Prof. Dr. Thomas Weber ist seit zwölf Jahren Forschungschef bei Daimler. Dem Unternehmen, das nun auch den größten technologischen Umbruch eingeleitet hat, den das Automobil in seiner 130-jährigen Geschichte gerade erlebt. Wie bislang nur eine Handvoll weiterer Hersteller will auch Daimler alle Baureihen elektrifizieren. In einem Interview für den Daimler-Unternehmensblog zieht Weber eine Zwischenbilanz zum Thema Antriebstechnologie und gibt einen Ausblick.
Herr Prof. Dr. Weber, Benziner, Diesel, Plug-in-Hybride, Batterie oder Wasserstoff – ist diese verwirrende Vielfalt wirklich notwendig? Oder ein Zeichen der Ratlosigkeit?
Sie ist eine Notwendigkeit. Und genau deshalb setzt Daimler für die Mobilität der Zukunft bewusst nicht auf eine solitäre Antriebsform, sondern auf eine Koexistenz unterschiedlicher Technologien. Diese sind auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse und Fahrzeugtypen zugeschnitten. Die Kunden wünschen sich keinen Verzicht im Sinne von „weniger Auto“. Deshalb setzen wir auf Effizienzsteigerung durch mehr intelligente Technologie – und das durchgängig in allen Baureihen.
Lassen Sie uns die Alternativen einzeln betrachten. Hat der Diesel tatsächlich noch eine Zukunft?
Davon sind wir überzeugt! Für Vielfahrer speziell in Europa ist er die ökonomischste und effizienteste Alternative. Unsere neuen Diesel sind sparsamer und stärker, leichter und kompakter als je zuvor – und sie sind darauf ausgelegt, alle künftigen Abgasvorschriften weltweit zu erfüllen. Dieselmotoren in Lkw und Pkw sind unverzichtbar, wenn der verkehrsbedingte CO2‑Ausstoß weiter sinken soll.
Und der Ottomotor?
Auch er hat in den letzten zehn Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung hinter sich, ich nenne hier nur innere Reibung, variable Steuerzeiten, Direkteinspritzung und Turboaufladung. Und er wird weitere Schritte machen – mit der serienmäßigen Einführung des Otto-Partikelfilters und insbesondere durch die Einführung der 48-Volt-Systeme. Der Verbrennungsmotor und die Elektrifizierung konkurrieren nicht miteinander. Für viele Anwendungsfälle sind sie perfekte Partner. So wird beispielsweise die prinzipielle Schwäche des Ottomotors bei der Effizienz im Teillastbereich mit der Hybridisierung gelöst und die Tür zu einem weiteren Downsizing weit aufgestoßen.
Sind Plug-in-Hybride mehr als eine Brückentechnologie?
Auf jeden Fall ist das eine Brücke, die noch weit in die Zukunft reicht. Plug-in-Hybrid bedeutet ohne Einschränkung bei der Reichweite einen deutlichen Effizienzgewinn und die Möglichkeit, lokal emissionsfrei zu fahren. Die dabei möglichen Strecken werden bei der schnellen Entwicklung der Batterietechnologie bald noch deutlich länger. Vor allem aber ist die Plug-in-Technologie der entscheidende, auch mentale Einstieg in die Elektromobilität. Und zukünftig notwendige Verhaltensmuster wie z.B. regelmäßiges Laden können fast spielerisch gelernt werden.
Damit kommen wir zu den batteriegetriebenen Elektrofahrzeugen. Sie haben eine zu geringe Reichweite, das Laden dauert zu lange und sie sind zu teuer – so die täglich zu hörende Kritik. Was entgegnen Sie?
Man kann einem Sportwagen vorwerfen, dass er nicht Platz für neun Personen bietet; einem Wohnmobil, dass es in keine städtische Tiefgarage passt; und einem smart electric drive, dass er nicht für die Fahrt von Hamburg nach Rom geeignet ist. Aber das führt in die Irre. Wer regelmäßig weite Strecken über Land oder auf der Autobahn fährt, ist mit einem Elektroauto sicher noch nicht richtig bedient. Aber wer macht das schon? Das Nutzungsprofil sehr vieler Automobile sieht in der Realität nämlich ganz anders aus.
Wie sieht das Nutzungsprofil aus Ihrer Sicht aus?
