In Norwegen dominieren Elektroautos die Hitliste der Kfz-Neuzulassungen, Frankreich und Großbritannien planen, spätestens ab 2040 Benzin- und Dieselautos ganz zu verbieten. Deutschland hingegen hinkt hinterher und ist mehr mit dem Diesel-Skandal und dreckiger Luft in Innenstädten beschäftigt, als konkrete Pläne für die Zukunft zu schmieden. Warum, erklärte Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer in einem Interview mit Heute.de.
„Europa gelingt die Wende – außer Deutschland“, so Dudenhöffer. Es sei „das einzige Land, das beim Thema Elektromobilität allen anderen europäischen Ländern hinterherfährt“ und „das Schlusslicht“. Während es auf dem Diesel-Gipfel „um die Lösung von Problemen der Vergangenheit“ geht, „gestalten andere Länder die Zukunft“ – ohne Diesel und ohne Benziner.
Dudenhöffer ist der Meinung, dass sich die Deutschen „schon für ein E-Auto erwärmen können, wenn die Politiker die richtigen Rahmenbedingungen setzen würden“. Stattdessen seien hohe Summen allein in die Dieselsubvention geflossen – „seit 1985 bis zum Ende diesen Jahres 200 Milliarden Euro. Können Sie sich vorstellen, was man mit so viel Geld hätte machen können?“
Ein gefährliches Zögern
Die Antwort gibt Dudenhöffer gleich selbst: „Man hätte längst die Infrastruktur für Strom-Ladestationen ausbauen können, wie es Frankreich, Großbritannien und die Niederlande bereits gemacht haben“. Auch das Vorgehen der EU-Kommission kritisiert der Autoexperte. Es sei „traurig“, dass sie „bis heute noch gar keinen Plan“ für eine Elektroauto-Infrastruktur habe. Was auch daran liege, dass „die EU eine Gemeinschaft von 28 sehr unterschiedlichen Ländern ist. Die wichtigen Infrastrukturthemen hat die EU immer vernachlässigt“.
Das Zögern bei der Elektromobilität sieht Dudenhöffer als Gefahr für die deutsche Autoindustrie: „In Deutschland selbst werden im Jahr rund drei Millionen Autos verkauft. Dafür braucht man nicht die 850.000 Menschen, die heute in der Autoindustrie ihren Lohn verdienen. Sie arbeiten hauptsächlich für den Export. Und wenn Deutschland zu lange zögert, werden die Elektroautos eben im Ausland gebaut – ohne diese 850.000 Arbeitnehmer“.
Ron Liem meint
Die Deutsche Autohersteller bauen schon EV’s aber nur für Markten mit EV-Quoten (China) Audi Q2 Elektro.
Die Deutschen sollen ja die Stinker abkaufen, das machen Sie schon.
EVFan meint
Genau das gleiche ist mir letztes Jahr auch schon aufgefallen. Wir würden uns gerne einen BMW X1 Hybrid kaufen, nur komischerweise wird der nur in China verkauft. Wir Deutschen sollen die Stinker Diesel kaufen oder die „normalen“ Benziner ohne Hybrid. Nicht mit uns. Da warten wir lieber und versuchen mit dem auszukommen was wir haben.
Leonardo meint
Für 200 Milliarden Euro hätte man 8 Millionen Schnellladesäulen zu je 25.000,-€ bauen können.
Oder nur 4 Millionen Schnellladesäulen und für das übriggebliebene Geld den Strom zum Laden für die nächsten 4-5 Jahre für alle deutschen PKW kostenlos.
Daten: PKW Verkehr in Deutschland 600 Milliarden Kilometer jährlich…bei 15/kwh auf 100km und 0,25€/kwh macht das pro Jahr runde 22,5 Milliarden Euro für Strom.
McGybrush meint
„…die Lösung von Problemen der Vergangenheit.“
Beste, traurige Wahrheit.
Die versuchen tatsächlich noch mal den Analogfilm mit neuer Chemie zu verbessern.
Redlin, Stefan meint
Das krampfhafte klammern an den Verbrennungsmotor ist wirklich ein Trauerspiel.
Und es wird uns am Ende mehr Arbeitsplätze kosten, als der schnelle Wechsel zum E-Auto, wofür man auf Grund des einfacheren Aufbaues auch schon weniger Personal braucht. Allerdings müssen wir bei den Vorhaltungen die uns berechtigt treffen fairer weise berücksichtigen, dass nicht nur unsere Hersteller verbrettert sind, sondern die Käufer von Autos ebenfalls. 100 Jahre Stinker hat uns blöd gemacht, wir haben ständig nur 200 Km/h und 1000 Kilometer Wegstecke im Kopf, alles andere ist scheinbar undenkbar. Traurig, sehr traurig.
EcoCraft meint
Durch das autonome Fahren wird auch generell der Bedarf an Fahrzeugen für private und firmen zurück gehen.
Wenn ich mir per Handy zu jeder Zeit, an jeden Ort ein Auto meiner Wahl bestellen kann, welches ich dann für meine Fahrt zur Familie oder zum Kunden nutzen kann, und das dann von alleine zum nächsten Kunden fährt… Wer braucht dann noch seinen eigenen Wagen.
