Carsten Breitfeld hatte einst bei BMW den teilelektrischen Sportwagen i8 beaufsichtigt, anschließend gründete er gemeinsam mit einem weiteren BMW-Manager in China das Elektroauto-Startup Byton. Dort verabschiedete er sich 2019 wegen zu starker Einflussnahme des Staates, mittlerweile lenkt er das Stromer-Startup Faraday Future. In einem Interview mit der Neue Zürcher Zeitung (NZZ) sprach er über seine Pläne.
Faraday Future galt zwischenzeitlich wegen finanzieller Probleme als gescheitert, treibt aber weiter den Start seines ersten Serienmodells FF 91 voran. Das Geld dafür soll ein anstehender Börsengang bringen. Breitfeld glaubt an das Potenzial des Startups, das das Elektroauto vor allem als Vehikel für digitale Funktionen, Vernetzung und Dienste sieht.
Das Auto werde „gewissermassen Teil eines grösseren Ökosystems“, in dem es sich vielleicht irgendwann einmal autonom bewegen kann, erklärte Breitfeld. Es gehe nicht mehr nur ums Fahren an sich und darum, von A nach B zu kommen, sondern darum, was man mit der Zeit im Fahrzeug anfangen kann. Die Produkte von Faraday Future seien vernetzt mit großen Bildschirmen auf dem Beifahrersitz und im Fond, über die man auf die digitale Welt zugreifen kann – „sei es, um zu arbeiten, um sich zu amüsieren oder um entspannt Videokonferenzen zu machen“. Das sei die Zukunft.
Von anderen aufstrebenden Elektroauto-Anbietern wie etwa Tesla unterscheide sich Faraday Future, in dem es seine Fahrzeuge nicht vor allem auf den Fahrer ausrichtet. „Bei uns dagegen wird jeder Sitzplatz zum Erlebnis“, so Breitfeld. Hinter dem Lenkrad des FF 91 könne man hohe Leistung und eine enorme Beschleunigung genießen, auf den anderen Plätzen werde das große SUV-Crossover zum „Smart-Device-On-Wheels“. Der Komfort sei vergleichbar mit der ersten Klasse im Flugzeug.
Faraday Future positioniert sich laut Breitfeld als Premiummarke, dazu müsse man die entscheidenden Technologien selbst entwickeln. Die Marke stehe auf drei Säulen: erstens „einem modernen, coolen Design“. Zweitens auf dem Fahrerlebnis, das auf dem stärksten E-Antrieb und der leistungsstärksten Batterie mit der größten Reichweite der Fahrzeugklasse aufbaue. Und drittens auf der Konnektivität. Faraday Future habe bereits zwei Milliarden Dollar in dieses Paket investiert, das nun bald auf den Markt kommen soll.
Als Neueinsteiger müsse sich das Startup erst einmal etablieren, räumte Breitfeld ein. Direkt mit Teslas erfolgreichem Mittelklasse-Elektroauto Model 3 zu konkurrieren, sei dabei nicht zielführend. Daher setze Faraday Future erst auf ein Premium-Produkt in der Liga von Maybach, Bentley oder gar Rolls-Royce. Der FF 91 sei entsprechend luxuriös, „mit extremem Komfort“, habe 1050 PS und biete eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 2,4 Sekunden. „Alle werden über das Fahrzeug reden, viele werden es haben wollen, aber kaum jemand wird es sich leisten können“, so der Firmenchef.
Weitere Modelle in Arbeit
Der FF 91 soll spätestens Mitte kommenden Jahres in die Produktion gehen. Eineinhalb Jahre später will Faraday Future laut Breitfeld dann den FF 81 einführen, eine kleinere Version des Topmodells auf der gleichen Plattform und mit der gleichen Technologie. In einem dritten Schritt sei dann ein Jahr später der Start der deutlich kleineren Volumen-Version FF 71 geplant. Letztere werde voraussichtlich von einem südkoreanischen Kooperationspartner gebaut und solle dann auch dem Tesla Model 3 Konkurrenz machen. Am Ende wolle Faraday Future jährlich 270.000 Elektroautos herstellen.
Akzeptanzprobleme erwartet Breitfeld nicht. Der FF 91 werde 400 Meilen Reichweite (644 km) bieten, in der Praxis brauche das kein Mensch. Mit wachsender Ladeinfrastruktur und verbesserten Schnellladegeräten werde niemand mehr über die Reichweite diskutieren. „Ich gehe sogar davon aus, dass die Batterien künftig eher wieder kleiner werden, und statt die Leistungen weiter zu steigern, wird man lieber das Gewicht und die Kosten senken“, sagte der deutsche Manager.