Wir bringen z. B. morgens die Kinder zur Schule und fahren dann weiter zum Arbeitsplatz. Dort steht das Auto stundenlang und die Batterie kann leicht wieder aufgeladen werden – wenn der Arbeitgeber eine Möglichkeit dazu bietet. Die Strecke am Abend ist auch nicht länger, selbst wenn ich noch einen Abstecher zum Einkaufen oder zum Sport mache. Jeder Autofahrer kann sich ja selbst fragen: An wie viel Tagen im Jahr mache ich Fahrten, die mehr als 50 oder 100 Kilometer am Stück weit gehen?
Dennoch möchten die Menschen mit ihrem Auto auch in den Urlaub oder an Ostern zur Oma fahren.
Selbstverständlich. Dies ist ein Teil der Freiheit, die wir dem Auto verdanken und die wir behalten möchten. Aber auch hier ein Blick auf die Realität: Viele Haushalte haben zwei oder mehr Fahrzeuge, und der Zweitwagen wird für diese Reisen ohnehin nicht genutzt – er könnte also auch elektrisch angetrieben sein. Außerdem sehe ich hier eine große Chance für Carsharing- oder Mietangebote: Für die große Reise oder die außergewöhnliche Fahrt werde ich zum Besitzer auf Zeit für ein geeignetes Fahrzeug. Das machen wir doch heute schon, wenn wir einen Sprinter für den Umzug der Kinder mieten oder ein Cabrio für eine Schottland-Tour, zu der wir mit dem Flugzeug anreisen. Oder ein Wohnmobil für einen USA-Urlaub.
Dann bleibt dennoch die Frage des hohen Anschaffungspreises…
…und die ist zumindest teilweise berechtigt. Neue Technologien sind zwar gerade in der Anfangszeit immer etwas teurer in der Anschaffung. Beim Kauf eines Elektroautos stehen aber auch einige Posten auf der positiven Seite der Bilanz: Geringe Betriebskosten, geringe Geräuschentwicklung, jede Menge Fahrspaß und natürlich die Entlastung der Umwelt. Natürlich sehen wir, dass die E-Mobilität noch nicht so in Schwung kommt, wie wir uns das wünschen würden. Deswegen begrüßen wir unter anderem auch die Initiative der Deutschen Bundesregierung – und die vieler anderer Länder -, hier mit einer Prämie einen zusätzlichen Anreiz zum Einstieg in den Technologiewandel zu setzen…
…weil Sie dadurch endlich schwarze Zahlen mit dem Verkauf von Elektroautos erzielen?
Davon kann keine Rede sein. In der Diskussion um die Kaufprämie kommt mir vor allem ein Punkt zu kurz: Wir begrüßen die staatliche Unterstützung nicht deshalb, weil wir uns dadurch in irgendeiner Form bereichern. Niemand verdient heute mit Elektroautos Geld – schon gar nicht der Hersteller, der uns immer als leuchtendes Vorbild genannt wird. Es geht dabei vor allem um das öffentliche, gemeinsame Bekenntnis von Industrie und Politik zur Elektromobilität. Dieser Schritt wird dazu beitragen, der E-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen.
Bis 2020 müssen Autobauer eine Flottenemission von 95 Gramm CO2 pro Kilometer erreichen. Wie viele Elektroautos müssen Sie verkaufen, damit Daimler das Ziel erreicht?
Dieses Ziel haben wir fest im Auge. Wir haben einen riesigen Schritt gemacht in der Entwicklung. Von 2014 auf 2015 haben wir den Flottendurchschnitt um sechs Gramm auf 123g/km reduziert. Unser Ziel für die MBC-Flotte in Europa liegt bei etwa 100 Gramm. Um dieses Ziel zu erreichen, werden wir den Elektrifizierungsanteil unserer Fahrzeuge stetig weiter erhöhen. Bis 2020 wird Elektromobilität bei Daimler sechsstellig.
Und Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor und solche mit Batterieantrieb werden weiter auf der gleichen Plattform aufbauen?
Nicht ausschließlich. Wir sind jetzt so weit, dass wir zusätzlich zu hybridisierten Fahrzeugmodellen und solchen mit Brennstoffzellenantrieb auch eine eigene Fahrzeugarchitektur für rein batterieelektrische Fahrzeuge entwickeln. Auch daran können Sie unser Bekenntnis zur Elektromobilität erkennen. Wir investieren massiv in die Elektromobilität. Wir sind davon überzeugt, dass der Markt jetzt so weit ist. Durch diesen Schritt gewinnen Elektrofahrzeuge noch einmal einen erheblichen Reiz und Nutzwert hinzu.
Welche Rolle bleibt dann noch der Brennstoffzelle?
