Karl-Thomas Neumann war von 2013 bis 2017 Vorstandsvorsitzender von Opel, mittlerweile treibt er mit anderen deutschen Automanagern die Einführung von Elektroautos des neuen Startups EVelozcity voran. Zusammen mit dem EVelozcity-Mitgründer und ehemaligen BMW-Entwickler Ulrich Kranz sprach er im Gespräch mit der WirtschaftsWoche über die Elektromobilität und die deutsche Autoindustrie.
Das im US-Bundesstaat Kalifornien beheimatete EVelozcity hat laut Neumann in kurzer Zeit eine Milliarde Dollar Risikokapital eingesammelt. Er glaubt: In Deutschland wäre Ähnliches kaum möglich gewesen. In den USA gebe es in der Autoindustrie deutlich mehr Risikofreude, Flexibilität und Durchaltevermögen. Auch finde die Grundsatzdebatte, ob die E-Mobilität überhaupt die richtige Technologie für die Zukunft des Automobils ist, in den Vereinigten Staaten kaum mehr statt.
„Niemand glaubt in den USA noch ernsthaft, dass er in einigen Jahrzehnten noch hauptsächlich Diesel und Benziner verkaufen wird“, so Kranz. „Übrigens auch in China nicht; und die USA und China sind die beiden Märkte, auf die es ankommt“, ergänzte Neumann. Wer in Deutschland im Großen Stil Elektroautos bauen wolle, ist dem ehemaligen Opel-Chef zufolge mit einem „Vielfrontenkrieg“ mit Investoren, Geschäftspartnern, Politikern und Arbeitnehmervertretern konfrontiert.
Neumann merkte an, dass die E-Mobilität noch vor vielen Herausforderungen stehe – etwa mit Blick auf knappe Rohstoffe und zu hohe Batterie-Preise. Zudem könne man noch nicht abschätzen, ob später Elektroautos zu einem ähnlich günstigen Preis wie Fahrzeuge mit kleinem Benzinmotor erhältlich sein werden. „Aber der Punkt ist doch: Die Entwicklung steht noch ganz am Anfang“, betonte Neumann. Er gehe davon aus, dass die immer größeren Forschungs- und Entwicklungsbudgets zu Lösungen für die heutigen Nachteile von Elektroautos führen werden.
„Sie machen es noch nicht aus voller Überzeugung“
Die deutsche Autoindustrie verhält sich nach Meinung von Neumann und Kranz bei Elektroautos weiter zu zögerlich. „Sie läuft Gefahr, international abgehängt zu werden“, warnte Neumann. Das Problem sei dabei nicht die Qualität, sondern das „halbherzige“ Vorgehen. „Sie bauen immer nur so viele E-Autos, wie die Regulierungsbehörden sie zwingen“, sagte Kranz. „Aber sie machen es noch nicht aus voller Überzeugung.“
Neumann äußerte Verständnis für die Zurückhaltung etablierter deutscher Autobauer. Es seien enorme Summen in die Entwicklung von Verbrennungsmotoren geflossen, um die Marktführerschaft in diesem Bereich zu erlangen. Das habe für weltweites Renommee gesorgt und hohe Gewinne ermöglicht. Wie man künftig mit Elektroautos Geld verdienen soll, wüssten die Automanager derzeit nicht. Dies mache es schwer, bei Aufsichtsräten und Anteilseignern Milliardeninvestitionen in neue Technologien durchzusetzen.
