotor liegt mit 1Gang Getriebe ja eher bei 90Kg+ pro Aggregat.
BEV meint
ohne mich genau mit dieser E-Maschine beschäftigt zu haben, aber wo du das Getriebe nennst, der Radnabenmotor muss auch eine entsprechende Übersetzung haben, denn wenn die E-Maschine hier mit einer deutlich niedrigeren Drehzahl arbeitet als das bei „herkömmlichen“ Konzepten der Fall ist, dann wäre das ein deutlicher Nachteil,
dazu noch die Frage mit dem Gewicht und wie man die bremse unterbringt und ob man das auch anständig Kühlen kann.
die Kühlung ist auch sehr wichtig, wenn Kühlschläuche über bewegliche Teile zum Motor geleitet werden müssen, das stelle ich mir sehr fehleranfällig vor.
Lassen wir uns mal überraschen, ich für meinen Teil bevorzuge ein System das so einfach wie möglich ist, möglichst wenig Teile, möglichst wenig Komplexität, das das mit einem batterieelektrischen Antrieb möglich ist, wissen wir bereits.
B.Care meint
Getriebe gibt es keins, die Drehzahl beträgt max. 1900 U/min, das reicht für lockere 200 km/h
Die Steigerung der Reichweite wird tatsächlich mit 20% angegeben, am Beispiel vo 500 km nach WLTP, dann 600 km
Ob was draus wird, keine Ahnung. Auf jeden Fall ein spannendes Konzept.
Zwei unabhängige Institute in Turin und Schweden haben die überragende Effizienz der Motoren bestätigt.
Draggy meint
Du brauchst Recht wenig Umdrehungen für Fahrzeug Geschwindigkeiten ein 18 Zoll Rad hat einen Umfang von 1,4m also brauchst du für 1km in der Stunde Grade mal etwa 12 U/min, 1200 für 100km/h und so weiter.
Sprich selbst langsam drehende Motoren mit 3000 U/min sind bereits für PKW ohne Abstriche nutzbar, für einen M3 geht man je nach Wunsch vielleicht noch bis 4000 rauf aber schon das wäre heftig.
Andi EE meint
Im Batteriepodcast haben sich 2 Experten zeitversetzt gestritten. So was von gar nicht gleicher Meinung, schon fast wie hier in der Kommentarspalte. 😄
David meint
Sehr spannend! BMW nimmt seinen Namen ernst, sie sind die Bayerischen Motoren Werke. Die Motoren der aktuellen Generation sind schon beeindruckend sparsam, es sind fremderregte Synchronmotoren mit Reluktanzanteil. Diese Motoren wird man weiterentwickeln, man sieht noch großes Potenzial in der Steuerung. Zusätzlich geht man an den Radnabenantrieb. Ich bin gespannt, was da noch zu erwarten ist. Der technische Fortschritt bei den Elektroautos ist definitiv nicht nur aus China zu erwarten. Die deutschen Konzerne sind alle dabei.
Jeff Healey meint
„Die kompakte Bauweise und das niedrige Gewicht erlauben sogenannte In-Wheel-Drive-Train-Antriebe, bei denen direkt in jeder Radnabe ein eigener Elektromotor sitzt.“
Und weiter:
„Die Radantriebe versprechen geringeren Energieverbrauch, Platzbedarf, Gewicht und Kosten.“
Was lange währt wird endlich gut, möchte ich sagen. Diese Entwicklung ist äußerst vielversprechend.
Der Verbrennungsmotor wurde über 100 Jahre entwickelt. Der E-Antrieb steht erst am Anfang seines Siegeszuges, und eröffnet in naher Zukunft ungeahnte Möglichkeiten der Fahrzeuggestaltung.
BEV meint
naja sog ganz stimmt das nicht, die E-Maschine (Motor) gab es bereits vor dem Verbrennungsmotor … aber ja, die Entwicklung für den Anwendungsfall Auto nahm erst so richtig Fahrt auf, nachdem das Problem der Energiespeicherung besser gelöst wurde
Solariseur meint
Prinzipiell ist die Idee vom Radnabenantrieb nicht verkehrt – bei ebikes und Scootern. Hier ist es gelungen, die Technik recht robust zu gestalten.
Beim PKW ist aber noch immer zu sehen dass es nicht gelingt, einfachste elektrische Bauteile in Radnähe auch nur halbwegs stabil zu konstruieren. Gestern, am 17. Juli, wurden 270 ABS-Sensoren bei ebay verkauft. Ein wirklich super einfaches Bauteil, das seit 30 Jahren produziert wird, fällt noch immer Reihenweise aus.
Bei dem Gedanken an den hohen technischen Aufwand PKW-Radnabensensor mit Doppelrotor feiern bestimmt schon jetzt die Werkstätten ab. Wo ist das Problem an der bewährten kompakten DU der aktuell verkauften BEVs?