Die Marktreife des Brennstoffzellenantriebs steht heute außer Frage. Klar ist: Die Batterietechnologie verspricht zunehmend auch größere Reichweiten bei immer niedrigeren Kosten. Die Brennstoffzelle wird aber auch in Zukunft mindestens einen klaren Vorteil haben: Hohe Reichweiten bei gleichzeitig kurzen Betankungszeiten von nur drei Minuten. Die Wasserstofftechnologie eignet sich zudem gerade auch für den Busbereich, hier gibt es speziell von Städten große Nachfragen. Die Vision einer auf Wasserstoff als Energieträger basierenden, völlig emissionsfreien Mobilität ist intakt. Deren größtes Handicap ist heute noch, dass eine ganz eigene Tankstelleninfrastruktur aufgebaut werden muss. Die konkreten Infrastruktur-Aufbaupläne in vielen Ländern und nicht zuletzt in Deutschland durch die H2 Mobility Joint Venture stimmen uns jedoch durchaus zuversichtlich.
R.Kiok meint
Ist dieses Interview der Prolog zur „Götterdämmerung vom Elfenbeinturm mit tönernen Füssen“. Die Scheichs haben ja viele Aktien vom“Daimler“. Und der hatte ja auch mit dem unbekannten Verlustreichen Amerikaner zusammengearbeitet. Da hat man den Schlaf noch nicht ganz aus und muss das Abkupfern als Eigenleistung präsentieren.
Fara Day meint
Wie aggressiv und realitätsfern, nur auf die eigene Meinung (oder einer nahezu trivialen Gruppe) beharrend, hier teilweise geschrieben wird, ist erschreckend. Wenn man sich (z.B. über Elektromobilität) informiert und auf dieser Seite landen sollte, verliert die Elektromobilität potenzielle Kunden (in einigen Jahren. In den nächsten Jahren – und dafür wird es nachfolgend mit Sicherheit einige aggressive Kommentare geben – hat die Elektromobilität keine Interessenten). Wenn man die Leser/Schreiber von Kommentaren dieser Seite mit der Elektromobilität verbindet, muss man Angst bekommen.
Landmark meint
Was stört Sie denn so?
Das wir für saubere Luft sind, daß wir uns echte Sorgen um Deutschland machen, daß E Mobilität überlegen ist?
Und Angst müssen Sie keine haben, alles wird gut. Allein das Sie hier lesen und schreiben, zeigt ein gutes Interesse.
Die Erde braucht uns nicht, aber wir die Erde.
Fara Day meint
Vielen Dank, dass Sie das „realitätsfern“ erneut bestätigen konnten. Wenn ich Braunkohle tanke, hat das nichts mit Umweltschutz o.ä. zu tun. 90 km Realreichweite beim e-Golf haben auch nichts mit „Überlegenheit“ zu tun. Diverse Studien belegen das.
Ich bin der Meinung, dass sich die E-Mobilität zweifelsohne Durchsetzen wird (wenn sie denn mal konkurrenzfähig ist). Aber diese unsachliche Diskussion mit solch einer – tut mir leid, dass ich es so sage – unfassbaren Arroganz ohne jegliche Berechtigung, unterstützt nur meine Erste Aussage.
Thrawn meint
Nun, lieber Fara Day, bisher haben gerade Sie nichts Sachliches zu Diskussion beigetragen, sondern lediglich die Meinung der anderen heruntergemacht. Motzen kann jeder. Wie wäre denn Ihr Statement dazu?
Den Vorwurf, auf eine eigene Meinung zu beharren, fasse ich mal als Kompliment auf. Das setzt ja voraus, dass man sich eine eigene Meinung gebildet hat. Es soll ja Leute geben, die dazu gar nicht in der Lage sind.
Vielen Dank dafür!
Und über den Artikel da oben kann man sich aufregen, wenn einem etwas am Wohlstand unseres Landes liegt.
E-Mobilität hin oder her, wenn der Chefentwickler eines der größten Autobauers Deutschlands, also quasi der erste Visionär, mehr oder weniger möchte, dass alles so bleibt wie es ist, dann sehe ich für die Zukunft dieser Firma schwarz. Es gibt Andere mit weitreichenderen Visionen!
Fara Day meint
Hallo Thrawn,
erst einmal vielen Dank, dass auch Sie meinen ersten Beitrag bestätigen (das mit den „aggressiven Kommentaren, die ich für meinen Post erhalten werde“, war genau auf so etwas bezogen).
Mein Statement dazu, dass jeder Motzen kann? Das sehe ich genauso – Sie zeigen es. Wenn man meine zwei Posts – nach denen Sie mir vorhalten, ich würde andere „runtermachen“ – einmal sachlich in den Vergleich zu den Antworten stellt, muss man leider feststellen, dass ich der einzige bin, der seine Meinung mit einem Verweis auf eine Studie belegt hat. Das die Kommentatoren dies nicht konnten, zeigt nur wieder, dass mein erster Post vollkommen richtig war.