Darauf angesprochen, was er den deutschen Autokonzernen für die Zukunft rät, machte Neumann einen radikalen Vorschlag: Die „beste und die sauberste Lösung“ wäre, „wenn sie sich aufspalten“ – etwa, wie es Energieversorger gemacht haben. Das Stammgeschäft würde dann solange es geht mit den bewährten Produkten Geld verdienen. Die Neugründung könnte sich ohne Altlasten auf den Wandel der Branche konzentrieren. Beide Teile könnten so die für sie passenden Investoren bedienen und Rangeleien um Kompetenzen und Budgets aus dem Weg gehen.
strauss meint
vw brachte in den 50 er jahren einen pauckenschlag mit dem käfer.dann folgte in den 70 ern der revolutionäre 50 ps , 1500er direkteinspritzer Dieselmotor. mit jenem damaligen technischen Wunderwerk vermochten sie die Sindelfinger zur Weissglut zu bringen, denn die bräuchten damals noch 2 l Hubraum für die selbe Leistung.und siehe da, das motörchen hielt auch durch.tja, wunder gibt es eben nur selten………….mit dem i.d ist höchste Vorsicht geboten. um dem Wettbewerb nicht nur nach zu hinken.ein pauckenschlag sieht so aus: mehr Reichweite,leichtere günstigere Batterien Fazit: ein noch besserer Kia e Niro…………………
???? meint
Anstelle den Fokus auf die Herausforderungen der Zukunft zu richten möchte die deutsche Autoindustrie anscheinend ihre veraltete, verstaubte Tradition fortführen, als ob nichts geschehen wäre. (weltweite Abgasmanipulationen schon vergessen?! ) „Spätestens“ nach diesem Skandal hatten die Autobauer ihre Chance ihren Blick auf die Zukunft, auf die E-Mobilität zu richten. Und nicht einmal jetzt sehen sie es. Bitte jetzt nur nicht auch noch an den Messstationen herum fummeln Herr Verkehr(t) sminister LG.
nilsbär meint
„Die “beste und die sauberste Lösung” wäre, “wenn sie sich aufspalten” “
Das könnte eine Aufspaltung der deutschen Autohersteller in 3 Teile sein:
1. Das alte Verbrennergeschäft
Entwicklung neuer Motoren und neuer Modelle sofort einstellen, die halbe Belegschaft kündigen, ein paar Jahre noch Gewinne machen, dann zusperren.
2. Das neue E-Geschäft
Wegen der schlechten strategischen Position und des einfachen Aufbaus von E-Autos wird das bei Weitem nicht den Umfang des derzeitigen Verbrennergeschäfts erreichen. Mittelfristig gegen die Asiaten vielleicht gar nicht zu halten.
3. Diversifikation
VW und Co. haben bei Batterien für E-Autos schlechte Karten, aber vielleicht können sie Know-How bei Batterie-Großspeichern aufbauen. Oder bei Schnellladern, Batterie-Wechselsystemen oder auch branchenfremden Produkten wie Schiffsantrieben.
Chris meint
Komisch, es sind immer die Ex-Partner die über die früheren Partner herziehen. Kennt man ja, aber an dem Geweine ist selten was dran sondern soll den eigenen Marktwert puschen. So wie auch hier :D
Peter W meint
… Das im US-Bundesstaat beheimatete EVelozcity hat …
und in welchem Bundesstaat????
Ansonsten fällt mir auf, dass die Vorstände der Autobauer immer erst dann aufwachen, wenn sie nicht mehr im Vorstand sind. Für die Auoindustrie wäre es wahrscheinlich das Beste, wenn sie den ganzen alten Filz rausschmeißen und durch Leute ersetzen die weiter denken als bis zur nächsten Tankstelle.
Aber wer schmeißt sich schon selbst raus?
Sebastian meint
Oder es sind die wenigen, die aufgewacht sind, gesehen haben, dass es im alten Unternehmen in Richtung Abgrund geht und das sinkende Schiff verlassen haben. Erst jetzt dürfen sie öffentlich ihre echte Meinung sagen. Die Manager sind auch nur ein Schnitt der Bevölkerung und wir hier nur die Freaks im Volk.
Momentan muss ja jeder sagen, dass die Lösung des Dieselskandals und der Fahrverbote neue, saubere und umweltfreundliche Diesel sind. Vor allem neue…
Und nur weil die irgendeinen Grenzwert unterschreiten und die Abgasreinigung aus „Motorschutzgründen“ nicht mehr ganz so oft abgeschaltet wird, sind die noch lange nicht sauber. Sauber heißt 0,0 Schadstoffe. Technisch, physikalisch, chemisch nicht möglich. Es wird nie saubere Verbrenner geben.
