Der Deutschland-Chef von Ford Gunnar Herrmann hat in einem ausführlichen Interview mit der Frankfurter Allgemeine Zeitung über die aktuelle Situation der Automobilbranche gesprochen. Dabei gab er Einblicke in das aktuelle Denken des Konzerns mit Blick auf die Elektromobilität.
Politik und Autohersteller beraten Anfang Juni über neue Prämien für den Autokauf, da das Geschäft der Branche infolge der Coronavirus-Pandemie eingebrochen ist. Einige setzen sich für die Subvention nur von Elektroautos ein, die mit dem „Umweltbonus“ seit einigen Monaten bereits mit bis zu 6000 Euro bezuschusst werden. Die Förderung der Elektromobilität sei „grundsätzlich eine gute Idee“, sagte Herrmann. Eine weitere Erhöhung der Zuschüsse würde jedoch für eine Schieflage in den unteren Preissegmenten sorgen, weil keine Margen mehr erzielt werden könnten.
„Mittel- und langfristig“ gehöre dem Elektroauto die Zukunft, so der Ford-Manager – aktuell fehle aber noch die Infrastruktur für den massenhaften Einsatz. Die Energieversorger würden zwar flächendeckend Ladepunkte aufbauen wollen, die Investitionen stünden aber noch aus. Zudem werde Strom teurer – das sei auch ein Problem für die Produktion. „Die EEG-Umlage in Kombination mit der Corona-Krise ist Gift für energieintensive Produktionen. Allein an unserem Standort Köln verdoppeln sich die Stromkosten“, erklärte Herrmann.
Man müsse das Elektroauto „sinnvoll fördern“, dürfe gleichzeitig der Verbrenner-Technologie aber „nicht komplett die Luft abschnüren“. Die Transformation der Branche benötige Planungssicherheit, kurzfristige Änderungen würden nicht helfen. „Den Umschwung durch noch höhere Subventionen noch schneller zu erzwingen wird nicht funktionieren“, glaubt Herrmann. „Man muss in einem größeren Zeitfenster denken. Und, wie gesagt, der Hochlauf der Elektroauto-Infrastruktur geht nicht schnell genug.“
„Wir müssen den Gleitpfad zum Elektroauto wieder mit der Realität synchronisieren und dann beschleunigen“, so Herrmann weiter. Die EU macht den Herstellern im neuen Jahrzehnt strengere CO2-Vorgaben, der Einbruch beim Verkauf von effizienteren Neuwagen erschwert die Zielerreichung. „Die Strafen, die 2021 für 2020 fällig würden, müssten ausgesetzt werden“, sagte der Ford-Manager. Er betonte, dass der US-Hersteller das durch die Corona-Krise unverschuldet Versäumte in den Folgejahren aufholen wolle.
„Wir elektrifizieren alle Modellreihen“
Ford hat derzeit kein Elektroauto für den Volumenmarkt im Programm. In diesem Jahr ist zunächst die Einführung des neuen Batterie-SUV Mustang Mach-E vorgesehen, ein erschwinglicheres Kompaktmodell mit Technik von VW ist erst in drei Jahren geplant. Bis sich Elektroautos im Massenmarkt etablieren, setzt Ford insbesondere auf Hybride. In diesem Jahr werde man in Europa 14 E-Modelle auf den Markt bringen, kündigte Herrmann an. „Wir elektrifizieren alle Modellreihen inklusive unserer Nutzfahrzeuge. Und das zu vertretbaren Kosten.“
Neben nur mit Batterie betriebenen Modellen und Hybriden kann sich Fords Deutschland-Chef auch mit Wasserstoff arbeitende Brennstoffzellen-Stromer vorstellen, allerdings vor allem in Nutzfahrzeugen – „im Personenwagen auf Sicht nicht“. Das Ziel von Ford sei weiter, bezahlbare Autos zu liefern. Das Angebot an Elektroautos werde dazu gestaffelt. „Wer nicht die größtmögliche Reichweite haben muss, nimmt kleinere Akkus und damit das günstigere Auto. Die Kaufentscheidung wird sich viel stärker am Nutzungsprofil orientieren“, meinte Herrmann.
