Das Center of Automotive Management (CAM) der Fachhochschule Bergisch Gladbach hat Szenarien für den Markthochlauf der Elektromobilität in Europa bis zum Ende des Jahrzehnts erstellt. 2030 kann der Neuzulassungsanteil von Elektrofahrzeugen (EVs) demnach unter günstigen Rahmenbedingungen auf bis zu 90 Prozent steigen.
Die globale Marktdynamik der Elektromobilität habe sich im Jahr 2020 vor dem Hintergrund veränderter Regulationskulissen und verschärfter Klimaschutzziele erheblich beschleunigt, so das CAM. Die E-Mobilität nehme dabei entgegen dem Corona-bedingten rückläufigen Gesamtmarkttrend zu. Im Jahr 2020 seien in Europa (EU, EFTA & UK) insgesamt 11,9 Millionen Pkw neu zugelassen worden, das entspreche einem Rückgang von rund 24 Prozent im Vergleich zu 2019. Im Gegensatz dazu sei der Elektrofahrzeug-Absatz (BEV/PHEV = Batterie-Fahrzeuge/Plug-in-Hybride) auf dem europäischen Markt um knapp 144 Prozent auf ein Niveau von etwa 1,3 Millionen Fahrzeugen gestiegen.
Die EVs (BEV + PHEV) hätten im Jahr 2020 einen Neuzulassungsanteil von knapp 11 Prozent gehabt. Rund 6 Prozent entfielen auf die BEVs und etwa 5 Prozent auf die PHEVs, berichtet das CAM. Im ersten Halbjahr 2021 habe sich dieser Trend mit einem EV-Neuzulassungsanteil von rund 17 Prozent weiter beschleunigt. In Deutschland liege der Marktanteil von E-Fahrzeugen nach sechs Monaten des Jahres 2021 nunmehr bei 22,5 Prozent.
Drei Szenarien
Für das Jahr 2030 ist laut dem CAM vor dem Hintergrund verschärfter Klimaschutzregeln und bereits erlassener Zulassungsverbote für Verbrenner in einigen Ländern mit einer weiteren deutlichen Erhöhung des globalen EV-Marktanteils zu rechnen. Zur Abschätzung des Marktes in Europa wurden drei Szenarien erstellt, die sich im Hinblick auf die Geschwindigkeit des Hochlaufs unterscheiden. Im schnellen Szenario, das einen sehr dynamischen EV-Markthochlauf modelliert, steigt der EV-Marktanteil in Europa im Jahr 2030 auf 90 Prozent. Rund 81 Prozent der gesamten europäischen Pkw-Neuzulassungen entfallen auf BEV, knapp 9 Prozent wären Plug-in-Hybride. Für den Gesamtmarkt in Europa wird für das Jahr 2030 in allen Szenarien von 15,5 Millionen Neuzulassungen ausgegangen. Durch den EV-Marktanteil von 90 Prozent ergibt sich der CAM-Prognose nach ein absoluter Absatz von etwa 14 Millionen elektrischen Fahrzeugen (EVs), die sich aus 12,6 Millionen batterieelektrischen und 1,4 Millionen plug-in-hybriden Fahrzeugen zusammensetzen.
Diese Entwicklung sei vor allem den ambitionierten regulatorischen Vorgaben, stark sinkenden Batteriepreisen sowie der sehr gut ausgebauten Ladeinfrastruktur geschuldet, erklären die Studienautoren. Daraus resultiere, dass sich das BEV-/PHEV-Verhältnis unter den EV deutlich in Richtung der nachhaltigeren und kostengünstigeren batterieelektrischen Fahrzeuge entwickele. Demzufolge liege das BEV-/PHEV-Verhältnis unter den EVs in diesem Szenario bei 90:10 zugunsten der BEV.
Aus den getroffenen Annahmen geht im moderaten Szenario ein EV-Neuzulassungsanteil von 75 Prozent im Jahr 2030 hervor, während mit einem Viertel konventionellen Verbrennerfahrzeugen gerechnet wird. Die 75 Prozent EVs setzen sich zu 80 Prozent aus BEVs und zu 20 Prozent aus PHEVs zusammen. Aus den prozentualen Anteilen ergeben sich in absoluten Zahlen Neuzulassungen von 11,6 Millionen EVs im Jahr 2030. Darunter finden sich nach dem erwarteten BEV-/PHEV-Verhältnis rund 9,3 Millionen BEVs und 2,3 Millionen PHEVs.
