Deutsche Unternehmen haben an Innovationskraft verloren und sind im Wettbewerb um die besten Ideen hinter die USA und Asien zurückgefallen. Das zeigt die neue Studie The Most Innovative Companies 2016 der Boston Consulting Group (BCG), für die 1500 Topmanager weltweit dazu befragt wurden, welche Unternehmen sie als innovativ wahrnehmen. BCG ermittelt bereits seit 2005 jährlich die 50 innovativsten Firmen der Welt.
Spitzenreiter in der Liste der 50 innovativsten Unternehmen sind – wie schon im Ranking des Vorjahres – die Technologiekonzerne Apple (Platz 1) und Google (Platz 2) und der Elektroautohersteller Tesla Motors (Platz 3).
Deutsche Unternehmen sind in den Top Ten nicht mehr vertreten; im vorigen Jahr waren noch zwei unter den ersten zehn. Insgesamt schafften es dieses Mal sechs deutsche Firmen ins Ranking, eine weniger als im Vorjahr. Bayer behauptet sich auf Rang elf und erreicht damit die beste deutsche Platzierung.
„Das Ergebnis sollte ein Weckruf für deutsche Unternehmen sein“, sagt BCG-Deutschlandchef Carsten Kratz. „Viele von ihnen sind zwar nach wie vor innovativ, werden im globalen Wettbewerb aber nicht unbedingt als innovativ wahrgenommen. Das ist gefährlich, frühes Gegensteuern wichtig.“ Innovation sei mehr als Produktweiterentwicklungen durch klassisches Ingenieurwissen, für das deutsche Unternehmen bekannt seien. Innovation müsse facettenreich sein und Dienstleistungen, Kundenschnittstellen und Kooperationen mit einbeziehen. „Facettenreiche Innovation entscheidet darüber, wer im globalen Wettbewerb als fortschrittlich angesehen wird“, unterstreicht Kratz.
US-Firmen dominieren, deutsche Unternehmen büßen Ränge ein
Die Top Ten bestimmen – wie bereits im vorigen Ranking – hauptsächlich amerikanische Technologieunternehmen. Ausnahmen sind der Mischkonzern Samsung (Platz 6) und Automobilproduzent Toyota (Platz 7). Den stärksten Aufstieg verzeichnen die Medienunternehmen Netflix (Platz 6, zuvor 27) und Facebook (Platz 9, zuvor 28) sowie der amerikanische Chemiekonzern DuPont (Platz 18, zuvor 37).
Die deutschen Unternehmen büßen mehrheitlich Ränge ein: Die Autohersteller BMW (Platz 14, zuvor 7) und Daimler (Platz 16, zuvor 10) – im Ranking von 2015 noch Top-Ten-Namen – sind deutlich zurückgefallen. Ebenfalls abgestiegen: Versicherer Allianz (Platz 33, zuvor 25) und Industriekonzern Siemens (Platz 45, zuvor 30). Einen Sprung nach vorn auf Rang 20 macht das Chemieunternehmen BASF (zuvor Platz 29). Der Autokonzern Volkswagen ist nicht mehr im Ranking vertreten.
Daten und neue Technologien bestimmen alle Branchen
Der Einsatz neuer Technologien und der Umgang mit großen Datenmengen entscheiden nicht mehr nur in Tech-Unternehmen über Innovation oder Stagnation. Vier von fünf der befragten Topmanager geben an, zur Ideengewinnung umfassend Daten auszuwerten (u. a. Unternehmens-, Kunden-, Patentdaten).
Zugleich zählen in den meisten Branchen inzwischen Unternehmen mit digitalen Angeboten zu den Innovationsführern: Airbnb (Platz 21), Netflix, Uber (Platz 17) oder Facebook. Produzierende Unternehmen sind wiederum dann besonders innovativ, wenn sie ihr Profil entsprechend erweitern: „Etablierte Industriefirmen, die langfristig auf dem Markt mitspielen wollen, denken über die Weiterentwicklung ihres Kerngeschäfts hinaus und suchen nach digitalen Angeboten“, erläutert Carsten Kratz. Das gelte etwa für Automobilhersteller, die sich immer öfter als umfassende Mobilitätsanbieter verstünden.
Walter meint
Korrekterweise müsste der erste Satz lauten: „In den Augen von 1500 befragten Topmanagern fallen deutsche Unternehmen bei der Innovationskraft zurück“. Denn was ist das denn für ein Gradmesser für Innovationskraft? Was wäre denn ein objektiver Gradmesser? Investitionsvolumen? Stärke der F&E-Abteilungen? Anzahl der Patentanmeldungen? Dann ist das Ganze ja auch eine Frage der PR. BMW hat keine Lust ICE-lose Autos zu bewerben, weil sie mit Verbrennern halt mehr verdienen. Ich glaube das deutsche Problem ist nicht, dass die Ingenieure und Tüftler aussterben. Das deutsche Problem ist, dass manche Teilbereiche (IT & Softwareentwicklung, Batterietechnik, KI) so kampflos aufgegeben werden.
kritGeist meint
Gut gesprochen! :-)
Man verläßt zu sehr auf das Bisherige oder lagert Kernbereiche aus, um den Shareholder – Gedaken & Aktionären jährlich zu pflegen & zu belohnen (z.B. Divendenten & Manager-Bonis), anstatt das Geld lieber in neuen Ideen & Innovationen zu reinvestieren.
Die modernen Innovationen finden v.a. bei kleinen & mittelständischen Unternehmen statt, die den Mut & das motivierte Personal haben.
Mario Herger meint
Befragungen von Leuten, wen sie als innovativ einschätzen, ist nur eine rückwärtsgewandte und daher problematisch. Auch F&E-Ausgaben sind irreführend, da wäre nämlich Volkswagen mit 15,2 Milliarden Dollar an der Spitze gestanden. Wir wissen ja alle nun viel besser, dass dem nichr so ist.
Das hat bereits Clayton Christensen aufgezeigt. Deshalb hat er mit seinen Kollegen die sogenannte Innovationsprämie.
Hier ist mehr dazu:
https://dassiliconvalleymindset.com/2015/12/29/innovationspramie-im-vergleich-mit-deutschen-automobilbauern/