Im Bundesrat werden bundesweite Gesetzesvorlagen diskutiert und durchgewunken, bevor sie in Kraft treten. Doch mit dem aktuellen Vorschlag aus dem Bundesverkehrsministerium zum Elektromobilitätsgesetz war das Gremium nicht einverstanden und machte in einer Stellungnahme deutlich (hier das ganze Dokument als pdf), dass das Ziel von einer Million Elektrofahrzeugen auf Deutschlands Straßen im Jahr 2020 mit dem aktuellen Entwurf nicht erreicht werden könne.
Die allgemeine Kritik lautet, dass die Gesetzesvorlage nicht dazu beiträgt, in der Breite eine verstärkte Nachfrage nach Elektrofahrzeugen zu erzeugen. Der Erfolg von Elektroautos hänge „auch von monetären Anreizen als begleitenden Förderelementen“ ab. Eine neue Chance für Kaufpreisprämien?
Für die erste Phase der Markteinführung, so der Bundesrat, seien vor allem „gewerbliche Fahrzeugflotten von Elektrofahrzeugen von strategischer Bedeutung“. Er bittet die Bundesregierung daher, einen Fokus auf dieses Segment zu legen und kurzfristig Anreize für diese Zielgruppe zu erarbeiten.
Zudem stört sich der Bundesrat an der vorgesehenen Kennzeichnung von Elektrofahrzeugen mit einem zusätzlichen “E” auf den Nummernschildern. Das sei unnötig, aufwendig und viel zu teuer. Eine einfache Markierung mit einer farbigen Plakette hinter der Windschutzscheibe sei ausreichend, deutlich unkomplizierter und günstiger.
Das Elektromobilitätsgesetz von Verkehrsminister Alexander Dobrindt muss nun überarbeitet werden. Die Bundesregierung wird sich in den nächsten Wochen mit den Anregungen des Bundesrates auseinandersetzen.
Die wichtigsten Passagen im Wortlaut
Zum Gesetzentwurf allgemein
1. Der Bundesrat verweist auf die wachsende Bedeutung alternativer Antriebskonzepte und deren Auswirkungen auf die Wertschöpfung im Automobilbau und begrüßt vor diesem Hintergrund die Förderung elektrisch betriebener Fahrzeuge.
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4. Die Markteinführung von Elektrofahrzeugen ist eine Maßnahme, die komplementär und nicht alternativ zu anderen Maßnahmen verfolgt werden muss, wie z. B. zum Ausbau des ÖPNV und des Radverkehrs sowie zur weiteren CO2- und Schadstoffreduktion von konventionellen Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor. Antriebskonzepte lösen keine verkehrlichen Probleme wie Stau oder Parkraumüberlastung. Nur durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen, durch konsequente Förderung effizienterer Antriebstechnologien und durch die intelligente Verknüpfung aller Verkehrsträger (Intermodalität) kann die Nachhaltigkeit des Verkehrssektors signifikant und kostengünstig gestärkt werden.
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7. Busse sind ein Rückgrat des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Während ein PKW im Schnitt weniger als eine Stunde täglich im Betrieb ist, so sind es bei Stadtbussen eher rund 16 Stunden. Es besteht mit einer Elektrifizierung von Stadtbussen die Möglichkeit, sehr effizient die Elektromobilität voranzubringen. Ein Diesel-Gelenkbus verbraucht im Jahr etwa 40.000 Liter Diesel – was einem CO2-Ausstoß von über 100 Tonnen entspricht. Gemessen an den Schadstoffemissionen erbringt ein Elektrobus eine Entlastung, wie sonst erst durch 60 bis 100 Elektro-PKW erreicht werden würden. Derzeit sind weit über 90 Prozent der Stadtbusse in Deutschland mit Dieselantrieben ausgestattet. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf, die Elektrifizierung des ÖPNV deutlich verstärkt zu fördern, um hiermit über das Antriebskonzept hinaus ein Zeichen für nachhaltige Mobilität zu setzen.
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9. Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung den vorliegenden Gesetzentwurf nicht genutzt hat, um auch eine Kennzeichnung von Carsharing-Fahrzeugen als Voraussetzung für deren Privilegierung im Verkehrsraum zu realisieren. Carsharing hat ein großes Potenzial, private PKW zu ersetzen und damit den Straßenraum zu entlasten. Carsharing-Fahrzeuge sind auf Grund ihrer hohen Nutzerfrequenz besonders umweltfreundlich, vor allem in diesem Bereich sind Elektrofahrzeuge sinnvoll einsetzbar. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, schnellstmöglich eine entsprechende Regelung für Carsharing-Fahrzeuge – unabhängig von ihrem Antrieb – vorzulegen.