Peter W meint
Stimmt schon, nur dass es in Deutschland keinen „deutschen Elon Musk“ geben wird, der sich gegen die etablierten Hersteller durchsetzen kann. In Deutschland wird niemand Jahre lang Milliarden verbrennen können um eine Automarke in den Markt zu drücken. Wenn es VW, BMW und Daimler nicht schaffen, wird es keine andere große Marke in Deutschland geben. Dann müssen wir einen wichtigen Industriezweig aufgeben und von ausländischen Herstellern kaufen, wenn wir noch das Geld dafür haben.
Ralf Schoch meint
Er hat sie nicht verbrannt. Er hat sie investiert. Die Perspektive ist bei Elon etwas langfristiger …
lo meint
Karl-Thomas Neumann war derjenige der „Opel soll zu einer reinen Elektromarke umbauen“ wollte.
Tim Leiser meint
Aber Neumann wollte doch aus Opel einen rein elektrischen Autobauer machen. War aber nicht kompatibel mit dem neuen Mutterkonzern
JürgenV meint
1+
Tobias Rupp meint
Sehr gut. Es scheint als gäbe es doch noch Hoffnung für unsere Automobilwirtschaft. Jetzt müssen unsere Konzerne diese Kommentare (von Neumann und Schoch) endlich mal annehmen und darüber nachdenken, ob da was dran sein könnte. Ansonsten befürchte wird es in nicht einmal 10 Jahren nur noch kleine Automobilhersteller in Deutschland geben. Tippe da auf Sono Motors und e-Go. VW, BMW, Audi und vor allem Mercedes werden sonst wohl Geschichte sein.
Peter W meint
10 Jahre sind zu kurz gegriffen. Das dauert deutlich länger. Man muss vorher noch die Rettungsmilliarden der Regierung verbraten, die gezahlt werden wenn es kritisch wird.
Ob Firmen wie Sono Motors durchhalten, die sich leider jetzt schon im Sumpf der Zuberhörlieferanten festgefahren haben, weil sie nichts wirklich eigenes auf die Beine stellen, ist fraglich. Auch e-Go muss sich vor allem vor VW fürchten. VW wird nicht zulassen, dass Neu-Gründer groß werden. VW ist derzeit der einzige deutsche Autobauer, dem man die Umstellung zutrauen kann. Alleine schon die gigantische Anzahl Fahrzeuge die der VW-Konzern herstellt macht es denen recht einfach den Markt mit E-Autos zu fluten wenn Gefahr von Seiteneinsteigern droht.
Sebastian meint
Hey, wir haben ein Verkehrsminister, der will die Grenzwerte auf den Prüfstand stellen weil 100 Kasper ein Klo… tschuldigung Positionspapier aufgesetzt haben obwohl sich sogar die Vereinigung, der die Kasper angehören, gegen dieses Papier ausgesprochen hat und damit schon mal min. 3700 es nicht unterschrieben haben. Des Weiteren haben sich momentan eine ganze Reihe echter Experten und anderer Fach-Gesellschaften gegen dieses Papier ausgesprochen. Aber der Herr Scheuer möchte sie trotzdem überprüfen lassen obwohl das ganz offensichtliche und klassische Leugnistenarbeit ist, wie sie auch gern beim Klimawandel betrieben wird. Augen auf, Herr Scheuer. Oder sieht er nix wegen den Geldscheinen darauf?
Gerne können wir die Grenzwerte erneut überprüfen. Die echten Experten sprechen sich momentan eher noch für eine Grenzwertverschärfung aus. Insbesonders beim Feinstaub. Wenn der Herr Scheuer also keine Expertenkommission aus der Automobilindustrie, bestehend aus Ingenieuren und Managern, die die Gesundheitsgefahren bewerten sollen, her nimmt sondern echte Epidemiologen dann wird er die Studie entweder verschwinden lassen oder die Grenzwerte verschärfen müssen. Da dies vor allem den Ultrafeinstaub betrifft und der hauptsächlich in Benzin-Direkteinspritzern produziert wird, könnt ihr euch vorstellen was nach dem Dieselskandal kommt. Ich freu mich.