R. Greims meint
Thema Ladeinfrastruktur werde zu langsam aufgebaut. Ich höre, die Tankstellenpächter verdienen nur etwa 3 Cents pro Liter. Ein grosser Anteil des Gewinns kommt vom Shop. Sollten diese Zahlen stimmen, verstehe ich die Tankstellenbesitzer echt nicht. Ein E Auto „tankt“ vermutlich ähnlich viele kWh wie ein Benziner Sprit (20-40 kWh oder halt Liter), nicht? Nur dass der Vorgang länger dauert und der E Autofahrer deshalb eher im Shop konsumieren wird. Warum also nicht eine oder zwei Zapfsäulen durch Stromtanken ersetzen? Dann noch den RFID-/ Ladekarten- Humbug ersetzen (bezahlen an der Kasse im Shop) und als Info den kWh Preis an die Leuchttafel neben den Diesel-/ Benzin Liter Preis setzen. Als industrieller Stromabnehmer kriegt man doch Vorzugspreise beim Strom. Somit sollten Preise von 30 bis 40 Cents pro kWh (inklusive Gewinn Marge von mindestens 3 Cents analog Benzin) drin liegen. Sehe ich da was falsch? Ist mir nur aufgefallen, weil eine neue Tankstelle in der Nachbarschaft gebaut worden ist, natürlich ohne Strom Zapfsäule! Und eine E Zapfsäule kostet vermutlich auch nicht wahnsinnig viel mehr als eine Benzin Zapfsäule..? In meinen Augen fehlt also schlicht der Wille zur Innovation. Oder übersehe ich ein gewichtiges, (wirtschaftliches) Detail?
Robert Ehrlich meint
Natürlich, ein Elektroauto steht an dem Platz der Zapfsäule mindestens eine Stunde, und der Pächter macht dann natürlich weit weniger Umsatz als mit den 20+ Verbrennern die dort sonst in der Zeit tanken würden. Beim Thema E-Auto hat sich leider eine Denkblokade eingeschlichen. Alle lieben es, keiner denkt wirklich drüber nach. In Berlin haben wir weshare, alles nur Elektrogolfs. Die machen Spass, fahre ich auch manchmal, aber die Dinger sind aufgrund ihrer Reichweitenbeschränkung nur für Stadtgebiet und nahes Umland geeignet. Oft stehen sie mit viel zu geringer Restreichweite auf dem Straßenland herum und verschlimmern nur die Parkplatznot, die es eh schon gibt. Dazu kommt das immer noch in keiner Weise gelöste Problem der Akkus, die bei weitem zu viel seltene Erden und damit irre Energiemengen in der Produktion verbrauchen, die sie in Jahren des Betriebs nicht wirklich einsparen. Ein E-Auto mag sauber aussehen, legt aber in Sachen Umweltverschmutzung bei derzeitiger Technik immer noch den Turbo ein.
Tatsächlich wäre ein Hybrid in einem leichten Durchschnitts-PKW und nicht im Manager-Panzer-SUV die vernünftigste Zwischenlösung.
Jörg2 meint
Herr Gunnar Herrmann ist Jahrgang 1959.
Aus dieser Ecke ist „größeres Zeitfenster“ gleichbedeutend mit „kann mein/e Nachfolger/in machen“.
Egon Meier meint
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Ford Riesenprobleme hat, für 2020 und 2021 die c02-Grenze zu schaffen.
Die arbeiten sehr eng mit VW zusammen und kaufen MEB-Plattformen in Massen aber haben noch kein darauf basierendes Fahrzeug fertig.
Könnte es sein, dass sie für 2020 und 2021 mit VW einen Pool bilden?
Davon haben beide etwas .. VW kann volle Stückzahl BEV absetzen und brauch sich nicht zu bremsen und Ford krieg Luft dazu, die c02-Grenze zu erreichen.
2020 hat VW nämlich das Problem, die ID.3 in Massen zu produzieren und absetzen zu wollen. Da die Verbrenner im Moment bei keinem Hersteller laufen bedeutet das die Unterschreitung der 95-Gramm-Flottengrenze und das ist für die Zukunft tödlich.
2021 ist es nicht so dramatisch, da die BEV nicht mehr doppelt mit 0 gr gerechnet werden.