Ich gratuliere Ihnen dafür, dass Sie dies als Kompliment auffassen können. Betrachtet man diesen Punkt Ihrer Aussage ebenfalls sachlich, würde man jedoch zu dem Schluss kommen, dass man diesen Fakt (also auf seiner eigenen (faktenlosen) Meinung zu beharren ohne andere Meinung zu tolerieren oder seine eigene zu hinterfragen, als engstirnig bezeichnen müsste. Wenn man das dann noch in Verbindung damit sieht, dass in dem selben Kommentar das Wort „Visionär“ steht, was eigentlich Toleranz und das Hinterfragen von Meinungen beinhaltet, wird das ganze noch mehr ad Absurdum geführt.
Was den Wohlstand unseres Landes angeht… Ich bin froh, dass Herr Weber der Entwicklungschef von Daimler ist und nicht Sie. Der Artikel sagt in keinster Weise, dass alles so bleiben soll, wie es ist – im Gegenteil. Die Veränderung soll nur in einem normalen Maß vorangehen. An dieser Stelle sehe ich wieder meinen ersten Beitrag bestätigt. Aber Sie haben möglicherweise auch Recht… Vielleicht würde es uns in Deutschland wirklich besser gehen, wenn Daimler so wäre wie Firmen mit weitreichenderen Visionen… Noch nie schwarze Zahlen geschrieben zu haben und 4,5 Milliarden Dollar Schulden alleine beim Staat zu haben würde unserer Wirtschaft gut tun, nicht die 14% Umsatzsteigerung des letzten Jahres, die Daimler eingespielt hat. Vor allem, wenn man diese Summe mit Großbauprojekten vergleichen kann, die dann als gescheitert abgestempelt werden (siehe „Tesla beginnt erneut das Zittern“, Manager-magazin, 06.05.2016).
Efe meint
Sogar mit 100% Braunkohlestrom produziert bei einem Wirkungsgrad von 45% ist das Elektroauto noch effizienter als ein Verbrenner (Wirkungsgrad von 20 bis 25%)
Thrawn meint
Solche Worte vom Forschungschef, naja, dann ist ja klar, das das nix mehr wird, in diesem Leben. Herzliches Beileid, liebe Daimler Mitarbeiter.
Allein der Abschnitt über den Diesel reicht mir schon. Weiter habe ich gar nicht mehr gelesen:
„Für Vielfahrer … ist er die ökonomischste und effizienteste Alternative. …“
Ökonomisch: nur wegen der Dieselsubvention, Effizient: Jeder Elektroantrieb lässt den besten Diesel im (Fein)Staub zurück. Ökologisch: interessiert nicht. Sollen die Menschen doch verrecken, an denen der „Vielfahrer“ vorbeifährt.
„Unsere neuen Diesel … sind darauf ausgelegt, alle künftigen Abgasvorschriften weltweit zu erfüllen.“
Nur mit Betrug, wie bisher auch! Wie soll ein Diesel SUV ab 2020 weniger als 95g CO“ ausstossen? Arbeit = Kraft x Weg. Daimler baut gerne dicke Autos. Man wird niemals einen 2,5t SUV mit 3 Litern Verbrauch bewegen können. Die physikalischen Gesetze gelten auch für Daimler!
„Dieselmotoren in Lkw und Pkw sind unverzichtbar, wenn der verkehrsbedingte CO2‑Ausstoß weiter sinken soll.“
Für LKW mag das noch eine Weile gelten, für PKW ist der Diesel sowas von verzichtbar, aber sowas von. Wieviele Muttis fahren auf Kurzstrecken mit Kleinwägen mit Dieselantrieb? Selbst ein Benziner ist da besser. Verzichtbar!
orinoco meint
Der Artikel über Daimler von gestern(?) war schon eine Katastrophenmeldung für Daimler. Jetzt kommt noch das Katastropheninterview dazu. Nein, nicht die Fragen des Interviewer, nein, das was der Interviewte sagt, ist eine einzige Katastrophe. Daimler möchte wohl mit fliegenden Fahnen und Durchhalteparolen untergehen. Das ist fast schon eine schlechte, deutsche Tradition … dutzende von „Wunderwaffen“ für den „Endsieg“ während Tesla schon den „D-Day“ vorbereitet …
Landmark meint
So kann man das sehen! Guter Vergleich :-)