Volvo-Vorstandschef Hakan Samuelsson hat im Interview mit dem Handelsblatt ausführlich über die beschlossene Transformation zum reinen Elektroauto-Anbieter gesprochen. Ab 2030 will der schwedische Premium-Hersteller nur noch reine Stromer bauen und verkaufen. Verbrenner-Fahrzeuge, darunter auch Hybride, sollen dann nicht mehr angeboten werden.
„Elektromobilität passt wunderbar zu unserer Marke. Wir wollen nachhaltige und sichere Autos verkaufen. Insofern kann unsere Zukunft nur elektrisch sein“, erklärte Samuelsson. Verbrenner seien „die Technik von gestern“. Andere Konzerne wie Volkswagen engagierten sich ebenfalls stark bei der Elektromobilität, Volvo könne das Geschäft aufgrund seines weniger komplizierten Produktportfolios aber schneller umstellen.
Darauf angesprochen, ob Volvo für seine Elektroauto-Pläne ausreichend Batterien habe, verwies Samuelsson auf Partnerschaften mit den asiatischen Akkufertigern CATL und LG Chem. Mit den in ihrer Branchen führenden Unternehmen habe der Autohersteller 2019 umfangreiche globale Lieferverträge vereinbart, die Volvo mindestens zehn Jahre lang Batteriezellen sichern. Selbst einen Bedarf von einer Million Batterien für vollelektrische Modelle und Plug-in-Hybride könnte man damit sicherstellen.
In Zukunft muss sich Volvo bei steigendem Absatz von E-Fahrzeugen nach Überzeugung von Samuelsson bei Akkus stärker selbst engagieren. Das Unternehmen habe festgestellt, dass die Zelle kein Standardprodukt sei. Es handele sich um eine anspruchsvolle Technologie, die viele Fertigkeiten wie die der Chemie erfordere. Volvo habe daher vor, das auch selbst zu verstehen und zu beherrschen. „Wir wollen deshalb Batterien nicht als fertigen Block kaufen, sondern uns selbst darum kümmern. Wie das letztlich aussehen wird, kann ich nicht sagen“, sagte der Vorstandschef.
Feststehe, dass die Batterie „Kerngeschäft“ sei, so Samuelsson. Volvo werde daher „viel engere Partnerschaften“ mit Zelllieferanten eingehen, auch um ausreichend Produktionskapazitäten zu sichern. Im Zuge dessen sei der Autokonzern offen, in die Produktion mit Partnern zu investieren. Diese Technologie lasse sich nicht einfach zum Festpreis kaufen, man müsse hier tief involviert sein. Die anvisierte Zusammenarbeit mit Akku-Spezialisten werde daher „weit über eine klassische Lieferbeziehung hinausgehen“.
Mit Blick auf die unzureichende Ladeinfrastruktur meinte der Volvo-Boss, dass dies ein entscheidendes Problem sei. Er gehe aber davon aus, dass die aktuellen Engpässe zügig aufgelöst werden. Ölkonzerne, Energieversorger, Autokonzerne und andere Unternehmen investierten in diesem Bereich sehr viel Geld. Volvo selbst habe keine Pläne, Ladeinfrastruktur aufzubauen. Man konzentriere sich darauf, das Finden von Ladestationen über die Navigation im Auto möglichst einfach zu machen. Das gelte auch für das Bezahlen von Strom über die eigenen Apps. „Die Batterie mit Strom nachzuladen wird bald so einfach sein wie Benzin tanken. Mich macht das Thema daher nicht nervös“, so Samuelsson.
Keine „Rabattschlachten“ mehr
Seine Elektroautos und damit ab 2030 alle Baureihen verkauft Volvo zukünftig exklusiv im Direktvertrieb. Das gehe darauf zurück, dass die Kunden die Intransparenz beim Preis störe. Derzeit biete jeder Händler einen anderen Preis an, Volvo werde das ändern. „Wir müssen diese schädlichen Rabattschlachten beenden“, sagte Samuelsson. Im Internet könne man einheitliche Preise darstellen. Der Kunde erhalte das online ausgewählte Modell dann über einen der weltweit 2300 Vertriebspartner geliefert, was den Kauf insgesamt leichter mache.
Eine Reduktion des Händlernetzes plant Volvo nicht, die Vertriebspartner sollen auch aktiv in die Neuausrichtung miteinbezogen werden. „Wenn wir selbst nichts tun, dann werden die Fahrzeuge über andere Plattformen gehandelt“, betonte der Volvo-Chef. Die Händler erhalten in dem neuen Vertriebskonzept eine Auslieferungsprämie statt der gewohnten Marge für jedes Fahrzeug, das sie zu den Kunden bringen oder übergeben. Die Händler werden zudem für Service und Reparaturen, Probefahrten und Beratung vergütet. Der digitale Vertrieb werde die Distributionskosten „deutlich reduzieren“, sagte Samuelsson. Genaue Zahlen wollte er nicht nennen.
Raphael meint
Als Mitarbeiter von Volvo hätte ich bei den Aussagen dieses CEOs echte Zukunftsängste:
– sie denken über den Aufbau von Batteriezellen Know-how nach … andere (z.B. Volkswagen, BMW, Tesla) haben dieses bereits aufgebaut und haben Pilotanlagen in Betrieb
– sie schauen sich erst jetzt nach Partnern für eine Batteriezellenproduktion um … dies haben die meisten andern Hersteller (auch Toyota) bereits gemacht und auch Rohstoffe abgesichert
Was bleibt für Volvo? Den anderen hinterherlaufen und versuchen, nachzuziehen. Ergibt höchstens Mittelmässigkeit … für einen kleinen Hersteller ist dies aber sehr gefährlich. Ohne USP droht die Bedeutungslosigkeit. So gingen SAAB, Lancia und Rover schon zu Grunde.
Ansagen machen sie aber wie ein Pionier.