Wenn ich unter der Woche für meine Kurzstrecken einen tariflich günstigen Kleinwagen buche und am Wochenende für die Kaffeefahrt ein hochmotorisiertes Cabrio – und auch sonst für jede Fahrt das passende Autokonzept zur Verfügung habe… Warum soll ich mich dann auf Jahre auf ein und den selben Wagen festlegen?
Schätzungen gehen davon aus, das über 50% der aktuell angemeldeten Fahrzeuge durch einen entsprechend schnellen Ausbau des autonomen Fahrens überflüssig werden.
Wie stecken die Hersteller das weg?
Michael L. meint
Ich kenne viele welche sich liebend gerne eine Elektroauto kaufen würden, aber aufgrund der geringen Auswahl und/oder des hohen preises nicht können.
Bei unserem Fahrprofil ist stand heute, ein Tesla Model S mit min. 400 km realer Reichweite das was mindestens benötigt wird…
(Freiberufler im Projektgeschäft mit Kunden im Bereich 100 – 800 km von Zuhause entfernt – die An- und Abreise soll mit maximal einem „Tankstop“ möglich sein…)
Tom meint
Bei 800 km Wegstrecke nur eine Pause? Du hast mein Mitgefühl…
Das Long Range Model 3 wäre da wohl das passende, bezahlbare Auto. Wer dafür hierzulande noch keine Reservierung gemacht hat, muss allerdings wohl bis Mitte 2019 warten…
150kW meint
„Das Zögern bei der Elektromobilität sieht Dudenhöffer als Gefahr für die deutsche Autoindustrie: „In Deutschland selbst werden im Jahr rund drei Millionen Autos verkauft. Dafür braucht man nicht die 850.000 Menschen, die heute in der Autoindustrie ihren Lohn verdienen. Sie arbeiten hauptsächlich für den Export. Und wenn Deutschland zu lange zögert, werden die Elektroautos eben im Ausland gebaut“
Wie soll man das verstehen? Der Deutsche Markt ist nicht wichtig, aber wenn in Deutschland nichts passiert brauchen wir keine Arbeitskräfte für den Export? Ergibt irgendwie keinen Sinn.
JoSa meint
Ich schreibe auch manchmal so, dass bei anderen das Kopfkino mitlaufen muss :)
Vielleicht können wir unsere Autos mit Verbrennungsmotoren bald nicht mehr Exportieren. Die will keiner mehr…
Peter W meint
Wieso ergibt das keinen Sinn? Wenn die deutschen Autobauer keine Elektroautos bauen, werden die Absatzzahlen im Ausland sinken, weil die Menschen dort Elektroautos anderer Hersteller kaufen.
150kW meint
Ja eben. Wie kommt es denn das VW Marktführer bei PEV in Norwegen ist und BMW Platz zwei? Und da bekommen die noch nicht mal irgendwelche EU Umweltpunkte für. Deutsche Elektroautos werden durchaus nachgefragt und auch geliefert. Ganz unabhängig davon was in Deutschland passiert.
Ralf meint
Die deutschen Photovoltaikhersteller waren ja auch mal spitze und subventioniert vom Staat (so wie Norwegen heute massiv Elektroautos subventioniert und sogar der VW eup mit seinem abwegigen deutschen Preis in Norwegen mit diesen Voraussetzungen verkauft wird) – bis sie sich dem Weltmarkt stellen mussen. Und: ist Norwegen der Volumenmarkt der Zukunft? Wohl eher China und USA – und die entkoppeln sich gerade, da helfen uns ein paar Youngtimer für die Dieselschnüfflernische auch nicht weiter….
Steff meint
@150kw
Eben. Das ist ja was Dudenhöffer meint, ein einzelnes Land ergibt keine Aussagekraft für den Mark. In Europa (BEV 2017) liegen die deutschen Hersteller weit zurück.
1. Renault Zoe, 26.6%
2. Nissan Leaf, 17.4%
3. BMW i3, 11.9%
4. Tesla Model S, 10.4%
5. Tesla Model X, 8.9%
6. VW e-golf, 6.1%
7. Hyundai Ionic 4.3%
8. Kia Soul, 3.5%
9. Mercedes B250, 2.9%
10.VW e-up, 2.3%
Übrigens: Europa ist der „gute“ Markt für die deutschen Hersteller.
ZastaCrocket meint
Das bedeutet, dass die meisten Arbeitskräfte, die in der deutschen Autoindustrie arbeiten , für den Export tätig sind. Wenn deutsche Autos im Ausland nicht mehr gefragt sind benötigt auch niemand mehr diesen Anteil der Arbeitskräfte. Und sollten die deutschen Autos auch nicht mehr in Deutschland gefragt sein, dann braucht auch den Rest niemand mehr…
Verglichen mit den boomenden Märkten ist der deutsche Markt sicher nicht mehr besonders wichtig.
Steff meint
Ist doch klar und verständlich.
Wenn die deutschen Autobauer nur auf ihren Heimmarkt achten, werden sie international an Bedeutung verlieren und weniger exportieren.
Denn Deutschland befindet sich mittlerweile (BEV, 2017), selbst in Europa, ausserhalb der top ten!