Peter W meint
Und jetzt bekommt er auch noch von Lungenfachärzten Rückenwind, die wohl selber gerne ihren Diesel SUV behalten wollen.
Thrawn meint
…oder den Diesel Cayenne ihrer Ehefrauen…wer will schon mit nem Kleinwagen vor der Kita aufkreuzen?
Ralf Schoch meint
Und es ist egal ob sie die Grenzwerte hier in Deutschland kippen. Selbst wenn sie es schaffen wird es zu spät sein. So eine Studie benötigt mindestens 5 Jahre.
Und den Rest der EU und der Welt interessiert es nicht. Die orientieren sich einfach jetzt schon an den neuen Spielregeln. Und damit haben sie uns schon in 5 Jahren locker überholt. Hyundai & Kia können jetzt schon sehr gute E-Autos bauen. Sie müssen es halt nur noch mit Masse machen, dann ist das Thema durch.
Michael Steigerwald meint
Die Epidemiologen legen ihren Grenzwert auf Basis von Daten aus der Vergangenheit, also mit Annahmen, Schätzungen, ungenauen Daten usw. fest. Niemand kann die Zukunft sicher vorhersagen. Jeder, der schon mal ein Lastenheft geschrieben hat, und dabei Anforderungen, also „Grenzwerte“ festlegen musste weiß genau: Sind meine Anforderungen zu niedrig und es passiert was, dann werde ich geschlachtet. Sind sie zu hoch, wird der Umsetzer nachverhandeln, also meine Verantwortung relativieren. Die 40myg sind von der EU ohne Verhandlung übernommen worden. Auf welcher Seite liegt wohl das Toeranzfeld (Sicherheitspolster) der Epidemiologen?
Sebastian meint
Natürlich Daten aus der Vergangenheit. Oder sollen welche aus der Zukunft kommen? Glaskugel? Es sind teils riesige Studien geführt worden. U. a. mit 62 Millionen Menschen in den USA. Studien die über 20 Jahre schon laufen. Deine Aussage ist eher ein Beweis dafür, dass es Leute gibt, die auf jedes „Argument“ hereinfallen. Und sei es noch so sinnlos.
Grenzwerte bei Schadstoffen sind immer eine politische Entscheidung. Humanistisch müsste man sich auf 0,0 Schadstoffe einigen. Die führenden Experten (nein, das sind nicht Köhler und Gehilfen) sagen klipp und klar, dass es keinen unteren Grenzwert gibt, wo für jeden eine schädliche Wirkung ausgeschlossen ist. Deswegen sind die Grenzwerte immer politisch. Oder anders gesagt, wie viele Tote und Kranke nehmen wir in Kauf um Auto zu fahren.
Und die Grenzwerte sind eben nicht 1 zu 1 von der WHO übernommen worden. Gerade beim Feinstaub. Schau mal nach. Du wirst Augen machen.
prief meint
Die Elektrifizierung werden die Deutschen schon schaffen, da hab ich keine Sorge.
Die Gefahr droht eher vom autonomen fahren. Das schaffen sie sicher auch, aber „Premium“ (die Spezialität der Deutschen) macht da plötzlich wenig Sinn. Was soll aus dem griffigen Slogan „aus Freude am Fahren“ werden?
Ein, sagen wir von Google technisch entwickeltes, Selbstfahrauto mit Innenausstattung eines Italienischen Designmöbelherstellers wird von BMW und Konsorten kaum zu toppen sein.
Die gute Nachricht: Das selbstfahrende Auto (nämlich das wirklich ohne Lenkrad) wird noch ein Weilchen dauern. Elektro geht schnell.