Und Ford hat keine Fahrzeuge mit wenig c02 und keine massenfähigen BEV.
Also .. Pooling .. ??
Citaron meint
Ein Manager von Ford ließ vor nicht allzu langer Zeit verlauten, dass Ford die Flottenziele für 2020 erreichen wird, ohne auch nur ein einziges Elektrofahrzeug zu verkaufen. Von daher dürfte es ja nach ihrer Auffassung von Vorteil sein, dass der Mach-E, Fords erstes Großserien-Elektroauto, seinen EU-Start auf Anfang 2021 verschiebt.
Der Kuga PHEV läuft gut, kleine Diesel ziehen immer, Mustang und Explorer ziehen das Flottengewicht hoch, ohne zu schaden (Mustang V8 wird 2020 nicht eingerechnet, Explorer ist >95g) und die MHEVS in Fiesta und Focus liegen auch unterm Grenzwert.
Wie kommen sie darauf, dass Ford die Grenze sicher reißt, schließlich hat man im Gegensatz zu VW nur drei wirklich trinkfeste Modelle im Schnitt, Fiesta ST, Focus ST und Mustang EcoBoost.
duderino meint
Frage: Wieso wird der Mustang V8 nicht eingerechnet?
Mike meint
Was für ein Gejammer! Ich kann es nicht mehr hören. Da weiß man seit Jahren um die einzuhaltenden Ziele und macht – nichts. Ford hat die Hybrid-Technologie wie Toyota. Ich hatte auf einen Focus-Hybrid gehofft, ich hatte auf einen Fiesta-Hybrid gehofft – natürlich beide mit normalgroßem Kofferraum. Aber offenbar ist man solchen Aufgaben bei Ford nicht gewachsen. Man kann nicht immer die Welt an seine Weltsicht anpassen. Manchmal muss man sich auch der Welt anpassen. Wenn sie das nicht können, haben sie keine Überlebensberechtigung. Schade für die „unteren“ Mitarbeiter.
TE meint
hier sind ja wirklich lauter Experten am Werk, aktuell kann keiner auf Verbrenner verzichten, gerade im Flottenmarkt werden im Schnitt 50.000 km p.a. gefahren, wie soll das mit einem E Fahrzeug funktionieren, es wäre schön, wenn etwas mehr sachlich in solche Diskussionen kommen würde und ja, die Industrie hat die e Mobilität unterschätzt und auch die CO2 Grenzwerte sind seit Jahren bekannt, aber trotzdem ist die Autoindustrie der wichtigeste Industriezweig in Deutschland, ich weiß nicht ob wir da am falschen Ast sägen, es wird für die nächsten Jahre nur mit einem Mix aus Elektro/ Verbrenner und hoffentlich auch Wasserstoff im Schwerlastbereich funktionieren, daher sollte hier jeder auf sein eigenes Nutzungsverhalten schauen und nicht alles über einen Kamm scheren
MiguelS NL meint
„„Den Umschwung durch noch höhere Subventionen noch schneller zu erzwingen wird nicht funktionieren“
Ja, das stimmt,
„Man muss in einem größeren Zeitfenster denken.“
Dies stimme ich nicht zu, es fehlt der Wille alles geben zu wollen.
Robert meint
„Dies stimme ich nicht zu, es fehlt der Wille alles geben zu wollen.“ Wie wollen Sie das als Laie beurteilen? Haben Sie informationen über die technischen Möglichkeiten in den nächsten Jahren? Oder gehen Sie nach dem Motto …Ich habe keine Ahnung, aber bei der bleibe ich!
Andreas V. meint
@MIke hat es zwischenzeitlich ja bereits richtig beschrieben, dem ist nichts weiteres hinzuzufügen.
Futureman meint
Bisher wird für jedes verkaufte E-Auto mindestens 1 neuer Ladepunkt gebaut, denn mindestens alle EFH-Besitzer bestellen zum E-Auto gleich einen Ladepunkt. Viele Firmen installieren für ihre Angestellten Wallboxen. Zahlreiche Stromunternehmen bauen Ladesäulen. Dann noch die Schnellladepunkte von Ionity, Tesla und Co.