10. Der Bundesrat stellt fest, dass bei der Entwicklung von elektrisch betriebenen Fahrzeugen und elektrischen Energiespeichern fortwährend technische Fortschritte erzielt werden. Von außen aufladbare Hybridelektrofahrzeuge, so genannte Plug-In-Hybride, sind hierbei wichtige Entwicklungstreiber und Technologieträger und werden im vorliegenden Gesetzentwurf ab einer Reichweite unter ausschließlicher Nutzung der elektrischen Maschine von mindestens 40 Kilometern von den Bevorrechtigungen erfasst. Um die technologische Entwicklung zu befördern und die Akzeptanz der Elektromobilität in der Bevölkerung zu steigern, sollten die Anforderungen an Plug-In-Hybrid-Fahrzeuge während der Geltungsdauer des Elektromobilitätsgesetzes stufenweise angehoben werden. Demnach sollte ab dem 1. Januar 2020 bei Neuzulassung von Plug-In-Hybrid-Fahrzeugen die rein elektrische Reichweite zum Erhalt der Bevorrechtigungen mindestens 60 Kilometer betragen.
Zu den einzelnen Vorschriften
11. Zu § 3 Absatz 4 Nummer 2
Der Bundesrat sieht insbesondere kein hinreichendes Potenzial für die mit der Kennzeichnung beabsichtigte Option, dass Kommunen Bus- und Umweltspuren für Elektrofahrzeuge freigeben. In vielen Ballungsräumen wird ein starkes Wachstum bei Bus und Bahn verzeichnet, diese Entwicklung ist wünschenswert auf dem Weg zu einer nachhaltigen Mobilität. Es besteht vielerorts die Gefahr, dass infolge einer Freigabe für E-Fahrzeuge die Vorteile dieser Sonderspuren für den ÖPNV auf Dauer reduziert werden. Bereits vorhandene Bussonderstreifen sind i.d.R. so angelegt, dass zusätzlicher Verkehr durch elektrisch betriebene Fahrzeuge den Linienverkehr wesentlich stören würde. Zudem bestehen hinsichtlich der vorgesehenen Ausnahmen bei Verkehrsverboten sowie bei der Benutzung von Busspuren auch verkehrssicherheitsfachliche Bedenken.
12. Zu § 4
Der Bundesrat hält die vorgesehene Kennzeichnung von Elektrofahrzeugen mit vollständig neuen Nummernschildern für unnötig aufwändig, teuer und damit nutzerunfreundlich. Für ausländische Fahrzeuge ist zudem ein zweites Kennzeichnungsregime über farbige Plaketten aus europarechtlichen Gründen notwendig. Damit sollen zwei verschiedene Kennzeichnungssysteme geschaffen werden, die eine wirksame Kontrolle vor allem in Grenzregionen erheblich erschwert. Eine einfache und kostengünstige Kennzeichnung über eine einheitliche farbige Plakette, die gut sichtbar an der Windschutzscheibe angebracht werden kann, wäre demgegenüber vorzugswürdig.
13. Zu § 7 Absatz 2
Der Bundesrat hält überdies die Geltungsdauer des Elektromobilitätsgesetzes bis zum 30. Juni 2030 für unangemessen lang. Gerade mit Blick auf die großenUnsicherheiten in der weiteren Marktentwicklung sollten heutige und künftige Förderinstrumente durch eine hohe dynamische Anpassungsfähigkeit an Änderungen der technologischen und ökonomischen Bedingungen gekenn- zeichnet sein.
Stefan meint
Warum tut sich die Politik so schwer anzuschauen, was andere machen und das Gute zu kopieren (vielleicht ein bißchen besser) und das Schlechte zu vermeiden (oder eine bessere Alternative zu finden)? Die Argumente des Bundesrates warea absehbar und wurden schon vor der Verabschiedung des Gesetzes mehrfach an das Verkehrsministerium herangetragen, anscheinend vergeblich. Im der freien Wirtschaft würde so eine Abteilung neu besetzt oder geschlossen, in der Politik wird ineffizient weitergearbeitet – irgendwie ist das Verschwendung.
ecomento.de meint
Es wurden von der Bundesregierung wohl bereits 500 Millionen Euro in Elektromobilität („Schaufensterprojekte“, s. https://ecomento.de/2014/11/17/auto-experte-dudenhoeffer-warum-deutschland-beim-elektroauto-versagt/) investiert – gefühlt sollten Elektroautos damit aber schon deutlich weiter sein in Deutschland.
Hoffen wir, dass das Thema in Zukunft professioneller gehandhabt wird…
VG
Tl | ecomento.de