Und ja, dass mir nicht klar ist, wie man bei diesem Konstrukt die Geräuschdämmung gestalten will und Kühlung unterbringt, alle flexible Kabel und Schläuche haltbar macht, ist kein Maßstab, gibt mir aber zu denken.
Mäx meint
Naja aber dafür ist doch Entwicklung da.
Der Prüfstand hat wohl ergeben, dass ein Potential da ist.
Somit erfolgt der nächste Schritt, die Erprobung auf der Straße.
Und da muss man dann schauen, was rauskommt.
Die Einwände sind ja erstmal legitim, aber vielleicht hat DeepDrive ja auch Integrationslösungen parat.
B.Care meint
BMW ist ja schon mit einem Prototyp auf der Straße unterwegs. Deep Drive spricht von einer Reichweitenerhöhung um 20%, und einer Gewichtseinsparung um bis zu 150 kg mit ihren Motoren.
brainDotExe meint
Was sich auf dem Papier ja schonmal exzellent anhört.
150 kg sind eine Hausnummer!
BEV meint
Im Vergleich zu was? Zwei Radnabenmotoren gegenüber einem Motor mit Antriebswellen ?
M. meint
Pro jeweils angetriebener Achse, nehme ich an.
Alternativ bei vergleichbarer Leistung, aber wäre keine gute Basis.
brainDotExe meint
Glaubst du der Verbrennungsmotor ist heute so dominant, weil vor 80 Jahren mal einer gesagt hat: Passt doch, reicht aus. Warum sollen wir so dumme Sachen wie Turbolader nutzen.
Fortschritt und Entwicklung bedeutet auch das Streben innovativ zu sein, leistungsstätrker zu werden, neue Möglichkeiten auszuloten, die Grenzen des Machbaren zu verschieben.
Wenn man Rudolf Diesel zu Lebzeiten gesagt hätte, sein Motorenkonzept gewinnt mal ein 24h Rennen, hätte er wahrscheinlich gelacht.
Ca. 80 Jahre später mit einigen Weiterentwicklungen ist es passiert.
Yoshi meint
Die Idee ist spannend, aber würden sich Motoren in den Radnaben durch die höhere ungefederte Masse nicht negativ auf den Fahrkomfort auswirken? Oder kann man das ggfs ausgleichen?
Solariseur meint
Ich sehe es kritisch. Hab erst neulich mal bei Vollstrom einen heftigen Schlag ins Fahrwerk produziert, weil da ein tiefer, gefräster scharfer Absatz war. Stelle mir vor, das müsste ein Radnabenmotor ab können, auch mit den tangentialen Beschleunigungen auf die Rotoren in so einem Moment. Irgendwie wird das doch alles verkompliziert durch solch ein System. Na, mal sehen, was draus wird. Die 20% kann ich mir beim aktuellen Wirkungsgrad von E-Motoren aber nicht erklären, liegt man ja schon jetzt über 80%.
Envision meint
Naja, 20% effizienter als die aktuelle Effizienz, nicht gesamt – ein Punkt ist schon mal der Verzicht auf ein Getriebe, was beim normalen Elektromotor die hohe E-Motordrehzahl (z.B. 15000 u/min) auf viel niedrigere Achsdrehzahl anpasst, der dortige Verlust zahlt natürlich sowohl beim Beschleunigen wie auch beim Rekuperieren ein.
brainDotExe meint
In der Komplexität liegt doch der Reitz, gerade für den Ingenieur.
Schaue dir mal aktuelle Hochleistungsmotoren (Verbrenner) an.
Um es auf die Spitze zu treiben AMG One.
BEV meint
Komplexität der Reiz? Sehe ich nicht so, im Gegenteil ein gut entwickeltes System holt aus geringer Komplexität viel raus, Kosten niedrig und maximaler Ertrag, weniger Teile bedeuten auch weniger Ausfälle
Und zum Getriebe, man macht das ja nicht ohne Grund, dass der Motor höher dreht, die niedrigen Drehzahlen des Radnabenmotors sind kein Vorteil
brainDotExe meint
Bist du Ingenieur?
Ich kann nur sagen dass mich als Ingenieur Komplexität fasziniert.
Einfache Systeme kann fast jeder, wenn es an die Komplexität geht ist Können gefragt.
Fred Feuerstein meint
„Ich kann nur sagen dass mich als Ingenieur Komplexität fasziniert.“ Ja, deshalb sind Ingenieure selten kaufmännisch erfolgreich…
BEV meint
genau das selbe denke ich mir auch, ich sag nicht, dass man daran nicht arbeiten sollte, aber ich würde auf die Meldung nicht all zu viel geben, selbst wenn es so schnell in Serie gehen sollte, würde ich erst noch abwarten