An Lademöglichkeiten sollte es also nicht scheitern.
Der größte Haken ist z.Zt. die langen Lieferzeiten. Viele Hersteller sind (angeblich) dieses Jahr schon ausverkauft. Entweder geht es den Autoherstellern doch nicht so schlecht oder sie haben eine schlechte Planungsabteilung…
Ebi meint
Da sind Superstrategen am Werk, die die 2020er Co2-Ziele exakt treffen wollen.
GE meint
Der Haken ist beim Laden leider noch ein wirrwar and Ladekaten, rfid chips, probleme beim Laden etc.
Bis auf Tesla wo das vorbildlich läuft – Auto einstöpseln , fertig. Es würde schon helfen die Softwarefehler zu beseitigen und die relativ banale Option per Kreditkarte oder EC-karte direkt an der Säule zu bezhalen einzuführen. Das geht bei jedem U-bahnautomat.
Eugen meint
Meine Prognose: Ford wird den EU Markt aufgeben und damit Fabriken in Europa schließen, wenn sie die Flottenverbräuche nicht einhalten können und hohe Strafen zahlen müssen. Europa ist für Ford eher ein Verlustgeschäft, der US Markt dagegen läuft gut. Die Arbeitsplätze in Europa können dem Management in Detroit egal sein, ich würde der EU keine Extrawurst braten.
fritschi meint
denke ich nicht, sie sind zurzeit daran das Europa-Geschäft mit VW zu „verheiraten“.
Umgekehrt erhofft sich VW etwas mehr Erfolg auf dem US-Markt.
Zwei „Langweiler“ paaren sich…
Eugen meint
Man wird sehen, was der MEB überhaupt taugt und wie teuer sich VW die Plattform bezahlen lässt, der Kunde muss am Ende auch mitspielen. Bin gespannt was Ford aus dem MEB macht, aber tippe auf ein Kompakt SUV ala Kuga.
Wenn mich nicht alles täuscht verkauft sich Ford in Europa nur in GB und Deutschland gut. Die Briten wollen auch mit Brexit einen strengen Klimaschutzkurs fahren, das könnte sich dann für Ford vll. erst recht nicht mehr lohnen.
Rene meint
Das würde ich auch tun, denn was nützen hohe Strafen und der Co2 Wert geht nicht runter
Andreas_Nün meint
Wow, also diese Aussagen machen echt sprachlos.
bensch meint
Wie passend, ich komme gerade vom SZ Artikel über Lobbyarbeit. All diese Grenzwerte und Ziele und WLTP usw. stehen schon seit Jahren fest. Die EEG Umlage in ihrer aktuellen Form ist auch Ergebnis gezielter Lobbyarbeit. Anstatt einfach Mal ihre verdammten Hausaufgaben zu machen wird lobbyiert, intrigiert, manipuliert wo immer es geht. Es kotzt mich gelinde gesagt an, sorry not sorry.
Andreas V. meint
Yep.
EESSI129 meint
Der Klimawandel denkt nicht (mehr) in „größeren Zeitfenstern“. Und immer wieder mit dem Finger auf andere zu zeigen (..die öffentliche Landeinfrastruktur ist mangelhaft..) bringt keinen Autohersteller weiter. BEVs für in X-Jahren anzukündigen auch nicht. Die eigenen Hausaufgaben werden bei Ford (und leider nicht nur dort) immer noch nicht ernst genug genommen. Dafür aber nach dem Staat (Steuergeld; Aussetzen von lange bekannten Sanktionen) rufen (= weiter denken in alten Strukturen) für Verbrenner-Technik, die dem Planeten nachweislich schadet
hermann meint
„Eine weitere Erhöhung der Zuschüsse würde jedoch für eine Schieflage in den unteren Preissegmenten sorgen, weil keine Margen mehr erzielt werden könnten.“
Dagegen gibt es ein wirksames Mittel, nämlich Preiserhöhungen oder Kürzung bestehender Kundenrabatte vor Verkündung der Kaufprämie. Danach passt es wieder.
Daniel S meint
Hier die Zusammenfassung seiner Aussagen:
„Die Strafen, die 2021 für 2020 fällig würden, müssten ausgesetzt werden“