Die Bundesregierung will eine deutsch-europäische Fertigung von Elektroauto-Batteriezellen forcieren. Das Wirtschaftsministerium hat diese Woche mitgeteilt, dazu bereits mit Unternehmen zu verhandeln und eine Milliarde Euro Förderung ausgelobt. Warum eine lokale Zellfertigung so wichtig ist und wie es um die hiesige Autoindustrie steht, hat Autoexperte Stefan Bratzel im Interview mit der Branchenzeitung Automobil Produktion erklärt.
Dass die deutsche Autobranche den Erfolg der Vergangenheit in die Zukunft übertragen kann, sei „angesichts der Tiefe des Wandels“ vor dem die Industrie steht offen, so der Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. In der kommenden Transformation stecke „enormes disruptives Potenzial“. Bratzel verwies auf das Beispiel des Technologiekonzerns Nokia, der durch den Boom von Smartphones in wenigen Jahren vom Marktführer zum Sanierungsfall wurde.
Bratzel glaubt, dass die etablierten Autobauer in vielen neuen Themen bereits „sehr gut unterwegs“ sind. Dass sie sich weiter auf bestehende Technologien wie Verbrennungsmotoren konzentrieren, sei angesichts der großen Bedeutung für das derzeitige Geschäft verständlich. Bei Konnektivität, Fahrassistenzsystemen und dem Autonomen Fahren sind deutsche Hersteller laut Bratzel „schon vorne mit dabei“, anders sehe dies bei der Elektromobilität aus. „Ich würde nicht sagen, dass sie hier hinterher fahren, aber da sind sie eher im Mittelfeld.“
Dass deutsche Unternehmen bei der Elektrifizierung der Autobranche zu spät kommen, glaubt der Experte nicht. Das Thema werde erst ab den 2020er Jahren „richtig relevant“, Volkswagen, Daimler, BMW & Co bleibe also noch Zeit, aufzuholen. „Zuvorderst im Bereich rein elektrischer Fahrzeuge und da in der Batterietechnologie.“
„Der Wertschöpfungsschwerpunkt beim E-Fahrzeug liegt bei der Batterie und insbesondere bei der Batteriezelle“, erklärte Bratzel. Deutschland habe hier ein „strategisches Defizit“. Es gehe dabei nicht nur um die Produktionskosten, auch die Leistungsfähigkeit von Batterien sei ein wichtiges Differenzierungsmerkmal. „Wenn man da nicht aktiv ist, läuft man Gefahr in starke Abhängigkeit von den großen Playern aus Korea, Japan und China zu geraten; vielleicht kommen noch Tesla mit Panasonic hinzu“, so Bratzel.
Dem Professor zufolge müssen deutsche Unternehmen den Rückstand bei Batteriezellen „dringend“ ausgleichen und „stark“ in die Entwicklung und den Aufbau einer Batteriezellproduktion investieren. Dies sei nicht in wenigen Jahren, möglich – er rechnet mit bis zu zehn Jahren. Anstatt in aktuelle Produkte zu investieren, rät Bratzel zu einem Fokus auf neue Batterietechnologien „in einer Art konzertierte Aktion zwischen Industrie-Akteuren, ähnlich wie bei Airbus“. Er merkte an, dass die dazu nötigen Milliardeninvestitionen ein großes Risiko bergen. Es sei „eine Herkules-Aufgabe im Bereich der Batteriezelle in eine führende Position zu kommen“ – aber „absolut notwendig“, um den Automobilstandort Deutschland/Europa zu sichern.
weileslogischist meint
Meinten Sie nicht eher 33 GF mit ca 30GWh p.a in Europa ? 30 MWh ist ein bisschen wenig.
Satcadir meint
Entfernt. Bitte verfassen Sie konstruktive Kommentare. Danke, die Redaktion.
Steve meint
Irgendwie träumen sie bei uns immer von „führend“, das bringt bei immer immer ganz blöde Assoziationen!
Im Moment sind wir lediglich ein Gaul im Stall, der quer steht, weder vorwärts noch rückwärts kommt.
Ein anderer schlauer Geist in diesem Internet hat kürzlich den Bedarf an Akkus für Ende der 20er-Jahre hochgerechnet (äh, das ist ja schon in 10 Jahren…): grob überschlägig kam er auf die Formel, dass das 33 Gigafactorys mit je 33 MWh Jahreskapazität benötigt werden. IN EUROPA! Zumindest wenn man in der Größenordnung von einem Drittel Weltmarktanteil mitspielen möchte.
Für den Moment haben wir in dieser Hinsicht noch GAR NICHTS, keinen Plan, keine Technologie, kein Kapital, keinen Willen. Nur einen Haufen Vorstandsbosse, die genau wissen, was sie nicht wollen.