Unter der Annahme eher negativer Einflussfaktoren ergibt sich im langsamen Szenario des CAM ein EV-Neuzulassungsanteil von etwa 50 Prozent. In diesem Szenario sind entsprechend noch 50 Prozent der Neuzulassungen konventionelle Verbrennerfahrzeuge. Aufgrund von großen Ladeinfrastrukturproblemen erfahren im Vergleich zu den anderen Szenarien Plug-in-Hybride eine höhere Nachfrage, sodass das BEV-/PHEV-Verhältnis hier nur 70:30 zugunsten der BEVs beträgt. Daraus resultiert ein Neuzulassungsanteil der BEVs von 35 Prozent und der PHEVs von 15 Prozent. In absoluten Zahlen werden im langsamen Szenario 5,4 Millionen BEVs und 2,4 Millionen PHEVs in Europa neuzugelassen, die sich auf 7,8 Millionen EVs im Jahr 2030 in Europa summieren.
Durch den in den Szenarien beschriebenen Markthochlauf der E-Mobilität reduziert sich das jeweilige Absatzvolumen von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Da auch in anderen zentralen Marktregionen wie China und den USA mit ähnlichen Trends zu rechnen sei, stelle sich für alle Automobilhersteller die Frage, ob sich die Investitionen in neue Motorengenerationen und Plattformen beziehungsweise Baukastenarchitekturen für Verbrennerfahrzeuge noch ausreichend amortisieren, so das CAM. Grundsätzlich müssten die Autohersteller je nach Szenario bereits für das Jahr 2030 mit einer teils sehr drastischen Reduzierung der Absatzvolumen für Benzin- und Dieselfahrzeuge rechnen. Entsprechend dürften viele die Entwicklung in neue Verbrennerfahrzeuge in der zweiten Hälfte der 2020er Jahre einstellen.
Sean Wagner meint
Ich denke es ist grundsätzlich verkehrt anzunehmen, dass der Gesamtabsatz gleich bleiben kann, und nur anders aufgeteilt wird. Wenn die Batterieherstellungskapazitäten (hui) nicht schnell genug anwachsen, während die Nachfrage nach explosiv betriebenen Fahrzeugen wegbricht, wird auch der Gesamtmarkt zeitweilig schrumpfen – so denn alle Fahrzeugkategorien gleich bleiben. Vielleicht kommen ja günstige kleine Flitzer mit City-Reichweite dazu.
Daniel S meint
Aufgepasst: Wir reden über das Jahr 2030 – also erst in 9 Jahren. Wer als Unternehmer da noch an das langsame Szenario denkt wird wohl seine Firma 2030 aufgrund falscher Investitionen – stranded assets – zum Bankrott anmelden müssen.
MiguelS NL meint
Die CAM geht in deren „Modell“ davon aus (anders kann es nicht sein) dass der jährliche BEV Zuwachs über die nächsten im Schnitt um die 90% nachlassen wird. D.h. dass sehr schnell abnehmen wird bis zu Jahren wo es keine Zuwachs mehr gibt.
Ich denke :
Die Nachfrage nach BEV wird nicht von 100% auf 0-1% abflachen.
Der Zuwachs wird höchstens im Worst Case Szenario nachlassen weil die Herstelller alles daran tun werden noch möglichst viele Verbrenner zu verkaufen. Politisch (in den Medien) wird es heißen wir geben Vollgas jedoch beim Händler wird die zweite Agenda ausgeführt in dem sie die Kunden möglichst einen Verbrenner verkaufen. Diese ist Strategie hat in de letzten 10 Jahren nicht funktioniert und wird auch in den nächsten 10 Jahren nicht funktionieren. Sie werden bremsen können, vielleicht den Zuwachs am Ende auf 25% pro Jahr runter bringen, aber selbst dann ist das Thema (sehr sehr wahrscheinlich) bis Ende 2025 durch.
EdgarW meint
Die grüne Säule repräsentiert PHEV, genau mein Humor. Wird Zeit, dass die Politik sich dran macht, auch diese einzuschränken und zumindest derern Förderung in Richtung Null reduziert. Klügere Staaten haben die PHEV-Förderung bereits gestrichen.
Zu den Szenarien: Ich tippe in Richtung „optimistisches Szenario“, nur dass unter dem 90%-Balken die BEV stehen werden.