Was halten Sie vom induktiven, also kabellosen Laden?
Wenn ich sehe, dass viele Autofahrer ihre Parkplätze kaum treffen, dann frage ich mich, wie sie ihren Wagen exakt auf eine kleine Induktionsplatte stellen wollen. Induktives Laden wird erst ein Thema sein, wenn die Autos vollautonom fahren und parken. Dazwischen gibt es noch eine Menge Probleme zu lösen, wie zum Beispiel die Position der Ladeplatte, die ja bei allen Fabrikaten dann am gleichen Ort liegen müsste. Aktuell wäre sie dort, wo heute die Akkupakete sind – also würden sie bei jeder Bodenwelle abgerissen oder aber alle Autos würden drei Zentimeter hochbeiniger.
Sind Sie ein Fan von Vehicle-to-Grid-Technologie?
Die Idee, Fahrzeugakkus zur Rückspeisung und Netzstabilisierung zu nutzen ist auf den ersten Blick bestechend. Meiner Meinung nach hat sie aber vorerst keine Zukunft, vor allem aus drei Gründen:
Erstens: Durch laufendes Laden und Entladen ergeben sich leicht drei- bis fünfmal so viele Ladezyklen. Welcher Fahrzeughersteller sollte das kostenlos hinnehmen?
Zweitens: Die Ladestationen müssen viel aufwändiger gebaut werden, zum Beispiel mit teuren FI-Schutzschaltern in beiden Richtungen. Die Kosten will keiner tragen.
Drittens – und das dürfte der Killer sein: Die Fahrer müssten vor jedem Ladezyklus eingeben, zu genau welchem Zeitpunkt sie welchen Akkustand verlangen, damit sie ihre Fahrt nicht mit zufällig leergesaugtem Akku antreten müssen. Diese Mühsal will sich definitiv niemand antun.
Wie sieht für Sie die ideale Ladeinfrastruktur für das nächste Jahrzehnt aus?
Sie beruht auf vier Säulen:
Schnellladestationen (DC, Gleichstrom) mit maximal 150 kW an allen Schnellstrassen, am liebsten mit Typ2-Stecker, der nämlich auch für DC entwickelt wurde und taugt. Niemand nimmt diesen unsäglichen klobigen CCS-Klotz gern in die Hand. Mehr Leistung braucht es übrigens nicht, denn im Gegensatz zum Benzin-Tanken können Sie ja die Ladezeit zum Pinkeln und Kaffeetrinken nützen.
Heimladestationen (AC, Wechselstrom) mit 11 oder 22 kW, Last gemanagt. So hat jede(r) jeden Morgen ein vollgeladenes Auto zur Verfügung. Wechselstromstationen sind preislich auch langfristig deutlich preisgünstiger und deshalb ideal.
Öffentliche Ladestationen und Ladestationen am Arbeitsort (AC, Wechselstrom) mit 22 kW, Last gemanagt und oft durch eigenproduzierten Solar- oder Windstrom betrieben.
Mobile Ladestation an Bord (AC, Wechselstrom) mit 11 oder 22 kW. Die Fahrzeughersteller werden ihre nutzlosen Notladekabel durch diese überall brauchbaren Lösungen ersetzen. Damit ist ein Liegenbleiben faktisch unmöglich – und im Falle unseres „Juice Booster 2“ kann man diese Station sogar ebenfalls als Heimladestation verwenden, was Geld spart.
Es gibt Warnungen, dass auch die Stromnetze gut ausgebauter europäischer Länder durch zu viele Elektroautos überlastet werden könnten – wie ist Ihre Einschätzung?
Eine der wichtigsten Fragen überhaupt. Unser hauseigenes Research-Team hat schon vor zwei Jahren eine Untersuchung dazu geführt. Das Resultat: Würden alle Fahrzeuge elektrisch betrieben, einschliesslich aller Lastwagen und Busse, ergäbe das einen Strom-Mehrverbrauch von nur gerade 9%. Das kann man mit den bestehenden Kraftwerken und Netzen problemlos abdecken – sofern der Energiebezug clever zeitlich verteilt wird.