Für mich ist dieser Beitrag des guten Prof. Bratzel noch nicht mal eine brauchbare Durchhalteparole.
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Ein „Mittelfeld“ bei der Elektromobilität, in dem sich die deutschen Automobilhersteller lt. Bratzel befinden, gibt es für mich nicht. Entweder man hat „echte“ E-Fahrzeuge im Markt, und zwar in Serie, oder eben nicht. Das sehe ich ganz digital mit „0“ oder „1“. VDA = „0“.
Peter W meint
100 Jahre lang hat man Ingenieure ausgebildet um die besten Verbrennungsmotoren herzustellen. Universitäten und Forschungseinrichtungen , ja das ganze Land sind vom Hubkolbenmotor geprägt und haben bestenfalls versucht die Verbrennung fossiler Stoffe zu optimieren. Einen komplett neuen Weg zu gehen, war nur was für Einzelgänger, die in der Masse aber stets untergehen. Der Elektromotor wurde im Automobil vor 100 Jahren besiegt, beziehungsweise zum Hilfsarbeiter, dem Anlasser, degradiert und das Fest wollte nicht enden.
Dass einmal die Akkuhersteller, die für Laptops und Handys „zuständig“ sind, die Schlacht um den E-Antrieb neu entfachen war nicht abzusehen. Dass ein reicher Amerikaner ein paar E-Autos verkauft, muss nicht bedeuten, dass ein neuer Krieg um die Vormacht im Automobilbau begonnen hat. Viele glauben immer noch an ihre Vormachtstellung und einen Sturm dessen Schäden schnell repariert und vergessen sind. Mit der Aufwertung des Anlassers zum Hilfsantrieb kann man die Lage Zähne knirschend beruhigen. Man integriert den Feind im eigenen System und lässt ihn weiterhin Hilfsarbeiten ausführen. Der Anlasser und sein Akku sind größer, aber immer noch nur Helferlein des immer größer und mächtiger werdenden Kolbenmotors.
Den wertvollsten Teil eines herkömmlichen Fahrzeugs in höchster Qualität herzustellen ist nur wenigen gelungen. Ob das wertvollste Teil der neuen Fahrzeuggeneration von denen hergestellt wird, die diese Technik ablehnen, ist fraglich. Um etwas wirklich gut zu können ist eine innere Überzeugung und der unbedingte Wille es zu schaffen notwendig. Einmal Weltmeister gewesen zu sein reicht dafür nicht aus.
Fotolaborbär meint
Schade, dass Herr Professor nicht weiß was Wertschöpfung ist. Auffällig nur, wie häufig er sich zu Wort meldet.
Sepp meint
Also ich sehe keinen Fehler in Bratzels Äußerungen – gut, dass er sich zu Wort meldet!
Is nu so ~ meint
Auch wenn von den Menschen im Kontinent der früher aufgehenden Sonne das Tagwerk
schon so gut wie vollbracht wurde – ist im Abendland noch nicht aller Tage Abend!
– es ist noch nicht zu spät
– um in Zukunft bei der maßgebenden ElektroChemie im Weltmaßstab maßgeblich mitzumischen, und dabei den eigenen Menschen / Land zu nützen !
Von einer dauerhaften Subventionierung ist keine Rede
– nur von einer „zeitlich begrenzter Ansschubhilfe“
Um ein Ziel zu erreichen, muss aber erst mal mit einem ANFANG ernst gemacht werden.
( und was ist da(für) schon 1 schlappe milliarde ) ?
Thomas R. meint
Vor allem braucht man einen plan. Agieren und nicht reagieren.
Wännä meint
Anschubfinanzierung gut und schön, dann aber bitte nur als (meinetwegen zinslosen) Kredit!
Pferd_Dampf_Explosion_E meint
Der VDA-Club hat genug Kohle, der braucht weder Subventionen noch Kredite.
Wenn die Deutschen nicht wollen, dann wollen sie eben nicht; man kann sie doch nicht zwingen.
Is nu so ~ meint
Die Pferd-Dampf-Explosion-E-volution wird schon so weitergehen !
Und deine GeneralKritiken nimmt man schon zur Kenntnis, die auch zum
Nachdenken anregen werden.
ABER so kommen WIR nicht weiter (voran) ; Also was nun ? weiter…
( nicht er-zwingen – aber dranBleiben!? )
Thomas R. meint
“strategisches Defizit”
Genau das machen die Chinesen seit Jahren besser als unsere Bundesregierung.
Ein langfristiger Plan – Alle (müssen) folgen.
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