Mit Blick auf die unstete Historie von Faraday Future meinte Breitfeld: „Ich sage selbstbewusst: Der Unterschied ist, dass ich jetzt dabei bin.“ Die Firma habe früher gerne zu viel versprochen und sei nicht auf die Ausführung getrimmt gewesen. Das habe er geändert. Zudem habe der Gründer ein persönliches Schuldenproblem gehabt, was Investoren abschreckte. Inzwischen sei er nicht mehr am Unternehmen beteiligt. „Wir haben nun ein gutes Team, einen konservativen, umsetzbaren Businessplan, wir haben ‚investierbare‘ Strukturen und ein Führungsmodell nach westlichen Maßstäben“, so Breitfeld. Was jetzt noch fehle, sei Geld – das werde aber bis Ende Juni durch die Fusion mit der bereits börsennotierten Firma Property Solutions Acquisition Corp. eingesammelt.
Eugen P. meint
Firmen wie Rolls Royce haben eine hundertjährige Geschichte, da kann kein Startup daherkommen und versuchen in dieser Liga mitzuspielen, etwas anderes wäre es, wenn es nur um reine Performance ginge, meinetwegen Rimac vs. Hennessey.
Cristian meint
Wer sein Geld verschenken will für ein Startup mit viel Arroganz und ohne Mehrwert, hat‘s nicht kapiert oder ist selber schuld. Solche Startups und ihre Investoren müssen abgestraft werden, sie setzen mit ihren Geschäftsmodel meiner Meinung nur auf Ausbeutung und soziale Spaltung und suchen Idioten die sich dafür begeistern und es auch noch finanzieren sollen.
Gasbremse meint
Was haben FF und Fisker gemeinsam?
Coole Ankündigungen und heisse Luft.
Nach dem Einstieg der „etablierten“ Hersteller, die von bestehenden Strukturen und Skaleneffekten profitieren, bleibt für Startups in einem inzwischen konkurrierenden Markt so gut wie keine Überlebenschance.
AMG Power meint
Gebe „Gasbremse“ vollkommen recht, das wird vermutlich nichts werden. Ich lehne mich mal aus dem Fenster, alle heute neuen Startups und die die es noch werden wollen, werden die nächsten 2-3 Jahre verschwunden sein. Warum, bis 2025 haben alle etablierten Hersteller ihre dezidierte E-Plattform und die dazugehörigen Autos serienreif. Und die meisten Abwanderer, werden sich ihrer ehemaligen Verbrenner-Marke hin orientieren.
Eugen P. meint
Sehe ich genauso, wenn je die Chinesen hier aufschlagen, dann auch nicht deren Startups, sondern die großen etablierten Herstellern.
David meint
Das wird nichts werden. Das Produkt hat kein Alleinstellungsmerkmal, sieht mittelmäßig aus und die Firma ist finanziell in Trouble. Zurecht.
Envision meint
Naja, für einen SPAC Börsengang um ein paar Milliarden im Sinne der aktuellen Besitzer und Vorstände abzugreifen, wie andere zukünftige Pleitekandidaten Nikola, Fisker oder Lordstown – wird es wohl mit der blumigen Story um Galionsfigur von BMW reichen, Gelegenheit macht Schule.
Tommi meint
Ja, ganz bestimmt nicht. So wie das mit Tesla nichts wird. So sagt man das hier in Deutschland. Hierzulande fehlt es an Visionen und am Mut, auch mal zu versagen. Manchmal führt dieser Mut halt doch zum Erfolg. Und dann wundert sich der Vorsichtige, der es doch immer schon gewusst hat.
Gunnar meint
Faraday Future kannst du mit Tesla nicht vergleichen.
Tesla hat vor mehr als 10 Jahren angefangen, BEVs zu verkaufen, als noch fast kein anderer Hersteller auf BEVs gesetzt hat (gibt ein paar Ausnahmen: Nissan, Renault, Mitsubishi). Sie hatten die Gunst der frühen Stunde.
Heute in den Markt neu einzusteigen, ist um mehrere Faktoren schwieriger, weil jetzt nahezu jeder alteingesessene Hersteller mehrere BEVs im Angebot hat und sein BEV-Angebot in den nächsten Jahren deutlich ausbauen wird.
Tim Leiser meint
Und davor hatten sie Mut etwas zu machen, von dem hier im Forum wahrscheinlich jeder gesagt hätte, dass sie scheitern würden… auch wenn jetzt viel mehr Player mitspielen und es schwieriger wird: das galt auch für TESLA. „Wenn die etablierten erst ihre Pläne auspacken wird es düster.“ „wer kauft schon ein Auto mit Laptop-Zellen“.
Aber darum geht es nicht. Ich merke das sogar privat. Wenn ich etwas neues probiere, zweifeln zunächst alle aus dem Umfeld. Alle haben gute Argumente. Und eines von 10 Projekten klappt und alle finden das dann toll. Du verstehst. Mir fehlt in Deutschland der Mut zum Risiko. Nicht von den Erfindern. Von den Investoren
OnlyAFoolUsesGoogleAndroid meint
Wenn eins von 10 Projekten klappt, dann hat Tesla neben Fisker, FF, Sono und Lordstown die Quote schon übererfüllt. Die Frage ist, wer hier von den großen Sprücheklopfern bei einem von vornherein 90-prozentigen Desaster, dieses überhaupt angehen würde bzw. finanziell unterstützen würde?