Wir haben deshalb nun anderthalb Jahre geforscht und das Lastmanagementsystem smartJUICE entwickelt. Es ist beliebig skalierbar und steuert von einem bis viele tausend Parkplätze. Ein hochkomplexer Algorithmus deckt die Besonderheiten der einzelnen Fahrzeuge ab, regelt dynamisch die Energieverteilung in der Garage, im Haus und in ganzen Quartieren. Seit November 2017 ist es täglich in vielen Installationen erfolgreich live im Einsatz – und damit ist das Stromnetz-Problem kostengünstig für alle Zeiten gelöst.
Nehmen Sie Unterschiede in Bezug auf E-Mobilität in Ihrem Heimatland Schweiz im Vergleich zu Deutschland wahr?
Man merkt, dass die Schweiz schon lange kein Autobauerland mehr ist. Deshalb ist man Neuerungen auch aus dem entfernteren Ausland gegenüber offener. Aktuell fahren in der Schweiz nominal fast gleich viele E-Autos wie in Deutschland. Dann höre ich in Deutschland oft das Argument, dass man von München bis Hamburg mit 250 km/h ohne Halt durchbrettern können müsse. Wieso ist mir bis heute allerdings nicht klargeworden. Ich bin froh um 20 Minuten Pause alle 350 km. Dann erledige ich meine E-Mails und schlürfe einen Espresso. Und wenn ich dann im Hotel am Zielort ankomme, habe ich nicht mehr genervt die ganze angestaute Post zu erledigen – sondern packe nur noch meine Badehose aus und schlendere locker in den Wellnessbereich.
Sie fahren bereits seit einigen Jahren ein Elektroauto, was gefällt Ihnen dabei besonders – und was nicht?
Wir haben bei uns seit vier Jahren vier Marken im Einsatz: Tesla Model S, BMW i3, Smart ED, Renault Zoe. Alle zeichnen sich aus durch ein Gefühl der Leichtigkeit beim Beschleunigen und beim Fahren. Das Fehlen von Mikrovibrationen, wie es bei Verbrennern systeminhärent ist, entspannt unglaublich. Und das meine ich so, wie ich es sage: Ich selbst würde es als früher eingefleischter 8-Zylinder-Fahrer nicht glauben, würde ich es nicht selbst täglich erleben. Die Rekuperation gibt einem ausserdem ein erhabenes Gefühl, man kommt unaufgeregt beim Kunden an, der Termin wird besser. Und, das gilt für den Tesla, der Autopilot ist die mit Abstand grösste technische Errungenschaft und den Spurhaltelösungen klassischer Autobauer um Lichtjahre voraus.
Es gibt keinen Punkt, in dem E-Autos dem hundertjährigen alten Antrieb nicht überlegen wären. Ich habe noch ein paar schöne Oldtimer. Letzten Sommer habe ich sie nicht einmal mehr ausgepackt. Es ist einfach so: Man geht nie mehr zurück.
Was raten Sie Autofahrern, die den Kauf eines Elektroautos noch hinauszögern – weiter warten oder ein aktuelles Modell erwerben?
Wer jetzt seinen Wagen wechselt und noch einen Verbrenner kauft, wird es bald bitter bereuen. Sobald der Anschaffungspreis in der Mittelklasse bei E-Autos und Verbrennern gleich ist, wird der Wechsel lawinenartig stattfinden. Erinnern Sie sich an Digitalkameras? An Smartphones? Innerhalb von zwei Jahren gab es schlicht keinen Gebrauchtartikelmarkt mehr für die alte Produktgeneration.
In unseren Verwaltungsrat sitzt einer der renommiertesten Zukunftsforscher Europas, Lars Thomsen. Er rechnet mit einer Halbierung der Akkupreise alle drei Jahre. Spätestens in sechs Jahren also werden Sie Ihren Benziner oder Diesel nicht mehr loswerden. Verkaufen Sie ihn jetzt, solange ihn noch einer nimmt.
Elektroauto leasen oder kaufen? Falls kaufen: Batterie-Kauf oder -Miete?
