Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter fordert von der Politik einen Kurswechsel im Umgang mit der Autoindustrie. Die Einmischung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel, der bei seiner China-Reise die Interessen der Autohersteller vertreten und die Elektroauto-Quote verhindern soll, sei „leider der alte Reflex“, sagte Hofreiter im Interview mit Spiegel Online: „Nicht auf Technologie und Innovation zu setzen, sondern auf Lobbyismus“, das kenne man bereits „vom bleifreien Benzin, vom Katalysator, vom Partikelfilter, von den CO2-Grenzwerten und den RDE-Tests“. Es laufe einmal mehr „das alte Muster“ ab: „Statt ihre Ingenieure loslegen zu lassen und das Problem zu lösen, schicken sie ihre Lobbyisten vor, um die Technologie zu verhindern. Das ist eine Sackgasse, das wird nicht mehr lange gut gehen“.
Der Grünen-Politiker fordert ein Umdenken von der Autoindustrie. Die habe jahrelang „Erfahrung darin, wie man große, gut ausgestattete Autos mit großer Marge verkauft“. Und „jetzt müssten sie einen großen Teil der Gewinne in neue Technologien investieren“, wie Elektromobilität und autonomes Fahren, sie müssten „intensiv investieren und ihren Aktionären erklären, dass es zunächst eine deutlich schmalere Dividende gibt“. Das aber müsse „man sich erstmal trauen“.
„Je früher und entschlossener man das anpackt, desto besser“
Vom Festhalten am Diesel hält Hofreiter nicht viel. „In den wichtigen Märkten USA und China“ spielt Diesel ohnehin „keine Rolle, die orientieren sich, wie wir jetzt merken, alle in Richtung Elektroauto“. Es sei „fahrlässig, am Diesel festzuhalten“. Die Politik müsse nun „verlässliche Rahmenbedingungen“ für eine saubere Mobilität schaffen. Wie etwa „das Aus für Verbrenner-Neuzulassungen ab 2030, damit die Industrie weiß, was auf sie zukommt. Wenn man feste Ziele definiert, gibt das auch Investitionssicherheit“.
Für Bundeskanzlerin Angela Merkel, die die deutsche Autoindustrie gerne in Schutz nimmt, hat Hofreiter deutliche Worte gefunden: Sie habe, glaubt der Grüne, „noch nicht ganz verstanden, wie schwerwiegend die technologischen Umbrüche sind, vor denen wir angesichts der Kombination aus Digitalisierung und Elektrifizierung stehen“. Sie sehe „nicht, dass der vermeintliche Schutzzaun, den sie um eine Technologie aus dem 19. Jahrhundert errichten will, nicht halten wird“. Viele Bereiche im Automobilbau „stehen vor gravierenden Umbrüchen, und je früher und entschlossener man das anpackt, desto besser“.
Ingenieur meint
Die Ingenieure loszuschicken, nur weil sich die Politik wieder etwas realitätsfernes ausdenkt, ist fahrlässig. Die werden sinnvollerweise erst losgeschickt, wenn eine poitische Vorgabe wirklich fest steht.
Wännä meint
Hallo Herr Hofreiter! Gut gebrüllt, Löwe!
Wenn Sie es jetzt noch schaffen würden, den Grünen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, den Herrn Kretschmann dazu zu bewegen, seine Dienstkarre, einen Schwabenstinker, gegen ein z.B. Model S einzutauschen, schlage ich Sie für das Bundesverdienstkreuz vor! :-)
E-Fan meint
Was Herr Hofreiter da äußert ist absolut korrekt, richtig und wichtig.
Bleibt nur die große Frage offen: Was wäre wenn die Grünen in der Regierung sitzen ? Könnten sie sich dem Lobbyismus entziehen/teilweise entziehen? Wollten sie sich dem Lobbyismus überhaupt dann noch entziehen ?
Ich vermute mal, dass eine Regierung sich wohl kaum dem Lobbyismus entziehen kann. Das hat die Vergangenheit eindeutig bewiesen.
Aus der Opposition heraus kann man natürlich wunderbar alles kritisieren und auch super Vorschläge machen, aber falls es dann ans Regieren geht, sieht die Sache (wie immer) leider dann ganz anders aus.
D meint
soll Herr Hofreiter dann dazu besser schweigen? Es ist auch seine Aufgabe in der Oppposition, die Regierung in Frage zu stellen und in „Opposition“ zu gehen. Daher der Name.. – Die Opposition kann nicht mit der Lobby verhandeln, aber sie kann Gegenvorschläge machen und kritisieren. Nichts anderes tut Herr Hofreiter.
S EDE meint
Als die Grünen an der Regierung waren, haben Sie trotz Lobby die EEG und den Atomausstieg beschlossen (Laufzeit 20 Jahre), dass die CDU/CSU mit der FTP rückgängig machen wollte und uns als Brückentechnologie verkaufen wollte. Dinge in Frage stellen, gerne. Aber keine falschen Tatsachen veröffentlichen. Die Grünen sind mitunter eine der wenigen Parteien, die versuchen mit den Genossen und Bossen auf Distanz zu bleiben. Wer fordert ein Zulassungsverbot ab 2030 (in 14 Jahren) für Explodierer? Ich sehe das ander als E-Fan oder D.