Steuerlich bringt Leasing schon lang keine nennenswerten Vorteile mehr. Es ist aber ein gutes Mittel zur Liquiditätssicherung, sowohl beim Auto wie beim Akku. Kaufen bekommt aber auch eine neue Dimension: Weil die E-Autos durch Over-the-Air-Upgrades laufend besser werden und physisch ja so gut wie keine Abnützung besteht, wird man sein Auto künftig viel länger behalten. Da kann sich besitzen schnell lohnen.
Zum Schluss: Bis wann rechnen Sie mit dem Durchbruch von Elektroautos in der DACH- Region, europa- und weltweit?
Lassen Sie mich nochmals Lars Thomsen zitieren. Er berechnet: “2029 laufen weltweit die letzten Verbrennermotoren vom Band.” Das dürfte hinkommen, das sind 11 Jahre ab jetzt. In 11 Jahren passiert eine Menge. Wussten Sie zum Beispiel, dass viele Leute sich nicht mehr erinnern, wie ihr Leben ohne Smartphone funktionierte? Das erste iPhone ist vor exakt 11 Jahren präsentiert worden.
strauss meint
vw wird jetzt dann den alten Einzylinder lanz diesel in den golf einbauen. der verbraucht ohne zu mauscheln weniger als die neuen euro 6 er…….
strauss meint
da ist aber noch viel Wunschdenken dabei, und überhaupt nicht stand der Technik von heute betreffend Aufladen der E Autos !
Effizientes Laden sei heute schon überall möglich? Man ladet da wo man gerade ist.und das noch mit Stromüberfluss tagsüber? also tagsüber bei jeder privaten PV Anlage vom Dach ihren Tesla in 10 min Laden.geht 4 Stunden mit Drehstrom, da diese nicht mit Gleichstrom in kurzer Zeit einstöppseln können. DA fahren sie lieber Umwege um einen Supercharger zu finden. Wenn sie tagsüber fahren wollen, werden sie wohl oder übel bei Nacht aufladen müssen.Wissen Sie wo dieser günstige Nacht-Strom z.Zt kommt? OEKO lässt grüssen. Sie wollen ja laden wo sie gerade sind . 80% haben lediglich 220 Voltanschlüsse. Dies dauert dann beim Tesla und jedem anderen e Auto mit über 60 KW Batterie 2 Tage
Solche Autos sind recht um die grossen Citys und Flughäfen herum. Aber für die Langstrecke brauchen wir Diesel mit der neuen Abgasreinigung alla LKW ,oder eben die 48 Volt Hybrids von Bosch.
ELPOFAN meint
Eine klare Aussage wie die Ladetechnik in einem guten und Zeitgemäßen Elektrofahrzeug aussehen sollte. Dreiphasig AC für einen Problemlosen Alltagsbetrieb und für zu Hause, teureres DC-Laden für unterwegs, wenn es schnell gehen soll / muss und einphasig AC nur noch für Notfälle oder für Eigenheimlader die keine andere Möglichkeit haben. Dreiphasig AC gehört, wenigstens als bestellbare Option, in jedes Fahrzeug. Die Frage ist nur, wann das auch bei den Herstellern so ankommt.
sagrantino meint
Klasse Interview!
Nur zum Thema „Sind Sie ein Fan von Vehicle-to-Grid-Technologie?“ hoffe und vermute ich liegt Herr Erni falsch.
In D fallen ab 2020, also in bereits weniger als 2 Jahren, die ersten EEG-Anlagen aus der Förderung. Für diese Produzenten heißt es:
Selbst verbrauchen oder verschenken oder Stecker raus. Selbst um 2 Cent je kWh werden die bereits am Markt handelnden Firmen den Strom nicht abnehmen.
Mir sind bereits zwei Akteure bekannt, die auf dem Feld erfolgreich tätig sind.
Meine Prognose für 2028:
Der kluge Bewohner eines Ein- oder Zweifamilienhauses wird seine gesamte Energie, inclusive Pkw etc., kostenfrei beziehen – viele sogar zusätzlich Einnahmen generieren. Durch V2G!